Pferdefütterung

Pferdefütterung

von: Helmut Meyer, Manfred Coenen

Enke, 2014

ISBN: 9783830412458

Sprache: Deutsch

336 Seiten, Download: 3624 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Pferdefütterung



1 Vom Laubfresser zum „Hafermotor“


Manfred Coenen, Helmut Meyer †

1.1 Entwicklung des Pferdes


Frühgeschichte Der Stammbaum des Pferdes beginnt vor rd. 60 Mill. Jahren im Eozän, in der Morgenröte der Erdneuzeit (? Abb. 1.1). In riesigen, weit über die heutige Verbreitung hinausgehenden tropischen Regenwäldern der Alten und Neuen Welt lebte ein etwa fuchsgroßes Säugetier (Hyracotherium, frühere Bezeichnung Eohippus) mit 4- bzw. 3-strahligem Fuß, aus dem auf manchen Wegen und Umwegen vor rd. 3 Mill. Jahren Equus ferus, das Wildpferd, entstand.

Abb. 1.1 Stammbaum der Pferdefamilie (Darstellung der Tiere, ihren Größenverhältnissen entsprechend.

(Nach Vollmerhaus et al. Zur Phylogenie des equiden Gebisses. Anatomia, Histologia, Embryologia 2001; 30: 237-248)

Über die Ernährung der Pferdevorfahren wüssten wir wenig, wenn nicht zahlreiche fossile Knochen (u.a. Schädel mit vollständigen Gebissen) Rückschlüsse zuließen. Aus der Zahnform kann abgeleitet werden, dass Hyracotherium vor allem Laubfresser war, aber wohl auch Früchte und Samen genutzt hat. Das bestätigen jüngste Funde in der Ölschiefergrube Messel bei Darmstadt: Im Magen eines Urpferdes waren noch Blätter (vermutlich von Lorbeergewächsen) zu erkennen.

Als sich im Laufe der Erdgeschichte das Klima änderte und die weit nach Norden reichenden tropischen Regenwälder Busch- und Grassteppen wichen, hat sich Hyracotherium offenbar an die neue Gelände- und Futtersituation anzupassen versucht. Durch Entwicklung zum Einhufer unter stetiger Vergrößerung des Körpers entstand über Mesohippus und Merychippus schließlich ein typisches Fluchttier für offene Landschaften.

Parallel dazu vergrößerten und verbreiterten sich die Backenzähne. Ihre Kaufläche wurde rauer, denn durch seitliche Einfaltung des Zahnschmelzes entstanden auf der Kaufläche gewundene Leisten, zwischen denen sich weicheres Material aus Dentin und Zement (? Abb. 3.4) einlagerte. So konnten ohne übermäßigen Abrieb die harten, teilweise verkieselten Gräser fein zermahlen werden.

Die Veränderungen im Kopfskelett, die neben dem Gebiss auch die Winkelung des Unterkiefers und Ausformung des Kiefergelenks betreffen, belegen die Anpassung an ein anderes Nahrungsspektrum, für das ein quetschender, mahlender Kauvorgang günstiger war als bei den Vorläufern.

Vermutlich hat sich im Laufe der Entwicklung auch der Dickdarm, in dem allein faserig pflanzliches Material mit Hilfe von Mikroben aufgeschlossen werden kann, weiter vergrößert – doch das lässt sich heute nicht mehr nachprüfen.

Dieser allmählichen Veränderung des Nahrungsspektrums und dem daraus resultierenden, differenziert aufgebauten Verdauungskanal verdankt das Pferd seine Fähigkeit, unterschiedliche Futtermittel zu verdauen: konzentrierte Stoffe wie Zucker, Stärke, Eiweiß und Fett durch körpereigene Enzyme im Magen und Dünndarm, Kohlenhydrate aus Gerüstsubstanzen der pflanzlichen Nahrung mit Hilfe mikrobiell gebildeter Enzyme im Dickdarm. Die im Jahresverlauf in Steppe und Wald anfallenden unterschiedlichen Futtermittel (junges und überständiges Gras, auch Laub, zuckerreiche Früchte, stärke- und fettreiche Samen) konnten optimal genutzt werden.

