Georg Elser - Allein gegen Hitler

Georg Elser - Allein gegen Hitler

von: Ulrich Renz, Reinhold Weber, Peter Steinbach, Julia Angster

Kohlhammer Verlag, 2014

ISBN: 9783170267152

Sprache: Deutsch

116 Seiten, Download: 4890 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Georg Elser - Allein gegen Hitler



Aus einfachen Verhältnissen


Kindheit und auf Wanderschaft


Georg Elser wurde am 4. Januar 1903 im schwäbischen Hermaringen geboren und wuchs in schwierige, ärmliche Familienverhältnisse hinein. Seine Mutter stammte aus diesem Dorf auf der östlichen Schwäbischen Alb, der Vater arbeitete dort als Fuhrmann. Schon im Jahr darauf zogen die Eltern, die erst nach seiner Geburt heirateten, mit dem Sohn nach Königsbronn, das am Ursprung der Brenz und ebenfalls im Kreis Heidenheim liegt. Diese Gemeinde, die weniger bäuerlich als industriell geprägt war, wurde die eigentliche Heimat des späteren Widerstandskämpfers.

Abb. 2: Die Familie Georg Elsers vor dem Elternhaus in Königsbronn Ende 1910.

In den Jahren danach wuchs die Familie. Zu Johann Georg Elser gesellten sich die Schwestern Friederike, Marie und Anna sowie der zehn Jahre jüngere Bruder Leonhard. Ein weiterer Bruder war bald nach der Geburt gestorben. Die Familie lebte mühsam von der Landwirtschaft. Der Vater, der dem Alkohol zuneigte, betätigte sich wenig erfolgreich als Händler. Bei seiner Vernehmung beschrieb Georg Elser die freudlose Jugend:

„Mein Vater hat sich in der Landwirtschaft wenig betätigt, er hat zuerst Holz geführt und dann später einen eigenen Holzhandel angefangen. Die Hauptlast der Landwirtschaft lag auf meiner Mutter. Ich und meine Geschwister mussten sehr früh im Stall, auf dem Feld und im Haus mithelfen. Ich als der Älteste war auch immer die Kindsmagd für meine jüngeren Geschwister.“1

Seine Schwester Anna entwarf nach dem Krieg in einem Verfahren in München ein kurzes Porträt Georgs. Die Staatsanwaltschaft dort leitete 1950 ein Ermittlungsverfahren zur Aufklärung des Attentats im Bürgerbräukeller und zu den Todesumständen von Elser ein. Die Schwester Anna berichtete in ihrer Zeugenaussage:

„Mein Bruder hatte einen etwas eigenen Charakter, er war verschlossen und hat sich auch mit uns Geschwistern nie besonders abgegeben, sondern ist immer seine eigenen Wege gegangen. Er hat sehr solide gelebt, nicht geraucht und nicht getrunken. Mit seinen Schulkameraden kam er schon zusammen und er war bei ihnen auch allgemein beliebt. Mein Bruder war an und sich ein gutmütiger Mensch, nur hat er nicht gleich mit jedem Freundschaft geschlossen und ist nicht aus sich heraus gegangen. Er war sehr gescheit und war ein Bastler und Tüftler und hat sich mit Problemen befasst und diese gelöst, die ein anderer nie herausgebracht hätte. So ist mir z. B. noch in Erinnerung, dass er noch als Schuljunge an die Nähmaschine meiner Mutter eine Dreschmaschine baute, in welche wir als Kinder Ähren hineintaten und ausgedroschen haben.“2

Georg Elser ging sieben Jahre in die Grundschule in Königsbronn, die heute seinen Namen trägt, und nannte sich im Rückblick einen mittelmäßigen Schüler. Seine Mutter sagte dagegen später aus:

„Georg war ein folgsamer Junge und hat uns in der Erziehung keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Er war ziemlich ruhig, beinahe unserer Meinung nach zu ruhig. In der Schule hat er gut gelernt und hat auch immer gute Zeugnisse mit nach Hause gebracht. Wie mir erinnerlich ist, ist Georg auch gerne zur Schule gegangen.“3

1917 begann Elser eine Lehre in den Schwäbischen Hüttenwerken, die in Königsbronn eine Jahrhunderte alte Industrietradition

Abb. 3: Georg Elser mit seiner Schulklasse in Königsbronn 1911.

fortsetzten. Er selbst wollte Eisendreher werden und musste sich mit diesem Wunsch zuhause erst noch durchsetzen. Das Geld, das er als Lehrling verdiente, hatte er den Eltern ganz abzuliefern. Dem Vater fiel dann nach einiger Zeit als erstem auf, dass es dem schmächtigen Jungen gesundheitlich schlechter ging. Er war mehrmals krank, hatte Fieber und Kopfschmerzen, doch ist nicht überliefert, was ihm wirklich fehlte. Auf jeden Fall musste er Konsequenzen ziehen:

„Soviel ich weiss, ging ich damals persönlich auf das Fabrikbüro und erklärte dort, dass ich mit dieser Arbeit aufhören will, weil ich sie nicht vertragen könne“,4

sagte er im Verhör der Gestapo. Vom Herbst 1917 bis zum Frühjahr 1919 dauerte seine Lehrzeit in den Schwäbischen Hüttenwerken. Immerhin erwarb er sich da einige der Fertigkeiten, die ihm später bei seinem Attentatsplan nützlich waren.

