Asharas Rückkehr - Ein Darkover Roman

Asharas Rückkehr - Ein Darkover Roman

von: Marion Zimmer Bradley

Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe, 2014

ISBN: 9783955306045

Sprache: Deutsch

666 Seiten, Download: 1458 KB

 
Format:  EPUB

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Asharas Rückkehr - Ein Darkover Roman



1


Es muß eine Möglichkeit geben, wie ich von einem Stern zum anderen reisen kann, ohne daß mir schlecht wirdirgendein Medikament, auf das ich nicht überempfindlich reagiere. Wenn ich nur nicht gegen so vieles allergisch wäre. Hätte ich doch bloß eine Laufbahn als Agronom oder Journalist eingeschlagen.

Die Frau auf der Schubkraft-Liege lächelte grimmig, ohne die Augen zu öffnen, und versuchte, Übelkeit und Schwindelgefühl zu ignorieren. Der Gedanke war nicht neu, und sie hatte ihn bereits viele Male durchgespielt. Jahre zuvor, als sie von zu Hause weggegangen war, um die Universität zu besuchen, hatte sie diese beiden Berufe tatsächlich ins Auge gefaßt, zusammen mit Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen anderen, an die sie sich nicht mehr erinnerte. Sie hatte weniger als ein Semester gebraucht, um herauszufinden, daß sie kein Händchen für Landwirtschaft besaß, und fand die Vorstellung abscheulich, über das Unglück anderer Leute zu berichten. Sie hatte kein Geschick im Umgang mit Worten, und Zahlen langweilten sie, obwohl sie sehr gut im Rechnen war und bestimmt eine ganz passable Veruntreuerin geworden wäre. Bei diesem Gedanken wurde ihr Lächeln zum breiten Grinsen, und die Spannung in ihrem Gesicht löste sich ein wenig.

Unter dem türkisfarbenen Ärmelaufschlag ihrer schwarzen Gelehrtenuniform juckten die Pflaster auf ihrer Haut. Eines davon versorgte sie mit Hyperdrom, dem Medikament gegen Raumkrankheit, und das andere sollte ihrer Allergie gegen Hyperdrom entgegenwirken. Wirklich zu dumm, daß sie allergisch war. Ihr Vater war es auch, sie mußte es wohl von ihm geerbt haben. Sie war eben doch seine Tochter, auch wenn sie die meiste Zeit nicht das Gefühl hatte.

Sie bewegte ihren Kopf auf den übelriechenden Kissen ihrer Liege vor und zurück. Diesen Augenblick nutzte ihr feines, aber üppiges rotes Haar, um sich aus dem Knoten zu lösen, zu dem sie es aufgetürmt hatte, und ihr in den Nacken zu rutschen. Sie konnte ihre Anspannung fühlen und versuchte angestrengt, sich zu entspannen. Der schwache Desinfektionsmittelgeruch, der in der stickigen, trockenen Luft des Dritte-Klasse-Abteils hing, war widerlich.

Solange sie die Augen geschlossen hielt, hatte sie die Illusion von Alleinsein und war sich der elf anderen Personen in dem überfüllten Quartier weniger bewußt. Die Nähe von anderen Menschen, Leuten, die genausoviel Angst hatten wie sie selbst, machte die schreckliche, zermürbende Übelkeit, die sie zu ignorieren versuchte, nur noch schlimmer. Es war immer so gewesen, seit jener ersten Abreise von dem Planeten, auf den sie nun zurückkehrte. Sie hatte nur wenige, undeutliche Erinnerungen an ihre Kindheit, die an jene erste Reise jedoch waren lebendiger und stärker als alle anderen. Die Gerüche und Geräusche eines Raumschiffs und eines Magens, in dem Dämonen zu tanzen schienen, waren mit etwas Furchtbarem verknüpft, an das sie sich jedoch nicht klar erinnerte. Sie wurde nie richtig krank, aber endlose Stunden kurz vor dem Erbrechen zu verbringen war genauso schlimm, wenn nicht schlimmer.

