Der Fluch des neuen Jahrtausends - Eine Bilanz

Der Fluch des neuen Jahrtausends - Eine Bilanz

von: Peter Scholl-Latour

PeP eBooks, 2009

ISBN: 9783641011550

Sprache: Deutsch

449 Seiten, Download: 1468 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Der Fluch des neuen Jahrtausends - Eine Bilanz



Wer spricht offen mit den Türken? (S. 106-107)

14. Dezember 1998

Als glorreich kann man das Verhalten der deutschen Regierung und Justiz im Falle des Kurdenführers Abdullah Öcalan wahrhaftig nicht bezeichnen. Da hatten eifrige Richter einen Haftbefehl gegen diesen Partisanen-Kommandeur erlassen, der sich gern mit Stalin vergleichen ließ und auch in Deutschland angeblich Blutspuren hinterlassen hatte. Als jedoch dieser Erzfeind der türkischen Republik in Rom auftauchte, war der Mut der deutschen Behörden verschwunden. Unter Berücksichtigung höherer staatlicher Interessen verzichteten sie auf die Auslieferung Öcalans, was juristisch erlaubt ist, aber ein fragwürdiges Licht auf die internen Verhältnisse der Bundesrepublik wirft. 500 000 Kurden leben in Deutschland.

Davon sind ungefähr 15 000 Aktivisten militant für die PKK, die Kurdische Arbeiterpartei Öcalans, tätig, obwohl diese Organisation offiziell verboten ist. Dazu gesellen sich etwa 50 000 Sympathisanten. Die Ermittlungsbeamten wissen überdies, daß sich die große Mehrzahl dieser türkischen Staatsangehörigen kurdischer Abstammung und Sprache der Erpressung und Nötigung durch die PKK ausgesetzt sieht. Nach der Ankunft Öcalans in Rom sind mehrere tausend Kurden auf die Straße gegangen, um für »Apo«, ihren väterlichen »Onkel«, zu demonstrieren, was wiederum regierungstreue nationalbewußte Türken in Deutschland zu Gegenkundgebungen veranlaßte.

Der Bonner beziehungsweise der Berliner Republik wurde bei dieser Gelegenheit bescheinigt, wie weit die deutsche Souveränität auf eigenem Territorium angesichts einer importierten Bürgerkriegsperspektive bereits lädiert wurde. Den türkischen Streitkräften ist es gelungen, in Südostanatolien die PKK-Aufständischen in eine militärisch aussichtslose Lage zu drängen. Aber die Guerilla dürfte noch lange andauern.

Die Regierungen und vor allem die mächtige Generalität von Ankara haben die Existenz einer kurdischen Nationalität stets negiert und verweigern den 12 bis 14 Millionen Kurden in der Türkei Autonomie. Die Unversöhnlichkeit der Erben Atatürks in diesem Konflikt ist auf breite internationale Kritik gestoßen. Tatsächlich sind zahllose Kurdendörfer zerstört und geräumt worden. Offiziell wurden bei den Kämpfen und Überfällen auf beiden Seiten 30 000 Menschen umgebracht. Von westlicher, vor allem von deutscher Seite ist immer wieder behauptet worden, kulturelle Zugeständnisse an die Kurden innerhalb der garantierten Grenzen des türkischen Staates böten eine Lösungschance.

Die Wirklichkeit sieht weniger harmlos und kompromißfähig aus. Die PKK strebt ganz eindeutig die Schaffung eines separaten kurdischen Nationalstaates an. Damit wäre die territoriale Auflösung der derzeitigen Republik von Ankara besiegelt. Die Tatsache, daß einige Millionen Kurden außerhalb ihres eigentlichen Siedlungsgebietes über das ganze Land verstreut leben, macht jede deutliche Abgrenzung zwischen beiden Völkern vollends illusorisch. So erklärt sich, daß die Türkei der Schaffung bosnischer Verhältnisse im eigenen Land mit allen, auch den radikalsten Mitteln vorzubeugen sucht. Nun soll ein internationaler Gerichtshof einberufen werden.

Der Kurdenführer hat sich damit sogar einverstanden erklärt, fordert aber, daß nicht nur sein persönliches Schicksal, sondern vor allem die Tragödie des kurdischen Volkes zum Thema der Anklage gemacht werde. Zusätzlich verspricht er Enthüllungen über das Attentat gegen Papst Johannes Paul II. und die Ermordung des schwedischen Regierungschefs Olof Palme. Offenbar ist Abdullah Öcalan, der bislang nur als brutaler Killer auftrat, von geschickten Beratern umgeben. Ihm schwebt der Werdegang des Palästinensers Yassir Arafat als Beispiel vor. Seinem marxistisch- leninistischem Credo hat »Apo« bereits abgeschworen.

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