Umgang mit muslimischen Patienten

Umgang mit muslimischen Patienten

von: Ibrahim S Rüschoff, Malika Laabdallaoui

Psychiatrie-Verlag, 2010

ISBN: 9783884147405

Sprache: Deutsch

144 Seiten, Download: 852 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Umgang mit muslimischen Patienten



Religion und Tradition in Ehe und Familie (S. 100-101)

Ehe und Familie sind (nicht nur) für muslimische Patientinnen und Patienten Orte engster persönlicher Beziehungen. Im Falle psychischer Erkrankungen können sie hinderlich oder förderlich auf Entstehung, Verlauf und Prognose einwirken. Da das Familienleben praktizierender Muslime in hohem Maße von der Religion geprägt wird, sollten Helfer hier - über grundlegende Kenntnisse besitzen. Im Bereich Ehe und Familie treten bei Muslimen die meisten psychosozialen Konflikte auf. Hier zentrieren sich alle Hoffnungen, Erwartungen und Enttäuschungen, hier ist ein Scheitern in der eigenen Rolle besonders tragisch.

Außerdem ist die Familie in der Minderheitensituation in Deutschland nicht mehr selbstverständlich in eine außerfamiliäre, gesellschaftliche Tradition eingebettet, wie das in islamisch geprägten Gesellschaften der Fall wäre. In keinem sozialen Bereich wirken sich gesellschaftliche Traditionen so intensiv auf das Werterleben und Handeln der Menschen aus wie in Ehe und Familie, in kaum einem sind Traditionen einerseits zwar identitätsstiftend, andererseits aber auch so hinderlich für eine notwendige gesellschaftliche Adaptation. Die ständige Vermischung von Tradition und Religion ist auf muslimischer Seite eines der Grundprobleme bei der Integration.

Das islamische Verständnis von Ehe und Familie


Auf kaum einem anderen Gebiet des islamischen Lebens geschehen größere Veränderungen, die den Lebensalltag der Muslime betreffen, als im Bereich von Ehe und Familie. Viele Rechtsvorschriften stammen aus vergangenen soziokulturellen Verhältnissen, die zum Beispiel einen starken und wirksamen Schutz von Frauen erforderten, die jedoch im heutigen Europa, wo Frauen ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen und durchsetzen können, eher zu einer verstärkten Abhängigkeit von und Kontrolle durch den Ehemann führen können. Daher existieren intensive Bemühungen islamischer europäischer Gelehrter, die religiöse Rechtsprechung mit den Erfordernissen des modernen Lebens in Europa in Einklang zu bringen.

Die Adaptation durch die Gläubigen geschieht aufgrund der starken traditionellen Bindungen jedoch nur zögerlich. Um zu einer angemessenen Betrachtung zu diesen Themenkomplexen zu kommen, ist die Unterscheidung zweier Perspektiven wichtig. Da es in der öffentlichen Diskussion und der Darstellung von Ehe und Familie im Islam meistens um Verbote und Erlaubnisse, um vermeintliche Pflichten, Rechte und Vorrechte geht, das Thema also immer aus der rechtlichen Perspektive abgehandelt wird, entsteht häufig der Eindruck, dem Islam mangele es an spiritueller Tiefe und an psychologischem Einfühlungs - vermögen.

Es ist, als wolle man aus der Lektüre des Grundgesetzes das Lebens gefühl der Deutschen 2009 kennen und verstehen lernen. Der Koran und die Überlieferung sind jedoch voll von Hinweisen und Forderungen an die Eheleute, die den partnerschaftlich-liebenden Umgang miteinander betreffen (religiös-psychologische Perspektive).

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