Nun erst fand Georg Elser zu seiner Berufung: Er macht eine dreijährige Lehre beim Schreinermeister Robert Sapper in Königsbronn. Ausgebildet wurde er als Bau- und Möbelschreiner, 1922 legte er in der Gewerbeschule in Heidenheim die Gesellenprüfung ab, als Bester. Ein körperlicher Schaden aus Kindertagen behinderte ihn bei seiner geschickten Arbeit offenbar nicht. Im Verhör erwähnte er eher beiläufig:

„Den kleinen Finger meiner rechten Hand habe ich nahezu vollständig als kleiner Junge mit 7 Jahren dadurch verloren, daß ich am Schleifstein meines Vaters diesen Finger zwischen die Zahnräder der Übersetzung brachte.“5

Der Bruder Leonhard sagte in dem Verfahren in München:

„Ich bin selbst ebenfalls Schreiner und habe ebenfalls wie mein Bruder Georg bei dem Schreinermeister Sapper in Königsbronn 3 ½ Jahre das Schreinerhandwerk erlernt. Sapper hat meinen Bruder stets gelobt und gesagt, dass er mit ihm zufrieden gewesen sei und dass er ein anständiger und anstelliger Handwerker gewesen sei.“6

Ein Mitbürger lieferte nach dem Krieg eine anschauliche Beschreibung der Arbeitsweise Georg Elsers. In einem Bericht über ein Gespräch mit Anton Egetemaier, Briefträger und Schneider in Königsbronn, hieß es:

„Egetemaier hatte bei Georg Elser eine Kinderbettstelle bestellt. Elser fertigte sie in seiner Hütte an, kam dann, brachte das Bett und stellte sich davor auf und betrachtete es mindestens fünf Minuten lang, ohne ein Wort zu sagen, ging dreimal um das Bett herum, rüttelte und prüfte es und ging weg. Am nächsten Tag erschien er wieder, um nochmals das Bettgestell zu prüfen. Diese Prüfmanie sei ein regelrechter Tick gewesen.“7

In den folgenden Jahren arbeitete Elser in der Möbelfabrik Rieder in der benachbarten Stadt Aalen, kündigte, weil „infolge der Inflation das Geld keinen Wert mehr hatte“, half wieder im elterlichen Haus und fertigte in einer eigenen kleinen Werkstatt Möbel an. Er musizierte und spielte auch zum Tanz auf. „Ich bin von Natur aus musikalisch veranlagt“, heißt es dazu im Protokoll:

„Schon während meiner Schulzeit habe ich Flöte und Ziehharmonika gespielt. Nach meiner Schulzeit habe ich nur mehr Ziehharmonika gespielt. In kleineren Gesellschaften habe ich für musikalische Unterhaltung gesorgt. So habe ich etwa im Jahre 1924 in Ochsenberg bei Königsbronn in einer Tanzstunde Ziehharmonika gespielt. Eine besondere Fertigkeit hatte ich nicht. Ich war, wie man so sagt, Durchschnittsspieler. Gespielt habe ich nur nach Gehör. Noten habe ich seinerzeit nicht gekannt.“8

Elser wechselte noch zur Möbelschreinerei Matthias Müller in Heidenheim, ehe er 1925 auf die Wanderschaft ging. Sicherlich wollte er auch den unerfreulichen, von Auseinandersetzungen geprägten Verhältnissen im Elternhaus entkommen. So zog es ihn in Richtung Bodensee. Der Aufenthalt dort sollte ihn für sein weiteres Leben prägen. Sein Biograf Hellmut Haasis resümiert dazu:

„Während seine Mutter ihn nur als Schaffer kannte, der auch viele Sonntage in seiner Werkstatt bastelte, entdeckte er jetzt seine persönliche Freiheit und das angenehme Nichtstun. Für einen arbeitseifrigen Schwaben ein unvorstellbarer Umsturz traditioneller Werte. Die Fesseln seiner gedrückten, streitsüchtigen Herkunft begannen sich zu lockern.“9

Er arbeitete zunächst im Dorf Bernried bei Tettnang, wanderte dann gemächlich in Richtung Friedrichshafen und genoss auf diese Weise praktisch den ersten Urlaub seines Lebens. In seiner Vernehmung berichtete er später:

„Von Bernried bis Friedrichshafen war ich ungefähr 1 Woche zu Fuß unterwegs. Ich übernachtete in Wirtschaften und fragte auf dem Weg verschiedentlich vergeblich nach Arbeit. Auf dieser Wanderschaft war ich immer allein. Gebettelt oder hausiert habe ich weder damals noch später. Die Wirtshausrechnungen habe ich von meinen Ersparnissen bezahlt.“10

Er fand eine Anstellung bei Dornier in Manzell, wo er bei der Montage von Propellern arbeitete. Dabei verdiente er durch Akkordarbeit und Überstunden mehr als jemals davor.

Dann schloss sich Elser einem Kollegen an, der Mitglied in einem...

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