Schon wieder ich! - Über die Opferrolle und wie wir uns davon befreien.

Schon wieder ich! - Über die Opferrolle und wie wir uns davon befreien.

von: Jaya Herbst

Kösel-Verlag, 2002

ISBN: 9783466305780

Sprache: Deutsch

208 Seiten, Download: 2214 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Schon wieder ich! - Über die Opferrolle und wie wir uns davon befreien.



Opfergefühle und Kommunikation (S. 107-108)

Kommunikation geschieht auf vielerlei Weise und auf vielen verschiedenen Ebenen. Wir kommunizieren über Sprache, Stimmfrequenz, Mimik und sonstige muskuläre Reaktionen und natürlich über Taten.

Vor allem ist die verbale von der nonverbalen Kommunikation zu unterscheiden. Während gesprochene Worte zu einer relativ klaren Botschaft führen, tragen die nicht gesprochenen, aber dennoch über unsere Körpersprache vermittelten Botschaften genauso entscheidend zum Prozess der Kommunikation bei.

Jeder Mensch macht seine Einstellungen zum Leben und zu sich selbst in seiner Kommunikation sichtbar. Meist geschieht dies ohne bewusste Auswertung des verbal oder nonverbal Gesagten.

Kommunikation transportiert Energien von Freude, Ärger, Lust, Leiden und jedes anderen emotionalen Zustandes. Kommunikation lässt uns teilhaben an den Prozessen, mit denen ein Mensch zu tun hat.

Der kommunikative Einfallsreichtum ist schier unerschöpflich, und so ist es weder leicht festzustellen, welche Botschaft wir gerade aufgenommen haben, noch ist uns immer klar, was wir selbst als Botschaft aussenden. Auch Opfergefühle werden meist selbstverständlich, unreflektiert und in Unwissenheit über die Konsequenzen in Kontakt gebracht.

»Warum gerade ich?«

Opfergefühle lassen uns, wie bereits ausgeführt, glauben, zu den Benachteiligten zu gehören, denen noch etwas zusteht. Diese Überzeugung fließt in jede Form des Kontaktes ein, könnte es doch genau dieser Kontakt sein, der die gewünschte Kompensation für das vermeintlich er- littene Unrecht bringt. Deswegen ist es in dieser Hinsicht sogar notwendig, die Opfergefühle einen Teil des Kontaktes bestimmen zu lassen.

Besonders auffallend sind hier Fragen, die sich mit dem Warum beschäftigen:

»Warum gerade ich?«
»Warum musste es mir so ergehen?«
»Warum konnte ich keine besseren Eltern haben?«
»Warum hast du mir das angetan?«

Diese »Warum-gerade-ich?«-Fragen versuchen einerseits die Ursachen für die Opfergefühle herauszufinden und die dahinter stehende Gesetzmäßigkeit zu erkennen.

Andererseits drücken sie oft tiefe Zweifel am Sinn einer gemachten Erfahrung aus. Sie enthalten den Wunsch, die Lebensgeschichte umzuschreiben, um die schmerzhafte Erfahrung ungeschehen zu machen.

Eine meiner Klientinnen, die 68-jährige Frau Friedmann, neigte dazu, ein für sie schmerzhaftes Erlebnis, eine Missbrauchserfahrung in der Kindheit, wieder und wieder zu erzählen. Sie selbst nahm die ständige Wiederholung im Gespräch gar nicht wahr. Als ich sie auf die zwanghafte Wiederholung aufmerksam machte, war sie zunächst erstaunt, erkannte dann aber diese Tatsache.

Ich fragte sie, was sie sich davon wohl verspreche. Sie antwortete: »Wenn ich nur verstehen könnte, warum sie es getan haben!« Daraufhin bat ich sie, mir mitzuteilen, wie das Verstehen des »Warum« ihr Leben verändern könne. Sie gab mir keine direkte Antwort, sondern führte aus, dass Eltern ihrem Kind so etwas nicht antun sollten. Die Eltern von Frau Friedmann waren längst verstorben, doch sie schilderte diese 55 Jahre zurückliegende Erfahrung so voller Wut und Schmerz, als habe sie sie gestern erlitten.

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