Praxishandbuch Urheberrecht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen

Praxishandbuch Urheberrecht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen

von: Bernd Juraschko

De Gruyter Saur, 2015

ISBN: 9783110395839

Sprache: Deutsch

286 Seiten, Download: 2356 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Praxishandbuch Urheberrecht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen



Teil 1: Grundlagen Urheberrecht


Zu den charakteristischen und auffälligen Besonderheiten des Urheberrechts gehört die grundsätzliche Trennung zwischen dem Werkstück und der Nutzung. Wer das Eigentum an einem Original erwirbt, hat damit noch kein Recht, dieses auch im urheberrechtlichen Sinne zu nutzen, § 44 UrhG. Ebenso erhält im gegenseitigen Fall derjenige, der das Recht erwirbt, ein Urheberweck zu nutzen, damit noch nicht automatisch auch das Eigentum an den physischen Werkstücken. Wie diese Trennung von physischem und geistigem Recht vorgenommen wird, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben und wie damit im Alltag einer Bibliothek oder Informationseinrichtung umzugehen ist, ist Gegenstand der folgenden Erörterungen.

1 Intension, Ziele und Verortung des Urheberrechts


Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen ideellen und materiellen Interessen. Im Gegensatz zu den natürlichen Rechten, wie den Menschenrechten, gehört das Urheberrecht zu den von der Rechtsordnung geschaffenen Rechten. Es verleiht Herrschaftsmacht über die Ausdruckformen des geschaffenen Geisteswerks. Das Urheberrecht ist als absolutes Recht ausgestaltet. D.h. es gilt gegen jedermann und nicht nur innerhalb einer besonderen Beziehung wie dies bei relativen Rechten der Fall ist. Es ist grundsätzlich ein Schutzrecht gegen rechtswidrige Verletzungen. Der Inhaber eines solchen Verbotsrechts kann dem Verletzter die Nutzung des Rechts untersagen und dies auf dem Rechtswege durchsetzen. Dabei kommt es nicht auf den Grund des Verbots an. Auch die Möglichkeit, eine Nutzung zu verhindern, wird hiervon mit umfasst.1 Die entsprechenden spezialgesetzlichen Normen sind in §§ 97 ff. UrhG geregelt. Ferner ist das Urheberrecht ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 BGB.2 In einigen Randbereichen wird jedoch das Schutzrecht als Verbotsrecht durch reine Vergütungsansprüche ersetzt.3

Aufgabe des Urheberrechts ist es, zahlreiche und unterschiedliche Interessen zu gewichten und zu einem Ausgleich zu bringen.4 Dies gilt sowohl bei einer normativen Betrachtung als auch bei einem Interessenvergleich der beteiligten Kreise. Die für den deutschen Rechtskreis markanteste Komponente ist das Urheberpersönlichkeitsrecht. Es ist fester Bestandteil der Rechte des Urhebers. Mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht wird der Umstand der persönlichen Verbundenheit des Urhebersmit seinem Werk gewürdigt. Die mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht und den Verwertungsrechten bestehende Zweigleisigkeit des deutschen Urheberrechts zeigt, dass es sich nicht um ein reines Wirtschaftsrecht handelt. Beispielsweise ist das Urheberrecht als Ganzes wegen des Persönlichkeitsschutzes gem. § 29 Abs. 1 UrhG nicht übertragbar. Eine Übertragungsmöglichkeit besteht nur für Teile des Urheberrechts. Weiterhin zählt das Urheberrecht zu den Rechten des geistigen Eigentums. Das Urheberrecht als Eigentumsrecht besagt, dass der Inhaber nach seinen Vorstellungen über das Recht verfügen kann. Dies kann, braucht aber keine kommerzielle Verwertung zu sein. Zum Eigentumsrecht gehört beispielsweise auch die Verwertungsmöglichkeit, Lizenzen mit sogenannten copyleft-Kauseln übertragen zu können. Das Eigentumsrecht wirkt sich umfassend aus. So garantiert das Eigentumsrecht auch einen Schutz bei Nichtausübung der Verwertungsrechte. Denn es gibt keine Publikationspflicht für den Urheber. Je nach politischer Interessenlage wird die Position des Inhabers eines Urheberrechts mal als stärker, mal als schwächer gegenüber dem Inhaber eines materiellen Eigentums dargestellt. Gerade im Hinblick auf die Sozialbindung und auch die Beschränkungen des Eigentums bei Immobilien kann der These von der Schlechterstellung des geistigen Eigentums nicht gefolgt werden. Fremd vermietete Wohnraumimmobilien unterliegen in Deutschland einem Mietrecht, das gegenüber dem Eigentümer eine sehr starke Position des Mieters kennt. Das deutsche Baurecht, insbesondere das Bauordnungsrecht kann so starke Beschränkungen fordern, dass man gute Gründe hat, das tatsächliche Ausmaß des Selbstbestimmungsrechts des Eigentümers zu hinterfragen. Nicht selten werden die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks gerade dann eingeschränkt, wenn es anfängt, besonders wirtschaftlich interessant zu werden. Hier besteht durchaus eine der gesetzlichen Lizenz oder der Zwangslizenz vergleichbare Lage. Auch das Mobiliareigentum kennt mit Verbringungsbeschränkungsmöglichkeiten die Ausübung von Beschränkungen aus kulturellen Gründen. So kann die Verbringung von kulturell wichtigen Gegenständen ins Ausland untersagt werden. Dagegen würde ein Verbot der Übertragung eines Nutzungsrechts ins Ausland an einem kulturell bedeutsamen Werk als nicht nachvollziehbarer Protektionismus gebrandmarkt werden. Daher ist sind die Behauptungen, das materielle oder das geistige Eigentum seien stärker geschützt, zurückhaltend aufzunehmen. Bedauerlicherweise zeichnen sich viele Erörterungen durch das Weglassen der Argumente der Gegenseite statt durch eine Auseinandersetzung aus. Beim Urheberrecht als Wirtschaftsrecht stehen die Verwertungsrechte im Vordergrund. Durch die Zuordnung der Verwertungsrechte erfolgt die Zuschreibung des wirtschaftlichen Wertes des Urheberrechts. Als Wirtschaftsrecht hat es starke inhaltliche Bezüge zum Eigentumsrecht, ist aber nicht in allen Belangen identisch. Schließlich handelt es sich beim Urheberrecht auch um ein Kulturrecht. Dahinter steht die Erwartung der Gesellschaft an kultureller Teilhabe und Fortschritt. Die Balance zwischen dem Kulturrecht und den Eigentumsinteressen des Urhebers begleiten das Urheberrecht seit seiner Entstehung. Sie finden ihren Ausfluss beispielsweise in der Befristung und anschließenden freien Nutzungsmöglichkeit, dem sogenannten Gemeinfreiwerden des zuvor urheberrechtlich geschützten Werks. Die Frage nach dem Warum einer zeitlichen Beschränkung des Schutzes des Urheberrechts nach seinem Tode lässt sich mit dem allgemeinen Interesse am kulturellen und geistigen Fortschritt begründen. Der unbedarfte Erbe eines materiellen Gutes kann dieses verschleudern. Dieser Vorgang ist dem Erben jedoch wegen der Endlichkeit des materiellen Eigentums nur einmal möglich. Dagegen kann der unbegabte Erbe des Urhebers eines bedeutenden Werks andere durch Nichtlizensierung an einer Weiterentwicklung hindern, solange der Urheberrechtsschutz gilt. Daher gibt es inzwischen einen globalen Konsens, dass Urheberrechte nur einen befristeten Schutz genießen.

