Die Bedeutung der WTO für die Liberalisierung des Welthandels: Aufarbeitung einer Kontroverse

Die Bedeutung der WTO für die Liberalisierung des Welthandels: Aufarbeitung einer Kontroverse

von: Leonid Borin

Diplomica Verlag GmbH, 2014

ISBN: 9783842847033

Sprache: Deutsch

89 Seiten, Download: 1499 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Bedeutung der WTO für die Liberalisierung des Welthandels: Aufarbeitung einer Kontroverse



Textprobe: Kapitel 7, Verhaltensmuster in internationalen Wirtschaftsbeziehungen: Die Weltpolitik zeichnet sich durch anarchische Strukturen aus, d.h., es gibt keine zentrale, souveräne und mit Kompetenzen ausgestattete Regierung, die bestimmte Regeln und Normen durchsetzen könnte. Die Standardsicht nationaler Gesellschaften beschreibt daher internationale Institutionen als schwach. Politisch motivierte Protektionsbestrebungen sind weit verbreitet, sodass eine Kooperation keine Regel darstellt, sondern sich von Fragestellung zu Fragestellung und mit der Zeit ändert. Gegenseitigkeit oder Reziprozität als zentrales Element in den internationalen Handelsbeziehungen scheint eine wesentliche Rolle in der weltweiten Handelsliberalisierung zu spielen. Es stellt sich die Frage, ob die Erwartung der Einhaltung dieser Regel eine unilaterale Liberalisierung unter den Nichtmitgliedern ermöglicht. Aber auch die Anwendung dieses Prinzips unter den WTO-Mitgliedern wirft Fragen auf, z. B., warum unilaterale Liberalisierung Sinn machen kann. Immerhin ist die Regeldurchsetzungskraft der Organisation sehr beschränkt. Sie besitzt keine Souveränität und kann keinem Staat Regeln diktieren bzw. vor einem Regelmissbrauch schützen. Die beobachtete internationale Kooperation und Liberalisierung müsste daher ein endogener Prozess sein, an dessen Ende die Herausbildung einer internen Institution steht. 7.1, Kooperation als evolutionärer Prozess: Interaktionen haben zwischen den Subjekten oder Staaten einen spieltheoretischen Charakter. Der evolutorische Ansatz als solcher ist in der Literatur nicht unumstritten, aber durchaus mehrheitsfähig und kann an dieser Stelle behilflich sein, um empirisch gezeigte Phänomene analytisch zu erklären. Es wurden einige Untersuchungen von Thomas Crombie Schelling über die Entstehung der Koordination sowie von Robert Axelrod auf diesem Gebiet durchgeführt. Axelrod untersucht in seinen Arbeiten, u. a. in 'Die Evolution der Kooperation' und 'Conflict of Interest: An Axiomatic Approach', die Frage, wie Kooperation in einer anarchischen Welt von Egoisten ohne externe Koordinationsmechanismen entstehen kann. Unter der Berücksichtigung bestimmter Annahmen hat Axelrod eine Reihe von Computer-Turnieren durchgeführt, um herauszufinden, welche Strategie die besten Ergebnisse in einem iterierten Gefangenendilemma-Spiel generieren kann. In diesem Zusammenhang stellt Axelrod fest, dass das Programm TIT FOR TAT in wiederholten Spielen die höchsten Auszahlungen ermöglicht. Das Programm wies im Vergleich zu anderen Programmen wesentliche Erfolgseigenschaften, Einfachheit und Kooperationsbereitschaft, auf. Es begann das Spiel mit der Kooperation und tat danach das, was sein Gegner in der Vorrunde getan hat. TFT stellt daher jenes Verhaltensmuster dar, das eine Kooperation in Abwesenheit einer zentralen Regierung zwischen Egoisten ermöglichen könnte. Ausgehend von einem iterierten Gefangenendilemma kommt er zu dem Ergebnis, dass es drei Dimensionen gibt, die für den Erfolg bzw. Misserfolg der Kooperationsversuche unter Anwendung des TFT-Verhaltens in einem 'chaotischen' Umfeld verantwortlich sind. Hierbei handelt es sich um die Gemeinsamkeit der Interessenlage, den Schatten der Zukunft und die Gruppengröße. Axelrod geht von den Situationen aus, die den Charakter sowie die Auszahlungsstruktur eines Gefangenendilemmas haben. Zweifelsohne gibt es eine Reihe weiterer möglicher Spielkonstellationen wie z.B. das sog. Stag Hunt and Chicken Spiel, dessen Auszahlungsstrukturen oft von bestimmten unkontrollierbaren Ereignissen beeinflusst werden und ganz andere dominante Strategien der Spieler reflektieren. Die meisten handelspolitischen Interaktionen können aber grundlegend als Gefangenendilemma-Spiel interpretiert werden. Die internationalen Handelsbeziehungen finden in einer stochastischen Welt statt und zeichnen sich durch viele Unsicherheiten aus. Es gibt sehr viele Faktoren, die exogen vorgegeben und daher unkontrollierbar sind, wie z. B. zukünftige Renditen oder wirtschaftliche Schocks. In einem Gefangenendilemma-Spiel hilft allerdings die Unsicherheit über zukünftige Auszahlungen die Kooperation zu fördern. Je stärker die zukünftigen Auszahlungen relativ zu den gegenwärtigen gewichtet werden und je wahrscheinlicher es ist, denselben Spieler in den nächsten Interaktionsrunden zu treffen, desto kleiner ist der Anreiz, von dem kooperativen Pfad abzuweichen und zu defektieren. Übertragen auf die internationalen politisch ökonomischen Fragestellungen ist eine Vergeltung für die merkantilistischen Bestrebungen selbstverständlich jederzeit möglich. Ein rationaler Spieler, der solche Bestrebungen erwartet, wird bei der Ausgestaltung seines Reaktionszuges die Wahrscheinlichkeiten und mögliche Konsequenzen seines Handelns berücksichtigen. Der Charakter des Spiels und die Auszahlungsstruktur im iterierten Gefangenendilemma machen eine Defektion langfristig unattraktiv. Die kurzfristigen Vorteile einer 'single-shot' Defektion werden langfristig durch die Vergeltungsschritte des hintergangenen Spielers überwogen.

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