An den Feuern von Hastur - Ein Darkover Roman

An den Feuern von Hastur - Ein Darkover Roman

von: Marion Zimmer Bradley

Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe, 2014

ISBN: 9783955305963

Sprache: Deutsch

391 Seiten, Download: 1267 KB

 
Format:  EPUB

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An den Feuern von Hastur - Ein Darkover Roman



1


Ysaye? Bist du da oben?« Elizabeth Mackintosh steckte den Kopf vorsichtig in den Schacht, der den Computerkern enthielt. Sie war eine kleine, zierliche Frau, nicht eigentlich hübsch, aber von einer sanften und doch intensiven Lebendigkeit, die das Wort »hübsch« bedeutungslos machte. Sie hatte dichtes dunkles Haar und blaue Augen, lieblich und klar, und eine Stimme, die in dem widerhallenden Schacht klang, als würde sie singen. Für Computer hatte sie nicht viel übrig, und der enge Schacht mit all seinen aktivierten Komponenten vermittelte ihr ein beklemmendes Gefühl von Klaustrophobie. Sie hatte einmal zu Ysaye gesagt, in dem warmen, von winzigen roten Lichtern getupften Dunkel komme sie sich vor, als sei sie von einer Sphäre rotäugiger Dämonen umgeben. Ysaye hatte gelacht und an einen Scherz geglaubt, aber es war wahr.

»Ich bin in einer Minute fertig«, rief Ysaye Barnett hinunter. »Lass mich nur noch diese letzte Schalttafel anschließen.« Sie ersetzte die Schalttafel, an der sie gearbeitet hatte, und drückte die Fingerspitzen leicht gegen das Paneel, damit sich ihr hoch gewachsener Körper die Röhre hinunterbewegte. In der geringen Schwerkraft des Kerns war dazu kein starker Schub notwendig. Je näher sie dem Ende des Schachtes kam, desto höher wurden die ge-Zahl und ihre Geschwindigkeit. Mit vorsichtig gebeugten Knien landete sie unten neben Elizabeth. Die Schwerkraft im Computerraum betrug wie üblich 0,8 Standard, und Elizabeth klammerte sich, ebenfalls wie üblich, verzweifelt an das Geländer, das mitten durch den Raum lief. Veränderungen der Schwerkraft machten Elizabeth nervös. Sie lebte für den Tag, an dem das Schiff zu einem Planeten gelangte, auf dem sie bleiben konnte. Manchmal fragte sie sich, warum sie überhaupt in den Raum gegangen war. Aber dann hielt sie sich vor Augen, wie es auf der übervölkerten, lärmigen, techniksüchtigen Erde aussah, und sie wusste genau, dass sie niemals zurückkehren würde. Nur die sehr Reichen konnten sich auf Terra Platz und Privatleben leisten. Vom kläglichen Gehalt einer Kultur-Anthropologin hätte sie sich dort, Lichtjahre hinter ihnen, nicht einmal die Abgeschlossenheit einer winzigen Zelle der Art, die sie an Bord bewohnte, leisten können.

Ysaye dagegen war für das Leben in einem Raumschiff wie geschaffen. Sich verändernde Schwerkraftzonen waren für sie ein Spiel, so etwas wie die Version für Erwachsene vom Kästchenhüpfen. Ihr schwarzes, drahtiges Haar war in viele winzige Zöpfchen geflochten, damit es ihr nicht ins Gesicht in die Ausrüstung, mit der sie arbeitete, oder in die Ventilationsleitungen geriet. Sie hielt ihre Unterkunft so ordentlich, dass nicht einmal bei negativen ge’s etwas von seinem Platz fiel. Sie kannte die Zeitpläne, Abläufe und Notfallübungen des Schiffes vorwärts und rückwärts. Wenn man den Fähnrichen Glauben schenken konnte, war jedes Stück Information im Computer in Ysayes Kopf dupliziert und konnte ebenso schnell hier wie dort abgerufen werden.

