Praktische Mobbing-Prävention - Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!

Praktische Mobbing-Prävention - Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!

von: Arndt Hermans, Elmar Krings

Books on Demand, 2015

ISBN: 9783732252398

Sprache: Deutsch

196 Seiten, Download: 2487 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Praktische Mobbing-Prävention - Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!



3. Mobbing - die Dimensionen des Phänomens


3.1 Ursachen des Mobbings


Die Frage nach der Entstehung von Mobbing ist ein wesentliches Element, um die Problematik in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Leider gibt es bislang nur wenig aussagekräftige Erkenntnisse über die genauen Ursachen von Mobbing, schließlich wird ein Mobber nur in den seltensten Fällen offen aussprechen, weshalb er den ungeliebten Kollegen ablehnt. Es ist jedoch vielfach zu beobachten, dass Mobbing ungelösten Konflikten entspringt. Diese gären im Hintergrund und werden zumeist auf subtile, oftmals nicht direkt erkennbare Weise ausgetragen.

Eine Studie bei der VOITH GmbH hat gezeigt, dass in diesem Unternehmen Beziehungsprobleme zu 80% und thematische Unstimmigkeiten lediglich zu 20% krankheitsfördernd wirkten. Demzufolge konnten sachliche Meinungsverschiedenheiten offenbar wesentlich schneller ausgeräumt werden als Ungereimtheiten im zwischenmenschlichen Bereich. Auf die Ursachen des Mobbings bezogen bedeutet es, dass sich Konflikte eher an persönlichen Antipathien denn an unterschiedlichen beruflichen Standpunkten entzünden.39

Welche konkreten Ursachen können nun mobbingfördernd wirken? An dieser Stelle ist es sinnvoll, zwischen organisatorischen Defiziten, einer sozial exponierten Stellung der Mobbingopfer und Motiven aus Sicht der Täter zu unterscheiden.

3.1.1 Organisatorische Ursachen für Mobbing

Leymann vertritt die Ansicht, dass organisatorische Defizite einen idealen Nährboden für die Entstehung und Verbreitung von Mobbingkonflikten darstellen.40

Er scheut es auch nicht, die Ausbreitung von Mobbing dem Versagen der Betriebsleiter und Manager zuzuschreiben.41 Gestützt wird diese These unter anderem von Thomas, dessen Buch den bezeichnenden Titel „Chefsache Mobbing“ trägt.42

Der Autor belegt anhand von Beispielen, wie manch ein Vorgesetzter die Mobbingschraube bewusst oder unbewusst weiter dreht, sei es als (Mit-) Initiator oder weil er in seiner Position und Verantwortung schlichtweg überfordert ist.

Es gibt auch Stimmen, die Kritik an den Gewerkschaften und Betriebsräten üben. Diesen wird weniger Ignoranz als vielmehr fehlende Kenntnis im Umgang mit Mobbingkonflikten vorgeworfen. Es fällt schwer, Schuldanteile objektiv einzuordnen, doch die Diskussion belegt indes Eines: Es besteht bei allen Beteiligten ein sehr großer Nachholbedarf im Umgang mit Mobbing. Nur ein effektives Konfliktmanagement hilft, Mobbing wirksam zu bekämpfen. Wie dies praktisch umgesetzt werden kann, wird im vierten Kapitel (Prävention von Mobbing) genauer erläutert.

Für Leymann gibt es drei Kernursachen, die Mobbing am Arbeitsplatz begünstigen. Hierbei sind die Übergänge zwischen den ersten beiden Punkten fließend:

  • Die Organisation der Arbeit
  • Die Aufgabengestaltung in der Arbeit
  • Die Leitung der Arbeit

Defizite innerhalb dieser Bereiche stören den Arbeitsablauf erheblich, wirken äußerst schädlich auf soziale Strukturen und können die Spaltung einer Gemeinschaft bewirken. Bröckeln diese organisatorischen Manifeste innerhalb des Unternehmens erst einmal, wird die Arbeitsmoral erheblich geschwächt und der Zusammenbruch von Arbeitsgruppen ist nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Dass Mobbing sich dann in destruktiver vergifteter Atmosphäre, in der jeder darauf bedacht ist, „seine eigene Haut zu retten“, sehr leicht ausbreiten kann, liegt auf der Hand.

Um seine These zu belegen, spricht Leymann die Arbeitsmedizin an, die nach über 20 Jahren intensivster Forschung einen signifikanten Zusammenhang zwischen unterschiedlichen psychosomatischen Krankheitserscheinungen und einer unbefriedigenden Arbeitssituation festgestellt hat. Ursächlich für die Unzufriedenheit mit der persönlichen beruflichen Position ist in den meisten Fällen entweder eine quantitative Überbelastung oder die qualitative Unterforderung. Diese entsteht, wenn die eigene Tätigkeit durch ein hohes Maß an Monotonie und Fremdbestimmtheit gekennzeichnet ist.

