Komm ins Bett, Odysseus! - Warum der eigene Mann der Beste ist

Komm ins Bett, Odysseus! - Warum der eigene Mann der Beste ist

von: Katharina Grabner-Hayden

Verlag Carl Ueberreuter, 2015

ISBN: 9783800079285

Sprache: Deutsch

160 Seiten, Download: 1535 KB

 
Format:  EPUB

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Komm ins Bett, Odysseus! - Warum der eigene Mann der Beste ist



SCHULD SIND IMMER DIE HORMONE


Odysseus kam schweißgebadet und echauffiert von einem seiner waidmännischen Streifzüge zurück und ließ sich erschöpft am Küchentisch nieder.

»Du glaubst nicht, was ich gerade gesehen habe!«

»Einen schönen Rehbock?«

»Entschuldige, aber das heißt nicht schön, sondern kapital! Du wirst es wahrscheinlich nie lernen. Aber nein, es war kein Rehbock!«

Er griff gierig nach dem Glas kalten Wassers, das ich vorsorglich mit ein paar Baldriantropfen für seine plötzlich aufgetretene Kreislaufschwäche versehen hatte.

»Nun, dann waren es junge Füchse! Gott, wie süß!«

»Nein! Viel ärger! Als ich vom Hochstand heruntergeklettert war und zur Waldlichtung ging, sah ich auf der Anhöhe ein Auto!«

»Na und? Ist doch nicht weiter schlimm!«

»Nicht das Auto war schlimm, sondern was sich darin gerade abspielte!«

Ich ließ den Kochlöffel fallen, jetzt wurde es interessant.

»Weiter, weiter!«

»Das Auto war wie in dem Film Titanic mit Feuchtigkeit beschlagen. Das Rütteln und Schütteln wurde von wildem Gestöhne begleitet, das man durch den gesamten Wald hören konnte. WAAAHHNNNSSIINN!«

»Was ist denn daran so wahnsinnig, wenn sich zwei Menschen inniglich lieben?«, fragte ich meinen geschockten Mann. Meine Güte, hatte Odysseus tatsächlich die jugendlichen Abenteuer in unserem alten VW-Käfer vergessen?

»Es war ja auch nicht wahnsinnig, dass sie sich liebten, sondern wo sie sich liebten!«

»In besagtem Auto, na und?«

»Der Wahnsinn war das Auto! Schatz, es war ein Mini!«

»Ein Mini? Oh, mein Gott!«

Er hatte recht. Ich griff nach seinem Wasserglas und trank den Baldrian in einem Zug hinunter. Das war wirklich ein Wahnsinn! Das hatten wir früher nie geschafft.

Schon in Jugendjahren kämpfte ich gegen meine opulenten Maße einer Walküre und auch Odysseus konnte seine nordische Abstammung nicht verleugnen. Ein VW-Käfer war das Äußerste, was wir unseren Knochen und Eingeweiden angetan hatten.

Schweigend – der Baldrian tat offensichtlich seine Wirkung – saßen wir am Tisch, hielten einander die Hände und träumten von wilden, aber längst vergangenen Zeiten.

Das Liebesleben eines Paares ist mit einem Ringelspiel vergleichbar, einmal oben, einmal unten. Kurzum: Je älter man wird, desto angenehmer wird Bodennähe empfunden. Das liegt sicherlich an den Hormonen, was sonst?

Herrscht in den ersten Jahren der Zweisamkeit unerschöpfliche Triebhaftigkeit vor, die leidenschaftlich und hingebungsvoll an jedem nur erdenklichen Ort ausgelebt wird, liegen nach ein paar Jahren die Kinder im ehelichen Bett und töten mit ihrer Anwesenheit jeden Funken von Begierde.

Gut, erfahrene Ehepaare können auch das meistern. Man begegnet sich liebevoll auf Waschmaschinen oder auf der Werkbank in der Garage. Auch, dass neben dem üppigen Testosteron- und Östrogenspiegel des Partners im Laufe der Zeit das angenehmere und bequemere Oxytocin entsteht, stört nicht weiter.

Dazu ist es ja da, das Oxytocin, ein Bindungshormon, das jeden Ärger über den Geliebten verfliegen lässt, wenn dieser schon vor dem Vorspiel meint: «Schatzilein, geht’s morgen in der Früh? Ich bin schon soooooo müde!«

Von der Fachwelt wird dieser Zustand gegenseitigen Verständnisses auch als Liebe bezeichnet. Und die wird immer größer, ich meine den Oxytocinspiegel, worunter eindeutig die Triebe und die Erotik leiden. Sind dann die Kinder endlich außer Haus und die Hunde in ihren Körben, hätte man dafür nun wieder richtig schön Zeit.

Nur leider spielt zu diesem Zeitpunkt der Bewegungsapparat nicht mehr mit. Die Muskeln schwinden und auch die verkürzten Sehnen lassen das nach Erotik ausgehungerte Paar nur noch von raffinierten Praktiken aus dem Kamasutra träumen.

Und weil wir beide, Odysseus und ich, uns weder von Hormonen, noch von Müdigkeit und sonstigen Wehwehchen unser Liebesleben diktieren lassen wollten, hatten wir schon früh damit begonnen, etwas gegen den schleichenden Alterungsprozess zu tun.

