Komplikationen und Folgeerkrankungen nach Schlaganfall - Diagnostik und Therapie der frühen und späten klinischen Funktionseinschränkunge

Komplikationen und Folgeerkrankungen nach Schlaganfall - Diagnostik und Therapie der frühen und späten klinischen Funktionseinschränkunge

von: Gerhard Jan Jungehülsing, Matthias Endres

Georg Thieme Verlag KG, 2015

ISBN: 9783131982711

Sprache: Deutsch

216 Seiten, Download: 4884 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Komplikationen und Folgeerkrankungen nach Schlaganfall - Diagnostik und Therapie der frühen und späten klinischen Funktionseinschränkunge



1 Kardiale Komplikationen nach Schlaganfall


K. G. Häusler, M. Endres, G. J. Jungehülsing, W. Haverkamp

1.1 Interaktionen zwischen Herz und Hirn


Für die klinische Praxis sind Interaktionen zwischen Herz und Hirn in vielerlei Hinsicht relevant. Man kann davon ausgehen, dass 20–30% aller ischämischen Schlaganfälle durch eine kardiale Emboliequelle verursacht werden ▶ [395], was für die Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls von großer Bedeutung ist (▶ [109], ▶ [612], ▶ [303]).

Merke

Risikofaktoren für eine zerebrale Ischämie

Unabhängige kardiovaskuläre Risikofaktoren für einen ischämischen Schlaganfall sind Vorhofflimmern (Risikoerhöhung 4- bis 5-fach), eine chronische Herzinsuffizienz (2- bis 3-fach), ein Myokardinfarkt oder eine Endokarditis.

Darüber hinaus können jedoch auch im Zuge eines akuten Schlaganfalls oder im Rahmen von schlaganfallassoziierten Prozeduren für die weitere Prognose relevante kardiale Komplikationen auftreten ▶ [677].

1.1.1 Überblick


Dass im Zuge eines akuten Schlaganfalls kardiale Veränderungen und weitere Komplikationen auftreten können, ist seit über 100 Jahren bekannt.

Merke

Kardiale Komplikationen nach Schlaganfall

Kardiale Komplikationen nach einem Schlaganfall sind häufig und relevant für die (Kurz- und Langzeit-) Prognose der Patienten.

Bereits 1903 wurden kardiale Komplikationen im Zusammenhang mit einer intrazerebralen Blutung (ICB) beschrieben ▶ [156]. Vor über 60 Jahren wurden erstmals EKG-Veränderungen nach einer Subarachnoidalblutung (SAB; ▶ [105]) bzw. nach einem ischämischem Schlaganfall beschrieben ▶ [97]. Eine nach einem akuten Schlaganfall einsetzende autonome Imbalance mit konsekutiver neurogen vermittelter kardialer Schädigung wird seit etwa 20 Jahren diskutiert ▶ [541]. Als maßgeblich verantwortlich hierfür wird eine Schädigung autonomer Regulationszentren im Gehirn angenommen, die im Tiermodell in der Inselregion, in der Amygdala und im lateralen Hypothalamus lokalisiert wurden ▶ [122]. Bereits in den frühen 90er-Jahren wurden auch beim Menschen nach Stimulation der Inselregion komplexe Rhythmusstörungen beschrieben (▶ [540], ▶ [542], ▶ [507]).

Merke

Kardiale Komplikationen nach Schlaganfall

Die wichtigsten kardialen Komplikationen nach Schlaganfall sind:

  • akuter Myokardinfarkt,

  • isolierte Troponinerhöhung und EKG-Veränderungen wie passagere Repolarisationsstörungen,

  • Tako-Tsubo-Kardiomyopathie,

  • Herzrhythmusstörungen (HRST),

  • Herzinsuffizienz,

  • arterielle Hyper- und Hypotonie,

  • erhöhte kardiovaskuläre Mortalität, plötzlicher Herztod.

Aufgrund von prospektiven Studien ist davon auszugehen, dass derzeit etwa 17–20% aller Patienten mit akutem ischämischen Schlaganfall in den ersten Wochen nach dem Ereignis eine klinisch relevante kardiale Komplikation entwickeln (wie beispielsweise einen Myokardinfarkt, eine Herzinsuffizienz oder eine ventrikuläre Tachykardie) oder aufgrund einer kardiologischen Erkrankung versterben, was bei etwa 2–6% der Betroffenen der Fall ist (▶ [4], ▶ [574], ▶ [600]).

Eine prospektive Beobachtung legt den Schluss nahe, dass nach ischämiebedingter zerebral insulärer Schädigung mit einem etwa 2- bis 3-fach erhöhten Risiko für kardiale Komplikationen gerechnet werden muss ▶ [416]. In der Akutphase einer SAB wurden im Vergleich zur zerebralen Ischämie höhere kardiale Komplikationsraten beschrieben ▶ [438]. Für die Akutphase einer ICB liegen hingegen vergleichsweise wenige Daten vor (▶ Tab. 1.1).

Tab. 1.1 Häufigkeit kardialer Komplikationen nach akutem Schlaganfall.

Ischämie

SAB

ICB

Literatur

Myokardinfarkt

0,5–3,6%

0,4–2,0%

▶ [19], ▶ [188], ▶ [434],▶ [486], ▶ [748]

Troponinerhöhung

5–34%

20–86%

▶ [86], ▶ [438], ▶ [629]

EKG-Veränderungen

15–40%

40–80%

60–70%

▶ [137], ▶ [381], ▶ [399], ▶ [438], ▶ [617]

Tako-Tsubo-Kardiomyopathie

1,3%

1,2%

▶ [422], ▶ [773]

Herzrhythmusstörungen

8%

4–30%

▶ [86], ▶ [247], ▶ [617], ▶ [748], ▶ [757]

Herzinsuffizienz

13–29%

3–26%

▶ [89], ▶ [302], ▶ [486], ▶ [582], ▶ [680], ▶ [757]

arterielle Hypertonie

7,5–15%

▶ [600], ▶ [748]

1.1.2 Kardiovaskuläre Mortalität


Kardiale Komplikationen wie ein Myokardinfarkt oder ein plötzlicher Herztod zählen darüber hinaus zu den häufigsten Todesursachen, wenn die Akutphase des Schlaganfalls überlebt wird (▶ [4], ▶ [288]). Es ist davon auszugehen, dass das jährliche Risiko für einen kardiovaskulär bedingten Todesfall bei Schlaganfallpatienten etwa 2–4% beträgt (▶ [288], ▶ [704]). Gemäß einer australischen Kohortenstudie aus den 90er-Jahren ist dabei ab etwa 1 Jahr nach einem ischämischen Schlaganfall das Risiko für einen kardiovaskulär bedingten Tod vergleichsweise doppelt so hoch wie das Risiko, nach einem erneuten Schlaganfall zu versterben ▶ [288]. In großen Kohortenstudien der späten 70er- bis späten 90er-Jahre fand sich im Zuge einer etwa 5-jährigen Nachverfolgung bei Schlaganfallpatienten eine kardiovaskuläre Mortalität von 24–45% und eine schlaganfallassoziierte Mortalitätsrate von 15–36% ▶...

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