Almodóvar - Kino der Leidenschaften

Almodóvar - Kino der Leidenschaften

von: Christoph Haas

Europa Verlag, 2001

ISBN: 9783203841199

Sprache: Deutsch

189 Seiten, Download: 2337 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Almodóvar - Kino der Leidenschaften



VIII. FORTSETZUNG FOLGT (S.160-161)

Alles über meine Mutter ist der erste Film Pedro Almodóvars, der im Mai 1999 am Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes teilnimmt. Er erhält nicht die Goldene Palme, wohl aber die Goldene Kamera für die beste Regie. In den folgenden Monaten entwickelt der Regisseur sich, wie er es im Rückblick selbst formuliert, zu »einem professionellen Besucher von Preisverleihungen«. Alles über meine Mutter gewinnt – in fast allen Kategorien – alle namhaften europäischen und amerikanischen Filmpreise. Im März 2000 gelingt es im zweiten Anlauf dann auch, den Oscar für den besten ausländischen Film zu erringen.

Trotz der erheblichen Zeitverschiebung sitzt halb Spanien vor dem Fernseher, als Almodóvar die begehrte Trophäe in die Kameras hält: »Ich habe erklärt, daß ich diesen Preis der Kampagne für den Oscar, die meine Schwestern durchgeführt haben, verdanke. Ich wollte zeigen, daß ich aus einer anderen Kultur komme, und ich fand es amüsant, den Werbespezialisten in Hollywood zu sagen: ›Schauen Sie, das ist die Kampagne meiner Schwestern für den Oscar: Kerzen für alle Heiligen.‹ Ich habe angefangen, alle diese Heiligen aufzuzählen, für die meine Schwestern Kerzen angezündet hatten, aber leider hat die Musik eingesetzt, und ich glaube, das ist nicht verstanden worden.«

Schon mehrere Wochen vor der Oscar-Verleihung befindet sich Almodóvar auf einer ausgedehnten Reise durch die USA, die zunehmend einem Triumphzug gleicht. In dem Amerikanischen Tagebuch, das er für die Sonntagsbeilage von »El País« verfaßt, schildert er auch seine Begegnung mit Präsident Clinton, dem er sich mit einem lakonischen, wenn auch nicht ganz korrekten Satz vorstellt: »Ich heiße Pedro Almodóvar und mache Filme von neunzig Minuten Länge.« Erneut stellt sich auf dieser Reise die Frage, ob und wann der Regisseur einen Film in Hollywood drehen wird. 1988 hatte ihm Billy Wilder, der von Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs begeistert war, noch dringend hiervon abgeraten. Ange sichts der Begeisterung, die ihm nun allerorten entgegenschlägt, gerät Almodóvar aber wohl ins Nachdenken.

Tatsächlich dürfte er zur Zeit der einzige europäische Starregisseur sein, der in der Lage wäre, ein solches Abenteuer zu bestehen, ohne an seiner künstlerischen Integrität größeren Schaden zu nehmen. Bedroht wäre zwar die verbale und visuelle Freizügigkeit, die Almodóvar in Europa gewohnt ist. Für Hollywood tauglich ist sein Kino aber insofern, als es seine hohe Intellektualität nie ausstellt, sondern in Genreeffekten und Geschichten, die ein Massenpublikum ansprechen können, geschickt zu verbergen weiß – ganz so, wie es auch die von Almodóvar verehrten Meister Alfred Hitchcock und Douglas Sirk verstanden. Das Projekt, das den Regisseur mit Blick auf Dreharbeiten in den USA zunächst beschäftigt, ist die Verfilmung des Romans Paperboy von Pete Dexter. In der zweiten Hälfte des Jahres 2000 beschließt er jedoch, seinen spanischen Wurzeln in der nächsten Zeit nicht untreu zu werden und zeitgleich an zwei Originaldrehbüchern zu arbeiten. Die schlechte Erziehung (La mala educacíon) deutet auf einen Film mit autobiographischen Untertönen hin.

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