Diese Vielseitigkeit, verschiedene Pflanzeninhaltsstoffe zu verwerten, ging aber auf Kosten der Effizienz in der Ausnutzung spezieller Stoffe, besonders der pflanzlichen Fasern. Ein Vergleich der Verdauungskapazität von Pferden und Wiederkäuern zeigt, dass das Pferd typische Produkte der Gras- und Waldsteppe mit hohem Rohfasergehalt, wenig hochwertigem Eiweiß und geringen Mengen an Zucker, Stärke oder Fetten nicht so gut verdaut und verwertet wie Wiederkäuer. Diese Nachteile werden z. T. dadurch abgeschwächt, dass Einhufer selektiv grasen und hohe Futtermengen pro Tag aufnehmen. Darüber hinaus können sie wertvolle Inhaltsstoffe im jungen Gras direkt nutzen, indem sie es zwischen den Backenzähnen ausquetschen und die löslichen Stoffe im Dünndarm verdauen.

Altertum Mit der Domestikation, die vermutlich im 4.–3. Jahrtausend v. Chr. bei nomadisierenden Hirtenvölkern im südlichen Russland einsetzte, hat sich die Ernährung des Pferdes zunächst wenig geändert, d. h., das Pferd musste mit dem natürlichen Futter (Gras, Laub etc.) auskommen. Eine systematische Futterkonservierung (Gras-, Laubtrocknung) zur Überbrückung futterarmer Zeiten hat – wie die noch bis vor einigen Jahrhunderten in diesem Raum übliche Praxis zeigte – wohl kaum eine Rolle gespielt. Die ersten Hauspferde blieben also, ähnlich wie die Wildpferde, den üblichen jahreszeitlichen Rhythmen im Futterangebot ausgesetzt.

Als im Laufe des 2. Jahrtausends v. Chr. das Pferd auch in den alten Kulturlandschaften des Vorderen Orients – zunächst im Zweistromland, später auch in Ägypten – Fuß fasste, wurde es intensiver und systematisch genutzt: als Tragtier, vor dem Wagen, später auch zum Reiten, das vermutlich aber erst sehr viel später durch die Erfindung der Steigbügel in China entscheidende Impulse erfuhr (ältestes Paar Steigbügel in Grabbeigaben datieren aus 322 n. Chr.). Aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. sind Berichte über massierte Pferdehaltung an königlichen Höfen im Vorderen Orient überliefert. So soll König Salomo (965–926 v. Chr.) in Israel zeitweilig 12000 Reit- und 4000 Wagenpferde besessen haben. In der großen Kampfwagenschlacht von Kadesh zwischen Hethitern und Ägyptern (1299 v. Chr.) waren auf hethitischer Seite rd. 7000 Pferde beteiligt.

Die intensivere Nutzung des Pferdes zwang zweifellos zu einer besseren Futterauswahl und Fütterungstechnik, da

  • mit steigenden Leistungen der zunehmende Energiebedarf nicht mehr allein über Raufutter oder Gras gedeckt werden kann,

  • das Pferd bei ausschließlicher Gras- und Raufutterzuteilung durch die lange Futteraufnahmezeit nur begrenzt nutzbar ist,

  • einseitiges Angebot voluminöser Futtermittel die Leistungsfähigkeit einschränkt,

  • bei massierter Pferdehaltung in futterarmen Gebieten die logistischen Probleme nur durch zusätzlichen Einsatz konzentrierter, energiereicher und lagerfähiger Futtermittel zu lösen sind.

Wenn auch im Vorderen Orient die Luzerne ein relativ energiedichtes Futtermittel lieferte, begann im Laufe des 2. Jahrtausends v. Chr. die Fütterung mit Getreidekörnern, wie aus dem Kikkuli-Text (14. Jahrhundert v. Chr.) über Fütterung und Training der hethitischen Kampfwagenpferde hervorgeht (vom 167. Trainingstag heißt es z.B.: „Sobald man die Pferde ausspannt, versorgt man sie mit Wasser, dann vermischt man ihnen 3 Hand Weizen, 2 Hand Gerste und 5 Hand Heu ...“). Reliefs aus späterer Zeit (? Abb. 1.2) bestätigen diese Art der Fütterung.

Abb. 1.2 Pferdefütterung, assyrisches Relief, um 700 v. Chr.

(Louvre, Paris)

Da höhere Leistungen des Pferdes von konzentrierten Futtermitteln abhängen, konnte es erst mit dem Übergang vom Nomadentum zum Ackerbau intensiver genutzt werden.

Im mediterranen Raum hat sich die Pferdefütterung im 1. Jahrtausend v. Chr. nach schriftlichen Belegen in dieser Richtung weiterentwickelt und differenziert. Im römischen Reich wurden Pferde nicht allein wegen ihrer militärischen Bedeutung geschätzt, sondern auch für sportliche Zwecke gepflegt; Mosaike zeugen von aufwendig ausgestalteten Gestüten.

Neben den ursprünglichen Futtermitteln (Laub, Gras, Heu,...

Kategorien

Service

Info/Kontakt