Ein Fähnrich, der in der dritten Schicht arbeitete, behauptete sogar, der Computer wache nachts auf und rufe nach ihr. Ysaye hatte ihm mit einem Zwinkern in ihren glänzenden braunen Augen geraten, er solle mit seiner Neigung, Maschinen zu vermenschlichen, vorsichtig sein. Zwar redete sie selbst mit dem Computer, aber sie achtete darauf, es nur dann zu tun, wenn niemand sie hören konnte. Schließlich hatte sie ihren Ruf als Wissenschaftlerin zu wahren.

»Damit dürfte die kleine Macke beseitigt sein«, stellte Ysaye glücklich fest. Nichts freute sie mehr, als die Antwort auf ein Rätsel zu finden, und dieses hatte die Techniker tagelang gequält, ein in Abständen immer wieder auftretender Signalverlust von der Robotsonde, die dem Schiff in etwa einem Tag Abstand vorausflog. »Ich habe doch gleich gesagt, es müsse an unserer Hardware liegen, nicht an der Sonde. Und ich werde irgendwem die Haut dafür abziehen, dass er die vorgeschriebenen Tests, mit denen er den Fehler gefunden hätte, nicht durchgeführt hat.«

»Gibt es etwas Neues über unseren neuen Planeten?« David Lorne, Elizabeths Verlobter, betrat den Computerraum und ging vorsichtig an dem Geländer entlang auf die Frauen zu. Elizabeth streckte unwillkürlich die Hand aus, und ebenso unwillkürlich ergriff er sie. Wie eine phototropische Reaktion, dachte Ysaye. David war Elizabeths Sonne, und manchmal konnte man meinen, ohne ihn werde sie schnell welken und verblassen.

»Kein Name«, antwortete Ysaye, klickte den Bibliotheks-Modus an und tippte Befehle in die Konsole. »Auch der Stern ist nur im ungekürzten Verzeichnis zu finden. Cottmans Stern. Sechs Planeten, heißt es in der Aufzeichnung, aber ...« Sie holte ein Diagramm auf den Konsolenschirm. »... die letzten Daten unserer Scanner machen sieben daraus. Drei kleine Felsbrocken, vier große kugelige Schwämme. Der Vierte von der Sonne aus ist bewohnbar oder steht zumindest am Rand der Bewohnbarkeit. Er hat wenig schwere Metalle, aber er wäre nicht der erste besiedelte Planet, der knapp an Metallen ist. Etwas besitzt er in Massen, nämlich Sauerstoff.«

»Ist das der Planet mit den vier Monden? Das klingt so exotisch – als gebe es dort eine Menge Stoff für Balladen«, sagte Elizabeth.

»Nun, für dich klingt alles wie ein Stoff für eine Ballade«, meinte Ysaye liebevoll.

»Warum auch nicht?«, gab Elizabeth vollkommen ernst zurück. Ysaye schüttelte den Kopf. Elizabeth hatte die Gewohnheit, alles mit der einen oder anderen Ballade in Verbindung zu bringen. Natürlich war Volksmusik ihr Hobby und Anthropologie ihr Spezialgebiet, und natürlich ist sehr viel primitive Geschichte in Liedern und Balladen enthalten, aber trotzdem ... Es gab eine Grenze, wenigstens soweit es Ysaye betraf. Einmal hatte Elizabeth versucht, Ysayes Neigung, für mehrere Tage zu verschwinden, wenn sie einem Computerfehler nachspürte, mit der Entführung Toms des Reimers durch die Elfenkönigin zu vergleichen ... Ysaye hatte Wochen gebraucht, um all den Unsinn über im Kern lebende Elfen und Feen auszumerzen.

