BITCOIN - Geld ohne Staat - Die digitale Währung aus Sicht der Wiener Schule der Volkswirtschaft

BITCOIN - Geld ohne Staat - Die digitale Währung aus Sicht der Wiener Schule der Volkswirtschaft

von: Aaron Koenig

FinanzBuch Verlag, 2015

ISBN: 9783862487318

Sprache: Deutsch

208 Seiten, Download: 9048 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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BITCOIN - Geld ohne Staat - Die digitale Währung aus Sicht der Wiener Schule der Volkswirtschaft



© Shutterstock

Kapitel 1  La Revolución Bitcoinista

Zum Einstieg: Bitcoin in Argentinien

»Cambio, cambio, cambio« – in der Fußgängerzone im Zentrum von Buenos Aires wird man ständig von Geldwechslern angesprochen. Der Kauf von Dollar und Euro ist in Argentinien streng reglementiert. Wer ins Ausland reisen will, muss sein Ticket und seine Steuererklärung vorlegen, um vom Staat ein paar Dollar zugeteilt zu bekommen. Daher blüht der Schwarzmarkt. Die frei gehandelten Dollar werden hier allerdings nicht »schwarz«, sondern ganz patriotisch nach der Nationalfarbe »blau« genannt. Dollar auf dem freien Markt zu tauschen, ist für Argentinier völlig normal, auch wenn es offiziell verboten ist. Der Kurs des Blue Dollar ist auf zahlreichen Websites abrufbar, und auch auf den Finanzseiten der Tagespresse wird regelmäßig über seine Entwicklung berichtet.

In Argentinien ist Bitcoin besonders populär

© Clément Magnin

Inflation und gesperrte Konten

Argentinier trauen aus gutem Grund weder dem monatlich im Wert schrumpfenden Peso, noch der Regierung, noch den Banken. Wer Geld sparen will, kauft sich auf dem »blauen Markt« Dollar und versteckt sie bei sich zu Hause. Auf keinen Fall lässt man größere Summen auf dem Bankkonto liegen. Zu frisch ist die Erinnerung an den Corralito (wörtlich: »das Ställchen«) von 2001, als die Regierung alle Bankkonten fast ein Jahr lang einfror, den Peso massiv abwertete und so kurzerhand einen großen Teil der Ersparnisse der Bürger vernichtete. Etwas Ähnliches passierte in kleinerem Maßstab auch in Zypern im März 2013. Doch während viele Europäer das vermutlich für einen Ausnahmefall halten, haben die Argentinier gelernt, ihr Geld besser nicht dem Staat oder den Banken anzuvertrauen. Zu oft schon haben sie ihr Erspartes durch Inflation, Staatsbankrotte und Währungsreformen verloren.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Argentinien eine der reichsten Nationen der Welt und »rico como un Argentino« (reich wie ein Argentinier) im Spanischen eine gängige Redewendung. Doch Politiker haben mit massiven Staatseingriffen, Preiskontrollen und Währungsmanipulationen das einst so wohlhabende Land heruntergewirtschaftet. So ist es sicher kein Zufall, dass es in Argentinien heute eine besonders florierende Bitcoin-Szene gibt. Geld, das vom Staat nicht manipuliert werden kann und für das man keine Bank braucht – Argentiniern muss man nicht lange erklären, warum so etwas sinnvoll ist.

Der Espacio Bitcoin

Nicht weit von den »Blaugeldwechslern«, in bester Innenstadtlage von Buenos Aires, steht ein vierstöckiger Altbau mit rund 500 Quadratmetern Mietfläche, in dem zahlreiche Bitcoin-Firmen ihren Sitz haben: der Espacio Bitcoin. Im Erdgeschoss befindet sich ein Restaurant im Piratenlook, in dem die Kellner rote Kopftücher und schwarze Westen tragen, und in dem die Gäste selbstverständlich mit Bitcoin bezahlen können. »In Europa würde der Eigentümer seine Bitcoin-Einnahmen vermutlich sofort in Euro umtauschen«, sagt Rodolfo Andragnes, einer der Gründer und Betreiber des Espacio Bitcoin. »Hier behält er die Bitcoins lieber. Zwar geht der Bitcoin-Kurs mal rauf, mal runter, doch beim Peso kann man sicher sein, dass er an Wert verliert.«

500 Quadratmeter im Zentrum von Buenos Aires: Der Espacio Bitcoin

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Bitcoin-Zahlung im Puerto Pirata

© Clément Magnin

Mit seinem iPhone scannt Rodolfo den QR-Code auf dem Bildschirm an der Kasse, mit einem Klick sind die Bitcoins für Steak und Pommes überwiesen. »Ich zahle, wo immer es geht, mit Bitcoins«, sagt Rodolfo, der bereits 1998, also zehn Jahre vor der Erfindung von Bitcoin, die Domain bitcoins.com reserviert hatte. 2012 verkaufte er sie an die damals führende Bitcoin-Börse Mt. Gox – für Bitcoins natürlich. Mit der Entwicklung der digitalen Währung habe er jedoch nichts zu tun, versichert der 38-Jährige. Auch deren Erfinder Satoshi Nakamoto habe er weder kennengelernt, noch zur Namensgebung der binären Münze inspiriert. Umso engagierter setzt er sich heute für die Verbreitung von Bitcoin ein. Er ist Mitgründer von Bitcoin Argentina, einer gemeinnützigen Organisation, die über Bitcoin aufklärt. Außerdem organisiert er die lateinamerikanische Bitcoin-Konferenz, die 2013 in Buenos Aires, 2014 in Rio de Janeiro stattfand.

