Der Turm zu Basel - BIZ - Die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte

Der Turm zu Basel - BIZ - Die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte

von: Adam LeBor

Rotpunktverlag, 2014

ISBN: 9783858696342

Sprache: Deutsch

344 Seiten, Download: 1136 KB

 
Format:  EPUB

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Der Turm zu Basel - BIZ - Die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte



EINFÜHRUNG


Der exklusivste Klub der Welt zählt achtzehn Mitglieder. Sie treffen sich jeden zweiten Monat an einem Sonntagabend um 19 Uhr im Konferenzraum E eines runden Hochhauses, dessen getönte Fenster auf den Basler SBB-Bahnhof blicken. Ihre Sitzung dauert eine Stunde, vielleicht anderthalb. Manche der Anwesenden bringen einen Kollegen mit, doch die Berater erheben ihre Stimme nur selten während dieses vertraulichen »Konklaves«. Wenn die Besprechung zu Ende ist, verabschieden sich die Berater und die Herren ziehen sich zum Abendessen in den Speisesaal im achtzehnten Stock zurück, in der Erwartung, dass das Essen und der Wein wie üblich vorzüglich sein werden. Während des Dinners, das sich bis um 23 Uhr oder Mitternacht hinzieht, findet die richtige Arbeit statt. Es herrscht eine gediegene Atmosphäre, die Umgangsformen, verfeinert über mehr als acht Jahrzehnte, sind makellos. Man ist sich einig, dass nichts von dem, was am Abendtisch gesagt wird, jemals an die Öffentlichkeit dringen darf.

Wenige Passanten würden die Leute erkennen, die hier ihre Haute Cuisine und erstklassige Grand-Cru-Weine genießen, aber unter ihnen befinden sich einige der mächtigsten Männer der Welt. Diese Männer – es sind meistens Männer – sind Zentralbanker. Sie sind nach Basel gereist, um an der Sitzung des Economic Consultative Committee (ECC) der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) teilzunehmen, der Bank der Zentralbanken. Zu seinen derzeitigen Mitgliedern zählen Ben Bernanke, der Präsident der US-amerikanischen Federal Reserve [seit Februar 2014 Janet L. Yellen, d. Verl.]; Mark Carney, Gouverneur der Bank of England; Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank; Zhou Xiaochuan von der Chinesischen Volksbank; und die Präsidenten der Notenbanken von Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, der Schweiz, Belgien, der Niederlande, Kanada, Indien, Brasilien und Mexiko. Zu ihnen gesellt sich Jaime Caruana, früherer Gouverneur der Bank von Spanien und heute Generaldirektor der BIZ.

Ende 2013 war Agustín Carstens, Präsident der mexikanischen Zentralbank, der Vorsitzende des ECC. Dieses Gremium, früher als Sitzung der G10-Zentralbankpräsidenten bekannt, ist der einflussreichste der zahlreichen Ausschüsse der BIZ und steht nur einer kleinen, auserwählten Gruppe von Zentralbankpräsidenten aus Industrieländern offen. Das ECC gibt Empfehlungen ab über die Mitgliedschaft und Organisation der drei BIZ-Gremien, die sich mit dem globalen Finanzsystem, den Zahlungssystemen und den internationalen Märkten befassen. Darüber hinaus bereitet der Ausschuss Vorschläge für das Global Economy Meeting vor und bestimmt dessen Tagesordnung.

Das Global Economy Meeting beginnt am Montagmorgen um 9.30 Uhr im Raum B und dauert drei Stunden. Carstens führt den Vorsitz über das Treffen, an dem die Notenbankchefs jener dreißig Länder teilnehmen, die als die wichtigsten der globalen Wirtschaft gelten. Nebst den Präsidenten, die bereits am Abendessen vom Vortag teilnehmen, sitzen beispielsweise Vertreter aus Indonesien, Polen, Südafrika, Spanien und der Türkei mit am Tisch. Zentralbankern aus fünfzehn kleineren Ländern, etwa Ungarn, Israel und Neuseeland, ist die Teilnahme als Beobachter gestattet, aber in der Regel reden sie nicht mit. Notenbankchefs dritten Ranges, zum Beispiel jene Mazedoniens oder der Slowakei, dürfen nicht teilnehmen und müssen während Kaffee- und Essenspausen nach Informationsfetzen stöbern.

Im Anschluss gönnen sich die Präsidenten aller sechzig BIZ-Mitgliedsbanken ein Mittagsbuffet im Esssaal im achtzehnten Stock. Der Saal, entworfen vom Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron, das auch für das olympische »Vogelnest-Stadion« in Beijing verantwortlich ist, hat weiße Wände und eine schwarze Decke und bietet einen spektakulären Ausblick über drei Länder: die Schweiz, Frankreich und Deutschland.2 Um 14 Uhr kehren die Zentralbanker und ihre Berater zur Gouverneurssitzung in den Raum B zurück, um bis 17 Uhr Angelegenheiten von Belang zu besprechen.