Die gesetzliche Ausgestaltung, die bisherige Entwicklung und die Positionen der unterschiedlichen Interessengruppen zeigen, dass keine der vier hier aufgeführten Größen dauerhaft vernachlässigt werden kann, ohne dass es zu Gegenbewegungen oder in Folge technischer Entwicklungen zu nicht gewünschten faktischen Änderungen kommt. Als Beispiele der letzten Jahre seien die Veränderungen durch die elektronischen Medien, die Open-Access-Bewegung, Gesetzesbegründungen zur Stärkung der Position des Urhebers, gesetzliche Maßnahmen zum technischen Schutz von Werken etc. zu nennen. In freier Anlehnung an das volkswirtschaftliche Modell zur Setzung wirtschaftspolitischer Ziele kann hier von einem magischen Viereck gesprochen werden.

Abbildung 2: Magisches Viereck des Urheberrechts.

Bezogen auf eine interessentenkreisbezogene Betrachtung sind die Vorstellungen des Urhebers, Kulturinteressierten und der Kulturvermittler zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich nur um eine grobe Einteilung. Denn Kulturinteressierte und Kulturverwerter sind keineswegs homogene Gruppen. Vielmehr ist die Einteilung als temporäre Rollenverteilung zu verstehen. So kann ein kulturell interessierter Bibliothekar als Urheber eines Buches allen drei interessenbezogenen Gruppen zugeordnet werden. Abzustellen ist daher auf den jeweiligen Einzelfall, der ein Überwiegen des Interesses in die eine oder andere Richtung zeigt.

Oben wurde die generelle Zuschreibung des Urheberrechts zum Zivilrecht vorgenommen. Das Zivilrecht wiederum ist ein Oberbegriff für eine ganze Reihe von Rechtsgebieten. Das Urheberrecht ist gem. § 11 UrhG Teil des Immaterialgüterrechts. Denn diese Norm schützt den Werkschöpfer in seiner Beziehung zu dem Werk und darin, den Nutzen aus seinem Werk zu ziehen. Es gibt unendlich viele geistige Produkte, sogenannte Immaterialgüter. Hierzu gehören Ideen, Pläne, Geheimnisse, Erfindungen, Entdeckungen, Forschungsergebnisse, Erkenntnisse etc. Sie alle zeichnet aus, dass sie sich durch Gebrauch nicht abnutzen und ohne Substanzverlust beliebig oft vervielfältigt werden können. Ihnen fehlt die materielle Endlichkeit. Sie können lediglich vergessen werden. Als Mittel gegen das kollektive Vergessen werden die Immaterialgüter dokumentiert und in Wissensspeichern wie Bibliotheken und Archiven zum erneuten Gebrauch aufbewahrt. Die Substanzfreiheit ist auch unabhängig davon, welchen Wert die geistige Sache für den Einzelnen oder die Allgemeinheit besitzt. Zum Immaterialgüterrecht wird die geistige Sache erst durch die Zuschreibung mittels der Rechtsordnung zu einer bestimmten...

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