Die Welt der Griechen
von: Arnulf Zitelmann
Campus Verlag, 2008
ISBN: 9783593416335
Sprache: Deutsch
225 Seiten, Download: 4309 KB
Format: EPUB, PDF, auch als Online-Lesen
Makedonien, die neue Führungsmacht Aristoteles, Alexander, und was darauf folgte (S. 187-188)
Sparta hatte in der langen Auseinandersetzung mit Athen den Kürzeren gezogen. Es war an seinem unflexiblen System regelrecht erstickt. Doch auch die Vormachtstellung der attischen Demokratie war keinesfalls sicher. Denn ständig drohte die Gefahr aus dem Osten, vom riesigen Perserreich her. Allein würde Athen dieser Großmacht auf Dauer nicht standhalten können. Der allmähliche Aufstieg eines neuen möglichen Bündnispartners im Norden Griechenlands wurde daher mit Hoffnung, wenngleich nicht ohne Sorge betrachtet. Philipp II. von Makedonien hatte große Pläne, für sein Reich und für seinen Sohn Alexander. Für ihn rief er einen Lehrer an seinen Hof, der dem großen Sohn bis heute nicht an Ruhm nachsteht.
Aristoteles und seine Geschichte
Als Bildungsstätte zog Platons Akademie junge Männer aus ganz Groß-Griechenland an. Sogar einige Frauen sollen unter Platons Hörern gewesen sein. Diogenes Laertios führt zwei von ihnen, Lastheneia und Axiothea, namentlich auf. Als Platon Mitte Fünfzig war, ließ sich Aristoteles in das Vereinsregister der Akademie eintragen. Die Akademie nahm längst nicht jeden. Doch Aristoteles hatte Glück. Der 17-Jjährige bestand das Vorstellungsgespräch und durfte bleiben. Die Akademie wurde seine Heimat. Erst 20 Jahre später, nach dem Tod Platons, sollte Aristoteles sie wieder verlassen.
Er stammte aus Stageira, einer Stadt an der ägäischen Nordküste. Dort hatten sich griechische Kolonisten vor einem Jahrhundert niedergelassen, bereits Herodot erwähnt Stageira. Seine Jugendzeit verbrachte Aristoteles im Hinterland, in Makedonien mit seiner Hauptstadt Pella. Auch die Makedonen waren Griechen. Die aber noch lange in Klan-Gesellschaften und losen Stammes verbänden lebten. Den Athenern galten sie als »Halbbarbaren«. Makedonien war für Athen vor allen Dingen als Holzlieferant interessant. Dort wurden Weißtannen geschlagen, das begehrte Bauholz für die athenischen Trieren.
Der Makedonen-König Archelaos verstand es, dem Königtum innerhalb der rivalisierenden Klans festen Bestand zu geben. Während des Peloponnesischen Krieges, als das übrige Griechenland in Blut ertrank, brachte Archelaos Makedonien vermehrt als Rohstofflieferant ins Spiel. Er verwandte die Einnahmen dazu, feste Plätze, Städte und Straßen anzulegen und verbesserte so die Infrastruktur des bis dahin verschlossenen Landes. »Er tat in allem mehr für Makedonien, als die acht Könige vor ihm«, bemerkt Thukydides. Den Königssitz in Pella baute Archelaos zu einer modernen griechischen Stadt aus, und er zog neben den griechischen Handwerkern auch Dichter und Künstler aller Art in sein Reich. Seine Zeitgenossen priesen ihn als den reichsten und glücklichsten Menschen der ganzen Welt.
Der Vater von Aristoteles, Nikomachos, war Leibarzt der makedonischen Könige. Von ihm erbte Aristoteles das naturwissenschaftliche Interesse. Allein die zoologischen Vorlesungsnotizen von Aristoteles umfassen Tausende von Seiten. Er beschreibt Säugetiere, Vögel, Kriechtiere, Lurche, Fische, Insekten, Tausendfüßler und Spinnen mit einer akribischen Genauigkeit. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Aristoteles weder Mikroskop noch Fernglas noch ein modernes Sezierbesteck besaß. Dass er dennoch all dies beobachten konnte, verwunderte schon seine Zeitgenossen in der Antike. Alles und jedes interessiert Aristoteles. Besonders die »Kinderfragen«. Zum Beispiel, warum mehr Männer als Frauen kahlköpfig sind. Oder, wieso der Regenbogen bunt ist. Oder warum Bäume nur an Land und nicht auf dem Meeresgrund wachsen. Das naturwissenschaftliche Werk von Aristoteles setzte Standards, die erst in der Neuzeit überboten wurden. Noch der Klassiker des Tierlexikons, Alfred Brehm, zitiert im 19. Jahrhundert den »vortrefflichen Naturforscher« Dutzende von Malen.