AC/DC - Die Bandgeschichte

AC/DC - Die Bandgeschichte

von: Mick Wall

Edel Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe, 2014

ISBN: 9783841902849

Sprache: Deutsch

528 Seiten, Download: 9403 KB

 
Format:  EPUB

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AC/DC - Die Bandgeschichte



KAPITEL 1


DIE CLANBRÜDER


Wir werden noch mal groß rauskommen, Mann. Richtig groß …« Das erzählten die Young-Brüder überall in Sydney herum. Doch ernst nahm sie keiner. Für wen, zum Teufel, hielten sich diese verschissenen kleinen Rowdys eigentlich, diese Versager? Der hübsche Malcolm mit seiner Hooligan-Matte und Angus, sein völlig durchgeknallter kleiner Skinhead-Bruder. Die beiden waren gerade mal über einsfünfzig groß, zwei aggressive kleine Arschlöcher, die dir schneller eine reinschlugen, als du gucken konntest.

Sie sahen nicht mal aus wie Australier – und sie sprachen auch nicht so. Wenn man sie sah und reden hörte, war sofort klar, wo sie herkamen: vom Arsch der Welt. Aus Schottland im rauen Norden, dort, wo niemals die Sonne schien und dich der ständige Regen, der dir ins Gesicht schlug, zwang, mit zusammengekniffenen Augen herumzulaufen.

Geboren und aufgewachsen sind die Youngs in Cranhill, einer Hochhaussiedlung am Stadtrand von Glasgow. Cranhill war kleiner und überschaubarer als die sogenannten »Big Four« Easterhouse, Pollok, Castlemilk und Drumchapel, die anstelle der alten, baufälligen Mietskasernen nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Boden gestampft wurden. Die Young-Brüder waren wilde Rabauken, die zusammen mit anderen Kindern aus der Nachbarschaft, die sich auf der Straße herumtrieben, am Wasserturm von Cranhill abhingen. Die Youngs waren Protestanten, die sich nach außen hin zwar zur Regierung in England bekannten, tatsächlich aber einem großen Clan angehörten, dessen Mitglieder niemanden respektierten, der nicht dazugehörte. Es gibt Leute, die sehen in dem Blei in den Wasserrohren eine plausible Erklärung dafür, dass die Young-Brüder nicht sonderlich groß wurden. Andere hingegen führen ihre Körpergröße auf puren Eigensinn zurück: Sie wollten partout nicht wachsen und sich in einer anderen Welt als der ihren arrangieren müssen. Sie waren einfach restlos glücklich in ihrer Gosse.

Der ebenfalls in Glasgow geborene Derek Shulman, der ursprünglich selbst Musiker war, bevor er als Mitarbeiter einer amerikanischen Plattenfirma ins Musikbusiness wechselte und AC/DC bei ihrem Comeback in den frühen 90ern unterstützte, sagt: »Ein Clan, genau das sind sie. Trotz all ihrer Erfolge läuft für sie im Leben immer noch alles nach dem Prinzip ›Wir gegen Sie‹. Familie, Blutsverwandtschaft, das zählt für sie. Und entweder man gehört zu hundert Prozent zu ihrem unglaublich engen Zirkel, oder man gehört eben nicht dazu. So einfach ist das.«

Cranhill ist auch heute noch ein trostloser Ort. Drei Hochhausblöcke beherrschen die im Osten Glasgows direkt an der M8 gelegene Siedlung. Armut, Massenarbeitslosigkeit und Entbehrungen bestimmen das Leben der Menschen dort. Zerschlagen haben sich alle Hoffnungen, die die Architekten einst in diese Siedlung steckten, damals, kurz nach dem Krieg, als all die neu angelegten Straßen nach bekannten schottischen Leuchttürmen wie Gantrock und Bellrock benannt wurden. Nur eine, die Longstone Road, wurde nach einem englischen Leuchtturm benannt. Und genau dort – da sind sich die Leute aus Cranhill einig – lebten vor fünfzig Jahren die Youngs. Einer der Anwohner, Malcolm Robertson, meint, dass es das Haus immer noch geben würde, dass es einer der typischen Nachkriegsbauten in dieser Straße sei. An die Hausnummer kann sich allerdings niemand mehr erinnern.

Das Erscheinungsbild von Cranhill ist geprägt von kleinen, zweistöckigen Wohnhäusern und Sozialbauten, das nächste Einkaufszentrum ist rund fünf Kilometer entfernt. In den Vorgärten türmen sich Sperrmüll und Abfälle, und die großen Grünflächen ringsum, die typisch sind für solche am Reißbrett entworfenen Siedlungen, scheinen – anders als von den Planern beabsichtigt – zur Isolierung des Stadtteils beizutragen. Billy Sleath, der früher einmal in einer solchen Siedlung gewohnt hat, meint, dass sich vieles verbessert habe, seit die Youngs hier aufgewachsen sind. »Leute, die heute herkommen und meinen, Cranhill und andere solche Orte seien ziemlich trostlos, hätten sie erst mal in den 50er- oder 60er-Jahren sehen sollen. Überall qualmte es, aus den Fabriken, den Werften und den Kohleöfen. Und dann rauchte auch noch fast jeder. Die Luft war dick und schwarz. Der Ruß färbte alles ein. Die Wände waren schwarz, auch die Fenster waren mit einer Rußschicht überzogen. Man konnte dies schon ein bisschen für die Vorhölle halten.«

William Young und seine Frau Margaret hatten schon sechs Kinder, bevor Malcolm am 6. Januar 1953 und Angus am 31. März 1955 auf die Welt kamen. Während des Zweiten Weltkriegs hatte William als Mechaniker beim Bodenpersonal der Royal Air Force gearbeitet. Danach fand er eine Stelle als Lackierer und war damit eines von abertausend kleinen Rädchen im Getriebe der prosperierenden schottischen Stahl- und Schiffbauindustrie, bis er irgendwann in seinen Vierzigern arbeitslos wurde und mit einem Schlag zum alten Eisen gehörte – ein Mann mittleren Alters, der in einer Stadt, die immer mehr unter Arbeitslosigkeit und Armut litt, keine Stelle mehr fand.

