Cadaqués

Cadaqués

von: Michael Lederer

PalmArtPress, 2014

ISBN: 9783941524415

Sprache: Deutsch

1046 Seiten, Download: 1616 KB

 
Format:  EPUB

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Cadaqués



Kapitel I


Sex and drugs and rock and ROLLLL, Darling. Und Gewalt. Das wollen sie. Die Welt, die sie kennen. Kann ihnen keine Schönheit mehr geben. Das ist passé. Schönheit war einmal, Darling. FINDE ... DICH ... DAMIT ... AB!“

„Er ist betrunken.“

„BETRUNKEN, Madam? Ich ... ich ...“, er atmete schwer, der Kopf hing vornüber, die Augen waren geschlossen, aber nur einen kurzen Moment. Die Batterien luden sich fast sofort wieder auf. Die Augen öffneten sich. Der Kopf hob sich.

„Wir sind alle betrunken, vom Elixier des L-E-B-E-N-S.“

Er zog das Wort Leben so in die Länge, als ob er selbiges damit verlängern könnte. Dabei schoss seine Hand mit einer eleganten Geste in die Luft, stieß hoch zu einem Punkt wie eine olympische Flamme. Dann wanderten seine Finger mit Bedacht zurück zu seiner Brust. Seine ganze Seele lag in diesem Moment. Ein paar Jahrhunderte früher hätte er seinen Federhut vor der Lady gezogen.

Baudelaire, Byron, Robert. Vom selben Schlag. Falstaff, Cyrano, Churchill. Die ganze Gesellschaft schließlich zusammen in diesem Lehmklumpen von einem Mann. Robert Breyer. In Brighton geboren und aufgewachsen. Mit zwanzig war er den Weintrauben in den Süden gefolgt. Dreißig Jahre später zehrte er immer noch davon, sie gefunden zu haben.

„Nimm einen Schluck des LEBENS, Darling. Es ist LLL-E-C-K-E-R.“

Der Klang des „L“, mehr gespielt als gesprochen, hing ewig in der Luft. Lange nachhallende Vokale stiegen wie ein langsamer Fluss aus der Tiefe seiner Seele auf, rollten über Konsonanten, die wie scharfe Kieselsteine aus dem Strom herausragten. Das war eine Sprache, wie Gott, trunken von Wein, sie sprechen könnte. Jedes „T“ ein Tamburin, jedes „W“ eine Violine.

„Um Gottes willen, können wir bitte ...“

„Können wir bitte WAAAS? Nimm etwas L-I-E-B-E, Darling. Denn das ist es doch, was wir wirklich wollen, nicht wahr? Können wir bitte etwas Liebe haben, hmm?“

Im Dunstschleier des Alkohols stand das elegante ältere Paar vor ihm am Holztresen wie eine Vision in flimmernder Wüstenhitze. Lady Ratkins zupfte ihren Ehemann am Ärmel. Sie wollte sofort gehen und nichts bestellen. Aber Lord Ratkins rührte sich nicht. Dieser betrunkene Mann hatte etwas an sich, das ihn interessierte.

„Nur einen Drink, Darling.“

„NUR EINEN DRINK, DARLING“, echote Robert. „Worte eines Poeten. Und eines ausgezeichneten noch dazu. ‚Nur einen Drink, Darling.‘ Gut gesagt! Touché!“

Lord Ratkins gab dem Barkeeper ein Zeichen. Miguel kam zu ihnen.

?“

„Zwei Gläser Weißwein, bitte. Und für meinen Freund hier, was wünschen Sie?“

„Ich wünsche mir ... ich wünsche mir Liebe, Darling“, knurrte Robert.

Der Kopf fiel wieder vornüber. Wieder ein tiefer Atemzug. Dann gingen die Augen in ihren Höhlen weit auf. Rot, vielsagend.

„Spanien, Darling, ist der TEMMMPEL der Liebe. Und Sie sind jetzt im Tempel. Willkommen im Tempel!“

Robert schaute Lady Ratkins an. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, außer sich am Arm ihres Ehemanns festzuhalten. Die Drinks kamen. Zwei Gläser Weißwein, wie bestellt, und ein Rotwein für Robert. Der Barkeeper kannte sich aus.

„Nun denn“, sagte Lord Ratkins und erhob sein Glas zu einem Trinkspruch. „Auf den Tempel der Liebe.“

„Auf die LIIIEBE“, pflichtete Robert ihm berauscht bei. Lady Ratkins hielt sich verlegen an ihrem Glas fest. Sie sagte nichts, nahm nur einen kleinen Schluck.

„Wo kommen Sie her? Aus dem Süden, nicht wahr?“

„Genau. Brighton. Und Sie?“

„London.“

Ein aufgeregter Atemzug. „Was für eine GROOOS-SARTIGE Stadt, hmm?“ Ein Ausruf. „Miguel?“

, Robert?“

Estos son mis compatriotas. Das sind meine Landsleute. Das ist eine britische Invasion, Darling. Ein neues Gibraltar. Alle Mann an die Waffen!“

, Robert?“

„Außer, hmm, dass wir dachten, dass wir euch zivilisieren würden. Miguel?“

“?