Viermal die Woche gingen wir Laufen und zweimal in ein Fitnessstudio. Geistig nährten wir uns von Büchern, verzichteten – ungern, aber doch – auf Alkohol und tauschten uns bei langen Spaziergängen intensiv aus. Wir lebten glücklich, kamen aber nie über das protestantische Eheverständnis eines Martin Luther – In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr! – hinaus. Unschuldig wie katholische Kinder eben sind, schliefen wir wie Hänsel und Gretel bereits um zweiundzwanzig Uhr friedlich umschlungen ein.

Und nun erzählte mir mein Geliebter diese unglaubliche Geschichte mit dem Mini.

»Sind wir denn wirklich schon so alt?«

Ich war über die Tatsache erschüttert, dass wir aus Bequemlichkeit auf das Schönste – neben gutem Essen – im Leben so leichtfertig verzichteten.

»Nein!«, kam männlich und überzeugt über den Tisch geflogen. Aber statt mich ins Bett zu zerren, stand Odysseus auf, nahm sein Handy und fing zu telefonieren an. Während ich die Küche in Ordnung brachte und die Balkonpflanzen goss, hörte ich im Haus reges Treiben. Gläser und Flaschengeklirre und wildes Rascheln aus der Speisekammer. Gott, wie ich Überraschungen liebe!

Kurze Zeit später saßen wir in unserem Auto – übrigens kein Mini!!! – und fuhren wie in früheren Zeiten in ein Abenteuer, von dem sich mein Mann einiges erhoffte.

Ich solle ihm einfach vertrauen, meinte er geheimnisvoll. Das tat ich, immerhin hatte ich ja auch einen hohen Oxytocinspiegel.

»Du denkst aber hoffentlich an meine kaputten Bandscheiben!«, warnte ich ihn eindringlich, als er mir eine schwarze Augenbinde über das Gesicht schob.

»Natürlich, mein Schatz! Und deinen Meniskus hab ich auch miteinkalkuliert!«

»Du bist so süß!« Ich ließ mich mit diesen Worten an der Hand zu einem schaukelnden Irgendwas führen. Vorsichtig zog mich Odysseus über einen kleinen Steg und bat mich, auf einer weichen Decke Platz zu nehmen. Ich hörte leichtes Wassergesäusel und mit einem kleinen Ruck strömte angenehme Schwerelosigkeit durch meinen Körper.

Er löste vorsichtig die Augenbinde und gab mir einen dicken Kuss auf die Stirn. Wie herrlich! Wir saßen in einem Boot, einem Elektroboot, das lautlos über die ruhige Oberfläche eines Stausees glitt.

»Odysseus, ich liebe dich! Das ist so aufmerksam von dir!«

»Gefällt dir die Überraschung, mein Schatz?«

»Und wie! Aber wie kommst du auf die Idee, mit mir Boot zu fahren?«

Während er zwei Gläser aus der Kühltasche zog und diese reichlich mit Sekt füllte, meinte er in mein erstauntes Gesicht: »Wir zwei hätten so einen Ausflug schon hundertmal machen sollen!« Wir seien für derlei Späßchen und Abenteuer nicht zu alt! Warum sollten nur junge Leute das Leben happy und easy nehmen?

»Ich habe an die zwei jungen Leute im Mini gedacht, und weil es für uns beide in unserem Auto einfach nicht bequem ist, kam ich auf die Idee einer Bootsfahrt!«

Wir ließen die Gläser klirren und fuhren geradewegs in unser Abenteuer. In der Mitte des Stausees hatten wir bereits die zweite Flasche Sekt geöffnet und den Kaviar mit Weißbrot verspeist, als mir die Distanz zum Ufer nun doch etwas Furcht einflößte. Mir wurde schummrig.

»Wie kann man eigentlich mit einem Elektroboot bremsen?«, fragte ich meinen Kapitän, der sich bereits seiner Kleider entledigt und diese gefährlich nahe an die Reling gelegt hatte.

»Bremsen? Keine Ahnung, es fährt und fährt und fährt bis kein Strom mehr da ist!« Er bekam einen Lachanfall. Offensichtlich wirkte der Sekt.

»Und?«, fragte ich ängstlich nach, »Dann können wir ja nicht mehr zurückfahren! Oder?«

»Ist das nicht wunderbar? Wir lieben uns auf hoher See und sterben danach!«, seine Augen funkelten erwartungsvoll.

Ich trank wieder einen großen Schluck aus meinem Glas. Wenn ich schon sterben sollte, dann wollte ich es zumindest nicht mitbekommen.

»Komm, meine kleine Meerjungfrau, zieh deine Klamotten aus!« Schon war ich von Poseidon gefangen genommen und gab mich seinen Verführungskünsten hin.

Wild schaukelte das Boot auf den Wellen, die geleerten Flaschen fielen ins Wasser, was wir in unserem Liebesrausch nicht merkten, und auch die Kleidung war in der dunklen Flut versunken. Das kleine Traumschiff fuhr und fuhr in die Weiten des Sees hinaus. Uns wurde die herrliche Irrfahrt erst bewusst, als wir schon längst in den Eisenstäben des Stauseeabflusses hängen geblieben waren. Mit einem starken Ruck war das Boot im Gitter gefangen.

»Komm süßer Tod!«, waren die letzten Worte meines Wassergottes, dann schlief er ein.

Nach Stunden wurden wir von der örtlichen Wasserrettung und der Feuerwehr geborgen. Nackt, unterkühlt und voller Mückenstiche hatten uns die...

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