Kaum jemand hätte vermutet, daß die Tochter eines Senators der Föderation dritter Klasse reiste. Man nahm eher an, daß solche Leute ein schillerndes Leben mit Festen und Abendgesellschaften in diplomatischen Kreisen führten. Aber sie war eine Stipendiatin der Universität, und Akademiker reisten selten anders. Sie war inzwischen eine erfahrene Reisende, mit zehn ausgedehnten Reisen und mehr als hundert Flügen, aber immer noch weigerte sich ihr Körper, sich an die Medikamente zu gewöhnen, und sie hatte sich mit dieser Unannehmlichkeit abgefunden. Zumindest mußte sie nicht mehr die Qualen des Zwischendecks erdulden, wie bei ihrer ersten allein unternommenen Reise, einem Alptraum mit sechzehn Starts und Landungen zwischen Thetis und Coronis. Und erster Klasse zu reisen, wie sie es einmal getan hatte, war auch nicht viel besser – die Luft stank trotzdem, und die Medikamente trockneten ihren Mund ebenfalls aus.

Ich bin wie ein guter Wein – Reisen bekommt mir gar nicht. Ich wünschte, diese Arznei würde einen wirklich einschlafen lassen, wie sie es angeblich tut. Professor Davidson schnarcht vor sich hin wie ein Baby, der Gute. Wie macht er das nur? Kommt nun die Durchsage für unseren Landeanflug? Ich habe nicht mehr mitgezählt. Ist das der sechste oder der siebte Flug? Mutter der Meere, laß es der siebte sein.

Sie begann »das Spiel« zu spielen. Sie und ihre Stiefmutter Dio hatten es auf jener halb erinnerten, ersten Reise erfunden, als sie noch sehr klein war. Es bestand darin, daß man alle Göttinnen und Götter nannte, die einem einfielen. Als Dio es ihr beigebracht hatte, hatte sie nur wenige gekannt – Zandru und Aldones, Evanda und Avarra. Bis sie ihr Ziel erreicht hatten, konnte sie mehr als hundert aufzählen und kannte einige ihrer Geschichten. Die Liste war angewachsen, während sie älter wurde und lernte, bis sie Namen von Gottheiten enthielt, die bis auf die Zeit zurückgingen, als Terra noch wirklich ein Reich war. Sie hatte die Namen von Gottheiten hinzugefügt, die sie von Mitstudenten erfuhr, Götter von Planeten, die sie besucht hatte, und von Welten, auf denen sie nie gewesen war. Manchmal suchte sie nach Reimen in den Namen oder ordnete sie in alphabetischer Reihenfolge – alles, was sie vom Aufruhr in ihrem Körper ablenkte. Die Namen waren ihr nie ausgegangen, aber sie wußte nicht genau, ob aufgrund der Wiederholungen oder etwas anderem. Jedenfalls war die Übung etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte, anstatt auf das Geräusch des großen Schiffes um sie herum zu lauschen und den beißenden Geruch ihrer Mitreisenden zu riechen.

Das Schlingern des Schiffes, bei dem sich einem der Magen umstülpte, begann nachzulassen. Das Triebwerk klang anders, irgendein Heulton hörte auf. Bei dem Geräusch wurde sie immer angespannt, denn es bedeutete, daß sie den leeren Raum zwischen den Sternen verließen und in das Gravitationsfeld einer Welt eintraten. Das anhaltende Dröhnen der Landungstriebwerke setzte ein – ein leicht verstimmtes As, bei dem sie zu zittern begann.

Auf der Liege neben ihr schnaubte der Professor prustend, hustete und bewegte sich. Er war wach. Jahre der erzwungenen Nähe zu dem alten Mann hatten ihr jedes Ächzen und jede Geste vertraut werden lassen. Sie mußte nicht die Augen aufmachen, um zu wissen, daß er nun die Finger über einer imaginären Tastatur öffnete und schloß.