Glücklicherweise konnten die ersten fünf Young-Kinder – Steven (geb. 1933), Margaret (geb. 1936), John (geb. 1938), Alex (geb. 1939) und William (geb. 1941) – inzwischen für sich selbst sorgen, auch wenn sie immer noch in der Longstone Road lebten. Am liebsten vertrieben sie sich die Zeit damit, in den Pub zu gehen, Musik zu hören oder Fußball zu gucken. Margaret, das einzige Mädchen unter den Geschwistern, die bereits siebzehn war, als Malcolm geboren wurde, besaß eine Plattenkiste mit etlichen Schätzchen, darunter Scheiben von Fats Domino, Little Richard und Chuck Berry. Die Jungs konnten alle ein bisschen musizieren. Steven verstand es, dem Akkordeon die eine oder andere Melodie zu entlocken, und John erwies sich als guter Gitarrist. Als Talentiertester von allen galt damals allerdings Alex, der als wahres Multitalent sowohl Gitarre als später auch Saxofon, Klarinette und Bass spielte. Während der kleine Malcolm und der noch kleinere Angus noch die Milncroft Grundschule besuchten – in deren offiziellem Schullied es hieß: »School that is set on a hill, we salute you!« –, war Alex schon auf dem besten Weg, Berufsmusiker zu werden – zumindest schien es so. Er arbeitete auf einem Stützpunkt der US Air Force in Westdeutschland und trat mit Tony Sheridan auf, der 1962 mit »My Bonnie« in Schottland einen großen Hit landete (inzwischen allerdings vor allem dafür bekannt ist, dass er einst die Beatles, als sie noch im Hamburger Star Club auftraten, für sich als Begleitband engagierte).

Das wahre musikalische Talent war allerdings George – auch wenn das damals noch niemand ahnte. George war sieben Jahre älter als Malcolm. Als großes Fußballtalent träumte er zunächst von einer Kickerkarriere. Er hatte es sogar geschafft, dass seine heißgeliebten Glasgow Rangers auf ihn aufmerksam geworden waren. Doch aus diesem Traum wurde nichts, weil die Youngs nach Australien auswanderten. Dem Vorbild seines Bruders Alex nacheifernd begann der damals sechzehnjährige George stattdessen, Gitarre spielen zu lernen.

Die sturen Querköpfe Malcolm und Angus zeigten zunächst keinerlei Interesse, in die Fußstapfen ihrer Brüder zu treten. Ihre frühesten Erinnerungen drehen sich in der Hauptsache um Prügeleien, eine Freizeitbeschäftigung, der sie sich auch als Erwachsene hingebungsvoll widmeten. Keine Frage: Auch George konnte gut austeilen, aber Malcolm und Angus waren richtige Killer. »Aufgrund ihrer Größe schätzten die Leute sie falsch ein und legten sich mit ihnen an«, erinnert sich der ehemalige AC/DC-Tourmanager Ian Jeffery. »Aber glaub mir, sie haben nie bei einer Prügelei verloren. Ganz gleich wie groß die anderen waren, die Brüder jagten jedem gehörig Angst ein, wenn sie loslegten. Sie machten kurzen Prozess und in null Komma nichts lagen die anderen auf dem Boden.« Ihr Cranhill-Temperament ging mit ihnen auch in Australien durch, sobald sie mit jemandem aneinander gerieten. Angus machte später Witze darüber und sagte, dass er zurückgehen und seine Heimat in Angusland umbenennen wolle. »Vielleicht fahr ich einfach zum Wasserturm rauf und hisse meine Flagge« – mit dem inzwischen berühmt gewordenen AC/DC-Logo. »Das wäre dann so was in der Art wie der Hollywood-Schriftzug.« Man beachte den als Ironie getarnten Sarkasmus. Tatsache ist, dass man tough sein musste, um in Cranhill nicht unterzugehen. Und laut Ian Jeffrey waren Malcolm und Angus »nicht einfach nur tough – sie waren verdammt tough.«

Nichtsdestotrotz war das Leben in Cranhill hart und unerbittlich. Von ihrer Zukunft konnten sie sich höchsten einen Job auf der Werft oder in einer Fabrik erhoffen, im Zweifel drohte auch ihnen Arbeitslosigkeit. Als Angus eines Tages nach der Schule auf dem Heimweg von einem Auto angefahren wurde, hatte sein Vater endgültig genug von dem elenden Leben. Er begann sich über das sogenannte Ten-Pound-Pom-Programm der australischen Regierung zu informieren. Dank dieser Einwanderungssubvention kostete jeden Erwachsenen, der nach Australien einwandern wollte, die Überfahrt lediglich zehn Pfund, für Kinder musste gar nichts gezahlt werden. Es war Winter, und der Winter 1963 (der auch unter dem Namen The Big Freeze in die Geschichte einging) war der strengste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Großbritannien. Der Schnee lag so hoch, dass das Haus bis zur Oberkante der Tür eingeschneit war, und wegen des gefrorenen Wassers in den Leitungen waren zahllose Rohre geplatzt. Die Vorstellung, diese Widrigkeiten gegen ein Leben am Strand einzutauschen – denn so malten es sich die Youngs im verheißungsvollen Australien aus –, war schon sehr verlockend. Der Einzige, der sich dafür...

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