Mörderhitze - Ein Kroatien-Krimi

Mörderhitze - Ein Kroatien-Krimi

von: Eva Gründel

Haymon, 2015

ISBN: 9783709936467

Sprache: Deutsch

344 Seiten, Download: 6486 KB

 
Format:  EPUB

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Mörderhitze - Ein Kroatien-Krimi



1. Kapitel


Elena war nervöser, als sie es sich eingestehen wollte. Acht Uhr früh! Sie hatten noch nicht einmal in Dubrovnik angelegt, und in wenig mehr als einer Stunde sollte das Flugzeug aus Mailand landen. Mit dem Industriellen an Bord, der sie für einen zehntägigen Törn entlang der kroatischen Küste engagiert hatte. Ein ungewöhnlicher Auftrag, der sich gänzlich von der Routine ihrer sonstigen Reiseleiter-Jobs unterschied. Und jetzt das. Statt wie angekündigt die Nachmittagsmaschine zu nehmen, hatte Leonardo Mancuso im letzten Moment umdisponiert und den Frühflug gebucht. Oder besser gesagt: von seiner Sekretärin buchen lassen, die Elena ärgerlicherweise erst jetzt verständigt hatte.

Bei ihrer spontanen Zusage war ihr die Aufgabe, eine luxuriöse Segeltour noch luxuriöser zu gestalten, denkbar einfach erschienen. Auch wenn sie ihr Wissen über die Sehenswürdigkeiten Kroatiens ebenso im Schnellverfahren auffrischen musste wie die Informationen, wo man entlang der Route die schönsten Badebuchten und die besten Restaurants fand.

Jetzt aber war sich Elena alles andere als sicher, ob sie sich nicht überschätzt hatte. Dieser Leonardo Mancuso war schließlich nicht irgendwer, sondern sogar ihr ein Begriff. Wie er aussah, wusste sie aus der italienischen Klatschpresse, die in schöner Regelmäßigkeit über die neuesten Schmuckkreationen aus dem Hause Mancuso berichtete – oft bebildert mit Aufnahmen vom Chef, der sich gern an der Seite attraktiver Blondinen zeigte.

Diesmal aber kam er allein, es sei denn, er hatte sich auch das im letzten Moment anders überlegt. Wahrscheinlich reiste er aus Rücksicht auf seine Tochter ohne Begleitung, vermutete Elena, die sämtliche Daten der zu erwartenden Gäste inzwischen auswendig kannte.

Mit ihren 25 Jahren hätte Francesca Mancuso auch ihre Tochter sein können und ihr nur um weniges älterer Freund ihr Sohn. Elena spürte einen Anflug von Wehmut. Eigene Kinder – irgendwie war es dafür immer zu früh oder zu spät gewesen, und seit es einen Giorgio Valentino in ihrem Leben gab, war der Zug ohnedies unwiderruflich abgefahren.

Unbewusst straffte sie die Schultern. An Giorgio wollte sie später denken, erst nach dieser Reise, keine Minute früher. Im Moment hatte sie wahrlich andere Sorgen. Wieder beschlichen sie Zweifel, ob sie sich nicht blamieren würde. Auf Sizilien kannte sie jeden Stein und absolvierte ihre Führungen mit Bravour, hier aber fühlte sie sich selbst als Touristin, was nicht gerade die ideale Voraussetzung für eine professionelle Reise­leitung war.

»Alles in Ordnung, Elena?« Dragos besorgter Tonfall holte sie endgültig in die Gegenwart zurück. Ihr Skipper aus Rovinj, mit dem sie seit nunmehr drei Tagen von Istrien aus die dalmatinische Küste entlanggesegelt war, sah ihr die Nervosität offenbar von Weitem an. »Reg dich nicht unnötig auf, wir haben alles unter Kontrolle. Während wir die Leute vom Flughafen abholen, bewacht Mirko das Boot, damit keiner uns den Champagner stiehlt. Oder gar deine kostbaren Unterlagen.«

Drago Magdalenic und sein Neffe Mirko Babic – die beiden waren wirklich ein Glücksfall. Vom ersten Moment an hatte sich Elena mit dem erfahrenen Skipper und dem Schiffsjungen, die als Istrianer perfekt Italienisch sprachen, bestens verstanden. Mit Touristen durch die Adria zu schippern, war Dragos gut bezahltes Hobby, denn nach den Sommerferien würde er wieder unterrichten. Als Professor für Italienisch und Deutsch am Gymnasium von Rovinj.

Vom Meer aus hatte sich Elena Dubrovnik noch nie genähert. Sie kannte die Stadt noch aus der Zeit vor dem Balkankrieg, in dem vieles im historischen Zentrum zerstört worden war.

»Jetzt ist alles wieder wie früher«, hatte Drago versichert. »Hat zwar Unsummen gekostet, aber ein Kulturerbe der Menschheit muss der Welt schon was wert sein.«

Keine zehn Minuten später legte der Katamaran unterhalb der mächtigen Festungsmauern an. Im alten Hafen zu ankern, war ein Privileg, für das man gute Beziehungen zur Kommandantur benötigte. Wie Drago, der offenbar überall die richtigen Leute kannte.

»Für den Flughafenbus ist es zu spät, wir müssen ein Taxi nehmen«, stellte Elena nach einem Blick auf ihre Armbanduhr fest.