Wie sehr wir uns doch aneinander gewöhnt haben, dachte sie. Wahrscheinlich kennt er auch alle kleinen Gewohnheiten von mir. Es war sehr tröstlich, die vertraute Begleitung von Ivor Davidson zu spüren, ihrem Mentor und praktisch auch ihrem Pflegevater. Seine Frau Ida war wie eine Mutter zu ihr gewesen, und sie kam zu dem Schluß, daß sie trotz des gräßlichen Gefühls in ihrer Magengegend eigentlich sehr viel Glück hatte. Sie tat die Arbeit, die sie liebte, in der Gesellschaft eines lieben und geachteten Freundes. Wer wollte mehr verlangen? Der Lautsprecher über ihrer Liege winselte und summte, und Margaret fuhr zusammen. Zum Teufel mit ihren besonders empfindlichen Ohren! Sie hatten ihre Studien, ihr Stipendium und ihre Karriere als Musikwissenschaftlerin ermöglicht. Aber dreimal zum Teufel mit dem saloppen Fernmeldeoffizier, der wahrscheinlich taub war und die letzten drei Landungen zur reinsten Qual gemacht hatte. Nach einem leisen Klicken und einem scharfen Kreischen, bei dem sie vor Unbehagen bebte, begann eine näselnde Tonbandaufzeichnung mit dem Akzent irgendeines Hinterwäldlerplaneten loszudröhnen. Sie war alt und mußte ersetzt werden. Margaret mußte sich zwingen, daß sie zuhörte und das lärmende Ding nicht einfach ausmachte. Dann war die Tonbandaufzeichnung zu Ende, und es ertönte etwas, das an eine menschliche Stimme erinnerte und Standard-Terranisch mit einem fürchterlichen Akzent sprach, bei dem die Worte in die Länge gezogen wurden.

»Wir befinden uns im Landeanflug auf Cottman IV, von den Einheimischen Darkover genannt.« Das Wort hatte einen beinahe geringschätzigen Klang, als stellte sich der Sprecher die Darkovaner als nackte Wilde oder etwas Ähnliches vor. Typisch terranische Arroganz. »Die Passagiere werden gebeten, angeschnallt zu bleiben, bis das Entwarnungssignal ertönt. Für diejenigen Passagiere im Zwischendeck und in der dritten Klasse, die Hilfe benötigen, wird kurz nach der Landung ein Steward bereitstehen.« Nachdem die Stimme die Hinweise für die Passagiere in Standard gesagt hatte, wiederholte sie sie in einem Dutzend anderer Sprachen, wobei sie diejenigen, die Margaret erkannte, schwer verhunzte.

Darkover! Endlich am Ziel. Der Planet ihrer Geburt. Aber der Klang des Wortes löste die seltsame Vorahnung aus, die sie spürte, seit sie erfahren hatte, daß sie hierherkommen würde. Es war etwas Ähnliches wie Angst, und es war völlig unlogisch! Sie war im Zuge ihrer Arbeit mit Ivor schon auf anderen Planeten gewesen, und nie hatte sie so ein schleichendes Unbehagen gespürt.

Margaret holte ein paarmal tief Luft und zwang sich zur Ruhe. Ihre Schultermuskeln waren verspannt und lösten sich nur widerwillig. Aber ihre Entspannungsübungen funktionierten langsam, sie seufzte erleichtert und hörte nicht mehr auf den Lautsprecher. Ihre Gedanken wanderten. Sie war daran gewöhnt, daß man ihr alles ein dutzendmal sagte. Als Bewohnerin einer Kolonie hatte sie eine gesunde Verachtung für die Reglementierungswut der terranischen Föderation. Zwar schätzte sie die technischen Errungenschaften der Terraner, die es ihr erlaubten, die Musik eines Dutzends von Welten in einem einzigen Menschenleben zu studieren, doch sie ertrug ihre Arroganz nur wegen des Stipendiums und der Freiheit, das es ihr...

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