Beide Extreme schreibt Leymann einer organisatorischen Schwäche des Unternehmens zu, und beide sieht er zumindest als mobbingfördernd an. Wenn ein Arbeitnehmer gestresst ist, sucht er nach einem Ventil, um seinem Ärger Luft zu machen. Da bietet sich natürlich am ehesten der eigene Kollege an. Dieser muss nur irgendetwas an sich haben, das dem unzufriedenen Kollegen missfällt und schon ist der Nährboden für einen baldigen Mobbingkonflikt geschaffen. Der unterforderte Mitarbeiter sucht womöglich nach anderen Tätigkeitsfeldern, um den Tag halbwegs „sinnvoll“ zu nutzen. Leymann spricht in solchen Fällen von Mobbing aus Langeweile.43

Die Organisation der Arbeit ist wichtig, eine inhaltlich sinnvolle und interessante Gestaltung auch, Leymann lässt allerdings keinen Zweifel daran aufkommen, dass seiner Ansicht nach der Vorgesetzte das entscheidende „Rädchen“ im gesamten Arbeitsablauf ist. Er entscheidet, wer eingestellt wird, wem man welche Aufgaben zuweist und ob eine Grundlage für die erfolgreiche Integration des neuen Mitarbeiters besteht oder dieses Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Man macht es sich oftmals zu leicht, wenn die missglückte Eingliederung eines neuen Mitarbeiters in eine seit langem bestehende Arbeitsgruppe mit dessen fehlender Kompromissbereitschaft oder mangelndem Anpassungsvermögen erklärt wird. Es ist vielmehr der Chef gefordert, „den Neuen“ oder „die Neue“ von Anfang an als qualifiziertes und vollwertiges Mitglied des Unternehmens vorzustellen. Der Vorgesetzte muss deutlich dokumentieren, dass er gleichermaßen auf die Kenntnisse der alten Belegschaft und die Qualitäten des neuen Angestellten setzt. Es geht darum zu verdeutlichen, dass dessen Fähigkeiten für das gesamte Unternehmen von Nutzen sein werden, wenn alle bereit sind, effektiv zusammenzuarbeiten.

Stattdessen, so beklagt nicht nur Leymann, stehlen sich Führungskräfte häufig aus der Verantwortung. Insbesondere die Integration neuer Mitarbeiter überlassen sie gerne der alten Belegschaft. Wird „der Neue“ als tauglich, sympathisch und pflegeleicht befunden, darf er bleiben oder wird zumindest geduldet; ist er jedoch unbequem, übermotiviert oder zu innovativ, beginnt oftmals Mobbing in seiner schlimmsten Form.44

Ähnliches kann auch „betrieblichen Problemfällen“ drohen. Mitarbeiter, die bereits seit längerer Zeit im Unternehmen arbeiten, an deren Eigenheiten man sich im Laufe der Zeit gewöhnt hat, und die in der Vergangenheit ihrer Stärken entsprechend eingesetzt wurden, könnten im Fall von Umstrukturierungsmaßnahmen auf der Strecke bleiben, da neu zusammengesetzte Arbeitsgruppen die „Macken“ nicht akzeptieren bzw. nicht in der Lage sind, diese kollektiv aufzufangen.

Schockieren, aber nicht wirklich überraschen, mag die Variante „Mobbing als kostengünstiger Personalabbau“. Wenn man einen Mitarbeiter loswerden will, erscheint die Möglichkeit, ihn so lange mürbe zu machen, bis er von sich aus die Koffer packt, angenehmer als die Alternative, ihm eine Abfindung zahlen zu müssen. Diese Mobbingstrategie verfolgen in erster Linie Führungskräfte. Zu den Betroffenen gehören primär die Arbeitnehmer, derer man sich aufgrund gesetzlicher Arbeitnehmerschutzvorschriften nur schwer entledigen kann. Zu nennen wären beispielsweise Schwangere, Schwerbehinderte oder langjährige Mitarbeiter, die im Kündigungsfall Anrecht auf eine hohe Abfindung haben.45

3.1.2 Die sozial exponierte Stellung der Mobbingopfer

Kann man die Entstehung von Mobbing tatsächlich ausnahmslos organisatorischen Defiziten oder mangelnden Führungsqualitäten des Vorgesetzten zuschreiben?

Sicher nicht, denn wie ist es sonst zu erklären, dass Behinderte wesentlich häufiger Opfer von Mobbing werden als Nichtbehinderte?

Natürlich muss den Führungskräften auch in einem Fall von „Behinderten-Mobbing“ eine Teilschuld eingeräumt werden, denn wenn man derartigen Tendenzen frühzeitig genug Einhalt gebietet, wird es gar nicht bis zum Äußersten kommen. Und doch scheint es bestimmte Faktoren zu geben, die - unabhängig von organisatorischen Mängeln - Mobbing begünstigen. Personen mit leicht identifizierbarem Stigma sind einem größeren Risiko ausgesetzt, Mobbingopfer zu werden als Menschen, die dem „Idealbild“ des leistungsfähigen, engagierten Mitarbeiters entsprechen. Aber nicht nur körperliche Defizite, auch bestimmte Verhaltensweisen und Charakterzüge begünstigen Mobbing. So gibt es Hinweise darauf, dass Angestellte, die traditionelle Werte und Tugenden besonders vehement vertreten, ebenfalls zu einer „gefährdeten Spezies“ zählen. Neue Mitarbeiter werden aufgrund der fehlenden sozialen Integration häufiger ausgegrenzt und angefeindet als langjährige Betriebsangehörige.

Denkbar wäre auch das Vorhaben der Täter, an dem Gemobbten ein Exempel zu statuieren. Wer die Erwartungen der bestehenden Gruppe nicht erfüllt und sich nicht an die Spielregeln hält, ist draußen. Auf diesem Wege könnte eine bestimmte Hackordnung...

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