„Stellt sich heraus, dass es umgekehrt ist. Ihr zivilisiert uns. Lehrt uns die Liiiebe.“

Dabei schaute Robert Lady Ratkins an. Die Sicht war verschwommen, nicht allzu viele Details, aber er erkannte, dass es eine Frau war, eine elegante obendrein. Miguel lächelte und nickte.

„Ist uns ein Vergnügen, Robert. Jederzeit. Wir sind hier, um die Liebe zu lehren.“

„Die L-I-E-B-E lehren.“

Die sonnengebräunten Hände öffneten den Beutel mit losem Tabak. Das Ritual wiederholte sich ungefähr alle zwanzig Minuten: an den Tresen gelehnt, ein Büschel Tabak im Blättchen verteilt, Filter dazu, gedreht, die angefeuchtete Zunge an den Klebestreifen gedrückt, fast fertig. Aber erst, so viel Stil muss sein, das Ende in eine schwarze Zigarettenspitze gesteckt und erst dann das Feuer. Den Rauch in die Lunge gesogen und wieder ausgestoßen, und die schiere, sichtbare, köstliche Zufriedenheit. Egal, wie rot die Augen, wie fleckig das Hemd, wie unsicher die Füße - die Eleganz dieser Zigarettenspitze und des Mannes, der sie hielt, proklamierten: Das, Darling, ist doch was!

„Dieses gesegnete Volk, eh? Diese kleine Welt. Dieses zweite Eden. Schön, dass Sie es sehen können, Darling.“

„Das ist Ihr Hiesiger, nicht wahr?“, fragte Lord Ratkins mit einem verhaltenen Lächeln. Er hatte die sichere und gelassene Ausstrahlung eines Mannes, der das Leben seit seiner Geburt vom Gipfel aus betrachtet hatte.

„Man trinkt, wo man gemocht wird, hmm? Wo man willkommen ist. Und wo man anschreiben lassen kann. Wie ist das bei Ihnen in London? Bekommt man dort ein Glas Wein auf Kredit?“

Das Lächeln ging nun übers ganze Gesicht. „Wenn ich das brauche.“

„Na dann, auf den KREDIT! Und auf Adam Smith, hmm? Adam.“

Ohne einen Tropfen zu verschütten, setzte Robert das Glas an und trank.

„Mit W-E-E-E-M, Darling, habe ich das Vergnügen?“

„George Ratkins. Meine Frau Rebecca.“

„REBECCA! Wie schön, hmm, nach der Bibel benannt zu sein.“

„Das denke ich auch, ja.“

„Nun, zweifeln Sie nicht daran. Seien Sie stolz, Darling. Nach der Bibel benannt zu sein, das ist doch was.“ Das Glas wieder hoch in der Luft. „Nun denn, auf das Buch der Bücher! Und auf die schönen Namen, die es hervorbringt!“

Noch ein Schluck. Und noch einer. Einmal, zweimal, dreimal.

Borrrracho.“

Das Wort für betrunken. Eine kleine Spanisch-Lektion als Zugabe.

Sie war abgestoßen, aber gleichzeitig fasziniert. Trotz des Haarsprays und der lackierten Fingernägel war da eine echte Neugier, der Grund, warum sie ihren Ehemann an Orte wie diesen begleitete. Afrika, Rio, Mustique, Spanien ... Bereit für die Wildnis, so lange es jeden Abend ein heißes Bad und Zimmerservice gab.

„Was hat Sie nach Cadaqués verschlagen, Herr ...?“

„Robert, Darling. Einfach Robert.“

„Was hat Sie nach Cadaqués verschlagen, Robert?“

„Dalí.“

„Sie kannten ihn?“

Ein Nicken. „Wir kannten ihn alle, Darling. Ein Mann aus dem Ort. Ein Mann von Welt und aus dem Ort. Eins so wichtig wie das andere.“

„Wirklich?“

„Wenn eins von beiden fehlen würde, wäre er nicht Dalí, oder? Die Blume hat WURZELN, Darling. Ohne sie ...“ Er beendete den Satz nicht.

„Sie sind also einfach zu ihm hingegangen? Haben an seine Tür geklopft?“

„Haben ihn in Paris kennengelernt. Mein Bruder und ich. Hotel Meurice.“

„Und dann ...?“

„Er lud uns ein.“

„Wie schön. Und das war ...?“

„Vor langer Zeit, Darling. Lange her. Dreißig Jahre, más o menos. Damals waren wir alle jung und schön.“

Die Swinging Sixties. Robert und sein eineiiger Zwillingsbruder Richard hatten in London gelebt. Cecil Beaton, der junge Mick Jagger, Twiggy, Donyale Luna, Patti Smith, Bowie, er hatte „sie ALLE gekannt!“ Eine Spritztour um die Welt, dann nach Indien,...

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