Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms

Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms

von: Uwe Fischer, Friedemann Baum

Georg Thieme Verlag KG, 2014

ISBN: 9783131774613

Sprache: Deutsch

292 Seiten, Download: 12417 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms



2 Tumorentstehung


F. Baum

2.1 Mutation, Karzinogenese und Angiogenese


Das Leben auf unserem Planeten basiert auf der Vermittlung des Erbguts von einer Generation zur nächsten. Dieses Erbgut findet sich in Form der DNA (Desoxyribonukleinsäure) in den Chromosomen des Zellkerns. Bei jeder Zellteilung muss es verdoppelt und dazu vollständig kopiert werden. Fehler, die beim Kopieren der genetischen Information unterlaufen, werden Mutationen genannt. Diese Fehler sind in Anbetracht der Größe des Erbguts unausweichlich. Häufig haben sie keinerlei Konsequenzen, weil die entsprechende Veränderung des Erbguts keine physiologische Bedeutung hat. In anderen Fällen ist die Veränderung mit dem Leben nicht vereinbar. In seltenen Fällen verändert eine Mutation jedoch die Eigenschaften einer Zelle mit einem Überlebensvorteil gegenüber der ursprünglichen Zelle. Über viele Millionen Jahre hatte dieses Phänomen von Generation zu Generation die Entwicklung einer Artenvielfalt zur Folge.

Bedeutet Mutation generationsübergreifend Evolution, so stellt sie für das Individuum selbst eine Bedrohung der Gesundheit dar. Wenn eine Mutation in einem Lebewesen zu Veränderungen der physiologischen Eigenschaften führt, können diese Veränderungen unterschiedliche Auswirkungen haben. Hält sich eine veränderte Zelle weiterhin an die Spielregeln des Gesamtorganismus, stellt diese Veränderung für den Organismus meist keine Bedrohung des Gleichgewichts dar.

Verliert eine Zelle jedoch die grundlegende Eigenschaft, in der Zellgemeinschaft zu leben, wird von einer Krebszelle gesprochen. Hierzu ist üblicherweise eine Folge von ca. 6–8 Mutationen notwendig. Diesen Krebszellen ist die Eigenschaft der Kontaktinhibition verlorengegangen (? Abb. 2.1). Diese führt zu einer Lähmung des Zellwachstums, sobald ein Kontakt mit anderen Zellen besteht. Durch die Kontaktinhibition werden die Hoheitsgebiete in mehrzelligen Organismen geregelt. Sie verhindert, dass sich fremde Zellen in einem anderen Organ ausbreiten.

Tumorentstehung.

Abb. 2.1 

Abb. 2.1a Im Epithel des Milchgangs ist ein mutierter Zellklon (schwarz) entstanden.

Abb. 2.1b Im Laufe der Zeit ereignen sich eine 2. (grün) und eine 3. Mutation (orange).

Abb. 2.1c Im Verlauf kann es zu weiteren Mutationen kommen, bis hin zu einer z.B. 6. Mutation (rot).

Abb. 2.1d Dieser Zellklon hat die Kontaktinhibition verloren und verdrängt in der Folge die anderen umgebenden Zellen.

Abb. 2.1e Mit der Zeit hat der Zellklon auch die anatomischen Strukturen überschritten und ist zum invasiven Tumor geworden.

Durch den Verlust der Kontaktinhibition wird es einer Krebszelle möglich, fremde Gewebe zu infiltrieren. Dabei helfen diesen Zellen Enzyme, die Bindegewebe und andere Strukturen auflösen. Darüber hinaus können Krebszellen ihren Ursprungsort über Lymph- und Blutgefäße verlassen. In diesen Fällen wird von lymphogener und hämatogener Streuung gesprochen, deren Folge die Bildung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) sein kann.

Krebszellen werden durch einen beschleunigten Metabolismus und einen besonders schnellen Zellzyklus charakterisiert. Diese Eigenschaften setzen einen außergewöhnlich hohen Versorgungsbedarf voraus. Um diesen Bedarf zu decken, sondern diese Zellen Enzyme ab, die das Umgebungsgewebe zur zügigen Ausbildung eines Blutgefäßsystems anregen (Angiogenese, Tumorneoangiogenese). Das auf diese Weise angiogenetisch ausgebildete Gefäßnetz besteht aus morphologisch einfach aufgebauten Endothelschläuchen ohne den komplexen Aufbau üblicher Blutgefäße, reicht aber zur Versorgung der anschließend einsprossenden Karzinomzellen. Dieses Gefäßnetz entzieht den umliegenden Organen wie auch dem Gesamtorganismus Energie und Nährstoffe. Oft ist das Wachstum der Krebszellen jedoch so sehr beschleunigt, dass selbst die spezielle Blutversorgung nicht zur Ernährung aller Tumoranteile ausreicht und es zum Absterben von Krebszellen kommt, zumeist im Tumorzentrum.

2.2 Risikofaktoren


Das Risiko einer Frau, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab (? Tab. 2.1 und ? Tab. 2.2). Wie auch in gesunden Körperzellen spielen dabei die Onkogene und die Tumorsuppressorgene eine wichtige Rolle in der Tumorentstehung. Die Onkogene sorgen dabei für ein beschleunigtes, die Tumorsuppressorgene für ein verlangsamtes Zellwachstum.

Tab. 2.1 Absolutes Brustkrebserkrankungsrisiko in Abhängigkeit vom Lebensalter (aus ? [27]).

Erkrankungsrisiko

Altersgruppe (Jahre)

25–44

45–54

55–79

> 80

absolutes 5-Jahres-Risiko (%)

< 0,5

0,5–1

1–1,5

1,5–2

bezogen auf 1000 Frauen

< 5

5–10

10–15

15–20

Tab. 2.2 Relevante Risikofaktoren für die Entstehung von Brustkrebs, in absteigender Reihenfolge gemäß der S3-Leitlinie „Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland“ (aus ? [13]).

Risikofaktoren

Relatives Risiko

Krebserkrankung als Kind

20

Bestrahlung (10.–16. Lebensjahr)

10

Mantelfeldbestrahlung

10

Hochrisiko

4,0–10

Gewebedichtetyp ACR IV

3,8–5,2

Status nach Operation mit Karzinom kontralateral:

  • < 45. Lebensjahr

5,0–9,0

  • 45.–59. Lebensjahr

3,7–4,1

...
  • > 60. Lebensjahr

1,8–3,0

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