Als es darum ging, eine Antwort auf die globale Finanzkrise zu finden, spielten die Konklaven der Präsidenten eine entscheidende Rolle. »Während der Krise war die BIZ ein wichtiger Treffpunkt für die Zentralbankpräsidenten, und ihre Existenzberechtigung hat sich dadurch verstärkt«, sagt Mervyn King, ehemaliger Gouverneur der Bank of England. »Wir waren mit Problemen konfrontiert, die wir bis dahin noch nicht kannten: Wir mussten herausfinden, was vor sich ging, was für Instrumente zur Verfügung stehen, wenn die Zinssätze fast bei null liegen, und wie wir unsere Strategie kommunizieren. Wir besprechen dies auch zu Hause mit unseren Mitarbeitern, aber dennoch ist es für die Gouverneure sehr hilfreich, sich zum gegenseitigen Austausch zusammenzusetzen.«

Diese Besprechungen müssen gemäß den Zentralbankern vertraulich sein. »Wenn man sich in einer Spitzenposition befindet, kann es schon mal einsam werden«, fährt King fort. »Da hilft es, wenn man sich mit anderen Spitzenleuten trifft und sagt: ›Dies ist mein Problem, wie geht ihr damit um?‹ Informell und offen über Erfahrungen zu sprechen, ist ungemein nützlich. Hier sprechen wir nicht auf einer öffentlichen Bühne – wir können sagen, was wir wirklich denken, wir können Fragen stellen und von den anderen profitieren.«3

Die BIZ-Geschäftsführung gibt sich Mühe, dafür zu sorgen, dass die Atmosphäre das ganze Wochenende über freundlich und gesellig ist – und es scheint ihr zu gelingen. Die Bank arrangiert eine Flotte von Limousinen, um die Gouverneure am Flughafen Zürich abzuholen und nach Basel zu chauffieren. Separate Mahlzeiten werden bereitgestellt, gemäß der Größe und Art der Volkswirtschaften, über die die Notenbankchefs wachen, sodass sich niemand ausgeschlossen fühlt. »Die Zentralbanker waren entspannter in der Gesellschaft ihrer Zentralbank-Kollegen als in der ihrer eigenen Regierungen«, erinnert sich Paul Volcker, ehemaliger Chef der Federal Reserve.4 Die vorzügliche Qualität des Essens und des Weins sorgte für eine kameradschaftliche Atmosphäre, sagt Peter Akos Bod, früherer Gouverneur der ungarischen Nationalbank. »Die hauptsächlichen Gesprächsthemen waren die Weinqualität und die Dummheit der Finanzminister. Wer nichts von Wein verstand, konnte sich nicht an den Gesprächen beteiligen.«5

Und den Notenbankchefs zufolge waren die Gespräche in der Regel anregend und unterhaltsam. Der Kontrast zwischen dem Offenmarktausschuss der amerikanischen Notenbank und den Abendessen der G10-Zentralbankpräsidenten sei markant, erinnert sich Laurence Meyer, von 1996 bis 2002 Mitglied des Fed-Vorstands; wenn der Vorsitzende der Fed seine Bank an den Basler Sitzungen nicht repräsentieren konnte, sprang Meyer zuweilen für ihn ein. Die Diskussionen in der BIZ waren stets lebhaft und zielgerichtet, und sie regten zum Nachdenken an: »Als ich noch bei der Fed arbeitete, lasen an Sitzungen des Offenmarktausschusses fast alle Teilnehmer Stellungnahmen vor, die im Voraus abgefasst worden waren. Nur selten bezogen sie sich auf Bemerkungen anderer Ausschussmitglieder, und kaum je gab es einen Austausch zwischen zwei Mitgliedern oder gar eine Diskussion über Prognosen oder mögliche Strategien. An den Abendessen in der BIZ hingegen reden die Leute tatsächlich miteinander. Die Diskussionen sind immer anregend und interaktiv, und sie drehen sich um die ernsten Probleme, die sich der globalen Ökonomie stellen.«6

Alle Notenbankchefs, die am zweitägigen Treffen teilnehmen, können sich auf vollständige Vertraulichkeit und Diskretion sowie auf höchste Sicherheitsvorkehrungen verlassen. Die Sitzungen werden auf mehreren Etagen abgehalten, die meist nur dann benutzt werden, wenn die Präsidenten zugegen sind. Ihnen werden persönliche Büros zur Verfügung gestellt, mitsamt Sekretären und jeglichen anderen Hilfskräften, die sie wünschen. Die Gebäude und das anliegende Gelände der BIZ sind außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der schweizerischen Behörden. Gegründet durch einen internationalen Vertrag und darüber hinaus durch das sogenannte Sitzabkommen geschützt, das die BIZ 1987 mit der Schweizer Regierung schloss, genießt die Bank einen ähnlichen Status wie der Hauptsitz der Uno, der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die diplomatischen Vertretungen. Bevor die Schweizer Behörden die Gebäude der Bank – die als »unverletzbar« bezeichnet werden – betreten können, brauchen sie eine Bewilligung von der BIZ-Verwaltung.7

Der BIZ ist es gestattet, ihre Kommunikation zu verschlüsseln und Korrespondenz in speziellen Säcken zu verschicken und zu empfangen, die die gleichen Vorrechte genießen wie Diplomatengepäck – sie dürfen also nicht geöffnet werden. Die BIZ muss in der Schweiz keine Steuern zahlen. Ihre Mitarbeiter sind von der Einkommensteuer befreit, wobei ihr Lohn darauf ausgerichtet ist, mit...

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