Die Gründer von Bitcoin Argentinia im Puerto Pirata

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Öffentliches Treffen im Espacio Bitcoin

© Clément Magnin

»Ich möchte, dass meine Kinder in einer Welt ohne Angst vor Inflation und eingefrorenen Konten aufwachsen«, begründet Rodolfo, der mit Frau, Sohn und Tochter in einem Vorort von Buenos Aires wohnt, sein Engagement für das staatenlose Geld. Den Espacio Bitcoin hat er zusammen mit Diego Gutiérrez Zaldivar und Franco Amati angemietet, die auch Mitgründer von Bitcoin Argentina sind. Die drei haben sich über die regelmäßigen Bitcoin-Treffen kennengelernt, die seit Anfang 2013 in Buenos Aires stattfinden.

»Im Espacio Bitcoin sitzen viele Bitcoin-Firmen unter einem Dach, man kann Erfahrungen austauschen und an Projekten zusammenarbeiten«, erklärt Diego, der schon als 16-Jähriger sein erstes Internet-Unternehmen gründete. »Außerdem organisieren wir in unserem Event­raum oder auf der großen Dachterrasse Veranstaltungen, auf denen sich jeder über Bitcoin informieren kann.«

Franco Daniel Amati und Rodolfo Andragnes im Espacio Bitcoin

Tipp 1: Was kann ich für Bitcoins kaufen?

Es gibt mittlerweile rund 100.000 Online-Shops, bei denen man mit Bitcoins bezahlen kann, Tendenz stark steigend. In Deutschland kann man sich zum Beispiel über lieferservice.de Essen bei über 8000 Restaurants bestellen und mit Bitcoins zahlen. Flugtickets und Hotelzimmer gibt es bei btctrip.com oder Expedia, Computer bei Dell.com. Eine recht gute Übersicht bietet die Website usebitcoins.info. Auch Läden in der realen Welt, in denen man mit Bitcoins zahlen kann, sind dort auf einer Landkarte angezeigt. Noch etwas besser sortiert ist bei realen Orten die Website coinmap.org. In Berlin gibt es seit Anfang 2013 den sogenannten Bitcoin-Kiez: Rund um die Graefestraße in Kreuzberg akzeptieren etwa 20 Bars, Cafés, Restaurants und Geschäfte Bitcoins. Überall dort kann man natürlich ebenso gut mit Euro bezahlen. Einen wirklichen Mehrwert bringt der Einsatz von Bitcoins, wenn man mit Freelancern oder Unternehmen auf anderen Kontinenten zusammenarbeitet, denn Banküberweisungen außerhalb Europas sind sehr teuer und dauern lang. Hier kann man mit Bitcoins viel Geld und Zeit sparen.

Hotspot Buenos Aires

Sieben Bitcoin-Firmen haben sich bereits im Espacio Bitcoin angesiedelt. Auch der US-amerikanische Zahlungsdienstleister Bitpay, mit rund 30 Millionen Dollar Investmentkapital und über 50.000 Kunden einer der Platzhirsche der Bitcoin-Szene, hat hier seine Lateinamerika-Zentrale. Die Bitpay-Software wird größtenteils in Argentinien entwickelt, denn die Gehälter für gut ausgebildete Programmierer sind hier deutlich niedriger als in den USA oder Europa. Buenos Aires ist zurzeit einer der Hot Spots der weltweiten Bitcoin-Wirtschaft. Während in USA und Europa Bitcoin von vielen noch als Spielgeld für Computerfreaks belächelt wird, sind den Argentiniern die Schwächen des herrschenden Geldsystems nur zu bewusst.

»In der Zeit des Corralito haben viele Menschen viel Geld verloren, auch in meiner Familie und in meinem Freundeskreis hat es einige hart getroffen«, erzählt Diego Gutiérrez, der heute einen Investmentfonds für digitale Währungen betreibt. »Man konnte überall eine große Traurigkeit spüren, und ich glaube, dass dieser Schock immer noch nachwirkt. Die Menschen sind hier deshalb sehr viel offener für Alternativen zu Banken und Staatsgeld als in Ländern, in denen der letzte Staatsbankrott länger zurückliegt.«

Auch in Argentinien benutzen bisher nur relativ wenige Menschen Bitcoins. Wie überall brauchen auch hier Innovationen ihre Zeit, um sich durchzusetzen. Noch sind Dollarnoten unter der Matratze die bevorzugte Anlagemethode der Argentinier. Doch je verzweifelter die Regierung gegen den Handel mit Dollar und den Schmuggel von Bargeld vorgeht – sogar speziell trainierte Hunde werden an Landesgrenzen und Flughäfen eingesetzt – desto attraktiver wird Geld, das von keinem Hund erschnüffelt und von keinem Grenzkontrolleur gefunden werden kann.

Bitcoins für Pesos

In einem Café gegenüber dem Obelisken, einem der Wahrzeichen der argentinischen Hauptstadt, trifft Dante Castiglione regelmäßig Kunden, die bei ihm Bitcoins gegen Pesos tauschen. »Als ich von Bitcoin erfuhr, habe ich eine Softwarefirma gegründet, die für Bitcoins arbeitet«, erzählt er. »Wir wollten ein paar davon verkaufen und stellten fest, dass die Nachfrage groß war. So haben wir beschlossen, professionell mit Bitcoins zu handeln – und das Geschäft läuft sehr...

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