»Irgendwelche Bewohner?«, fragte David. »Oder, besser gesagt, irgendwelche Zeichen von intelligenten Lebewesen?« Sowohl für David als auch für Elizabeth war das die große Frage. Ysaye machte sich weniger daraus, denn sie gehörte zur Schiffsbesatzung. Aber David und Elizabeth wollten heiraten und eine Familie gründen, und an Bord konnten sie das nicht. Kinder durften nicht einmal auf einem Schiff reisen, falls sie mit etwas, das einem menschlichen Skelett ähnelte, groß werden sollten. Kindliche Körper sind viel zarter und zerbrechlicher, als Planetenbewohner es sich vorstellen können. Das Paar hatte noch Zeit. Beide waren ebenso wie Ysaye gleich nach Abschluss der Universität in den Raumdienst eingetreten und erst Ende Zwanzig. Theoretisch würde früher oder später ein Planet auftauchen, der entweder für die Kolonisierung oder einen Imperiumskontakt geeignet war. Dann konnten die Kontakt- und Erkundungsteams sich dort niederlassen und zwanzig Jahre oder länger bleiben. Aber nach drei Jahren mit nichts als Felsbrocken bekam es zumindest Elizabeth mit der Angst zu tun.

»Ihr seid beide Telepathen«, zog Ysaye sie auf, »sagt ihr es mir.« So hatten sie sich überhaupt kennen gelernt, als Versuchspersonen im parapsychologischen Labor der Universität. Unglücklicherweise waren die Instrumente nicht darauf eingestellt gewesen, Liebe auf den ersten Blick zu registrieren, sonst hätten sie vielleicht ein paar hochinteressante Daten bekommen. Ysaye hatte an diesem Tag als Technikerin Dienst getan und pflichtgemäß alles andere aufgezeichnet, was die Maschinen maßen. Sie hatte nie jemandem von den anderen Effekten erzählt, die sie gesehen zu haben glaubte. Schließlich war es zweifellos eine höchst subjektive Erfahrung, eine Aura zu erblicken.

Elizabeth machte überhaupt kein Geheimnis aus ihrer »Gabe« – auch wenn sie immer meinte, sich ein bisschen deswegen verteidigen zu müssen. David tat es mit einem Achselzucken ab. Wenn die Leute ihm nicht glaubten, war das ihr Problem, nicht seins. Wenn man Ysaye sehr drängte, gab sie zu, so etwas wie Intuition oder eine gelegentliche Vorahnung zu haben. Ansonsten zog sie es vor, nicht darüber zu sprechen. Sie benutzte die »unsichtbaren Dinge« und das Wissen, das ihr aus einer unbekannten Quelle zufloss, aber sie ging nicht damit hausieren.

Immer war sie so etwas wie eine Einzelgängerin gewesen, und ihr »Talent« trieb sie noch weiter in diese Richtung. Als Kind hatte sie gelernt, ihr »Wissen« in Form von Fragen an die Menschen ihrer Umgebung weiterzugeben. In ihrer Familie ließ man es Kindern nicht durchgehen, dass sie Erwachsene korrigierten, wahrscheinlich weil man davon ausging, ein Kind wisse weniger als ein Erwachsener. Doch es kam Ysaye hart an zu verbergen, was sie wusste, und so hatte sie stattdessen die Einsamkeit als ein besseres »Versteck« gewählt.

Auch ihre Intelligenz hatte sie sorgfältig hinter einer Maske kindlicher Unschuld verborgen und jeden möglichen Augenblick mit ihrem Computer verbracht. Das war für sie nicht so schwierig gewesen wie für irgendein anderes Kind. Ihre Eltern hatten sie für die Computer-Unterweisung angemeldet – »Heimschulung« wurde es genannt – statt sie in eine öffentliche Schule zu schicken. Die Werte, die in den Schulen der Erde gelehrt wurden, widersprachen ihrer religiösen Auffassung. Es mangelte den Schulen traurigerweise an Ethik und Moral, und man unterschied nicht zwischen Recht und Unrecht, ein Thema, das Ysayes Mutter besonders am Herzen lag. Im Geist hörte Ysaye immer noch, wie ihre Mutter sich entrüstete, wenn jemand in ihrer Anwesenheit eine laxe Moral oder eine verschwommene Logik verriet.

»Eine so starke Telepathin bin ich...

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