Drago sah sie erstaunt an. »Ich hatte nie etwas anderes vor. Warum um alles in der Welt wolltest du einem Millionär beim Sparen helfen?«

»Weil die Reichsten normalerweise die Geizigsten sind«, stellte Elena lakonisch fest, nachdem Drago dem Fahrer ihr Ziel genannt hatte. »Aber vielleicht ist dieser Mancuso ja eine Ausnahme. Bisher hat er von allem nur das Teuerste ausgesucht. Den Katamaran in Luxusausführung, das exquisiteste Catering …«

»… und dazu die brillanteste Reiseleiterin und den besten Skipper«, lachte Drago. »Ich habe übrigens einen vernünftigen Fahrpreis ausgehandelt, aus Prinzip. Touristen zahlen um einiges mehr, und auch wenn du jeden Cent abrechnen kannst …«

»Siehst du den Chauffeur vom Limousinen-Service hier irgendwo?«, unterbrach ihn Elena, als das Taxi mit einem beruhigenden Zeitpolster vor der Ankunftshalle des Flughafens anhielt. »Man hat mir einen weißen Mercedes versprochen, eine Luxuskarosse, in der fünf Personen bequem Platz haben.«

»Wieso fünf, mit dir seid ihr doch sieben?«

»Mach mich nicht verrückt. Leonardo Mancuso kommt allein, sein Gast, ein gewisser Yannis Zammit, ebenfalls. Bleiben noch die Tochter Mancuso und ihr Verlobter. Das Ehepaar Vukovic steigt erst in Split zu, habe ich dir das nicht gesagt?«

»Hast du nicht, aber egal. Das heißt, dass ich mich jetzt um das Gepäck von einer Frau und drei Männern kümmern muss. Dafür brauche ich keinen Kombi, ein gewöhnliches Taxi wird genügen. Dort drüben parkt übrigens gerade ein großer weißer Wagen ein, das dürfte deiner sein. Ich kann das für dich checken. Du bleibst am besten in der Halle, denn wenn ich die Durchsage richtig verstanden habe, ist die Maschine bereits gelandet. Eine Viertelstunde zu früh. Habe ich hier auch noch nicht erlebt, aber man lernt ja nie aus.«

Soll er sich ruhig über meinen Pünktlichkeitswahn lustig machen, sagte sich Elena, als sie Drago nachblickte, der in aller Ruhe zum Ausgang schlenderte. Sogar von hinten sieht dieser Mann gut aus, stellte sie nicht zum ersten Mal fest. Am besten aber gefiel ihr Drago im Halbprofil, da kamen seine dunklen, fast schwarzen Augen ebenso zur Geltung wie seine schmale, leicht gebogene Nase oder die vollen, ungewöhnlich roten Lippen. Und selbst im Alter würde er sich nicht vor einer Glatze fürchten müssen, solche Haare sind wie Schweinsborsten, die fallen nicht so leicht aus.

Unter anderen Umständen wäre dieser Drago Magdalenic eine Todsünde wert, gestand Elena sich ein. So hätte sich zumindest ihre Mutter ausgedrückt, die das Faible für fesche Männer mit ihrer Tochter teilte. Aber etwas Dümmeres, als ein Verhältnis mit einem Kollegen anzufangen – und das noch dazu am Beginn eines Törns, bei dem man auf engstem Raum und aufeinander angewiesen war –, hätte ihr wohl nicht einfallen können. Und außerdem gab es da noch Giorgio …

Rasch wischte sie den Gedanken an ihren Lebensgefährten beiseite und lauschte der auf Englisch wiederholten Ansage, die für sie ebenso unverständlich klang wie die kroatische zuvor. Da hatte man den im Krieg zerstörten Flughafen zur Gänze neu errichtet, aber bei Details gespart! Lautsprecher mussten wirklich nicht pfeifen oder krachen, sodass man kein Wort mehr verstand. Vorsichtshalber sah sich Elena nach dem Informationsschalter um. War die Maschine aus Mailand tatsächlich bereits gelandet?

Die Antwort erübrigte sich, als die Türen zur Ankunftshalle zur Seite glitten. Der Mann, der als Erster herauskam und sich suchend umblickte, war Leonardo Mancuso. Auch wenn Elena den auf den Illustriertenfotos stets konservativ gekleideten Industriellen in dieser Freizeitausführung erst auf den zweiten Blick erkannte: weißes T-Shirt, rote Leinenhose, Sneakers – und auf dem Kopf ein weißer Strohhut mit schwarzem Band. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht mit einem Millionär, der sich als gewöhnlicher Tourist verkleidete. Irritiert hob Elena die Hand zur Begrüßung.

Als sie ihre kleine Gruppe zur bereitstehenden Limousine führte, hatten sie die erste Panne bereits hinter sich. Ausgerechnet Leonardo Mancusos Koffer war verschollen, ein Ärgernis, das er mit erstaunlichem Gleichmut hinnahm.

»Solche Sachen passieren nun einmal, Elena. Ich darf Sie doch so nennen?«

Weshalb fragte er überhaupt? Dieser Mann machte ohnedies nur das, was er wollte, und keiner widersprach ihm. Der geborene Chef, das war Elena von der ersten Sekunde an klar gewesen. Mit jener undefinierbaren Ausstrahlung, die sich um kein Geld der Welt kaufen lässt: liebenswürdig und sympathisch – aber stahlhart, wenn es darauf ankam. Das sollte ich besser nie vergessen, ermahnte sie sich.

»Ich kann Leute nicht ausstehen, die sich im Urlaub über jede Kleinigkeit aufregen. Das gehört doch dazu, dass auf Reisen unerwartete Dinge passieren. Angenehme und unangenehme. Wer das nicht einkalkuliert, bleibt besser zu Hause. Aber jetzt zum Tagesprogramm. Was schlagen Sie vor, Elena?«

»Eine Führung durch das historische Zentrum, anschließend Mittagessen in einem der Lokale in der Altstadt. Dann können Sie immer noch entscheiden, ob wir über Nacht in Dubrovnik bleiben oder bereits heute Nachmittag in die...

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