Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft
von: Jan Eckel, Thomas Etzemüller (Hg.)
Wallstein Verlag, 2007
ISBN: 9783835320154
Sprache: Deutsch
313 Seiten, Download: 1600 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Vergleich, Transfer, transnationale und globalgeschichtliche Perspektiven (S. 230-231)
Geschichte der Geschichtsschreibung jenseits des Nationalstaates (am japanischen Beispiel)
Zu den verbreiteten Forderungen an eine Geschichtsschreibung im 21. Jahrhundert gehört das Plädoyer für die Überwindung der nationalgeschichtlichen Perspektive.
Als Kind des 19. Jahrhunderts, des Jahrhunderts des Nationalismus, war auch die moderne, an Universitäten verankerte Geschichtswissenschaft in enger Symbiose mit den Bedürfnissen des Nationalstaates entstanden. Auch wenn das nicht heißen mußte, daß Historiker stets nur Legitimationswissenschaft betrieben, stand doch die Nation üblicherweise im Zentrum der Historiographie: Sie war der präferierte Gegenstand der Forschung und galt zugleich auch als Subjekt der historischen Entwicklung.
Methodisch korrespondierte diese Fixierung auf das Nationale mit einer internalistischen Perspektive. Die Geschichte der Nation wurde in der Regel aus sich heraus erklärt, ihre Erfolge und Fehlentwicklungen aus eigenen Traditionen abgeleitet. Nicht äußere Einflüsse oder die Einordnung in weltsystemische Strukturen, sondern interne Faktoren beziehungsweise Widersprüche wurden bei der Erklärung historischer Prozesse privilegiert.
In den letzten Jahren wurden nun verstärkt Bemühungen unternommen, den nationalstaatlichen Rahmen zu überwinden. Die verschiedenen Spielarten der europäischen Geschichte, die Weltgeschichte und die global history, die postcolonial studies und die Geschichte der Globalisierung gehören zu den Ansätzen, die Geschichtsschreibung von der Fixierung auf staatlich begrenzte Gesellschaften zu lösen. Während die Vergangenheit auf diese Weise zunehmend in transnationale Zusammenhänge eingeordnet wird, ist ein Bereich der historischen Forschung von dieser Entwicklung bemerkenswert unbeeinflußt geblieben: die Geschichte der Geschichtsschreibung selbst. Die Geschichte der Historiographie verharrt nach wie vor innerhalb des nationalstaatlichen Paradigmas.