Alsterwasser - Genusskrimi

Alsterwasser - Genusskrimi

von: Werner Färber

Gmeiner-Verlag, 2016

ISBN: 9783839249482

Sprache: Deutsch

307 Seiten, Download: 2615 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Alsterwasser - Genusskrimi



1. KAPITEL


»Sauerkraut-Lasagne?« Phil dreht sich zu Lea hin, drückt das Kopfkissen zurecht, um seinen Nacken zu entlasten, und betrachtet sie von der Seite, als hätte sie den Verstand verloren. Oder ihm ein zweifelhaftes oder gar widerwärtiges Angebot unterbreitet.

»Du magst also kein Sauerkraut?« Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, den Blick Richtung Zimmerdecke gerichtet, betrachtet Lea die tanzenden Spektralfarben, die von den morgendlichen Sonnenstrahlen durch die im Fenster hängenden Glaskristalle projiziert werden. Sie muss nicht zu ihm hinübersehen, um zu wissen, dass Phil ihren nackten Körper mustert. Auch ist es ihr keineswegs unangenehm. Obwohl ihre Beziehung noch kurz ist, fühlt sie sich behaglich vertraut mit ihm. »Oder ist es etwa die Pasta, die dich stört?« Lea selbst hat diese deutsch-italienische Pasta-Variante auf Anhieb geschmeckt. Inzwischen hat sie das Gericht individualisiert und ihre spezielle Version der Sauerkraut-Lasagne bereits mehrfach zubereitet und mit jedem Mal ist sie ihr besser gelungen. Also plant sie sie für heute Abend als Hauptgang ein.

»Nein. Wenn du so fragst, mag ich beides. Ein schönes Sauerkraut finde ich durchaus lecker und für Pasta bin ich auch immer zu haben. – Aber in Kombination? Das ist ja wie …«

»Pass jetzt bloß auf, was du sagst«, warnt ihn Lea, während er nach einem geeigneten Vergleich sucht.

»Matjes auf Himbeermarmelade?«

Sie dreht sich zu ihm hin, legt den Arm um ihn und schaut ihm herausfordernd in die Augen. »Was hast du gegen Matjes mit Himbeermarmelade?«

»Du schielst.«

»Du auch. Lenk nicht ab.«

»Weißwurst mit Milchreis?«

»Mhm. Exotisch – aber denkbar.«

»Sushi mit Kartoffelpüree?«

Mit gespieltem Entsetzen rückt sie von ihm ab. »Das ist ja wohl ein absolutes No-go.«

»No-go! Eben. Genau das meine ich.«

»Du willst also allen Ernstes diese abartige Kombination aus japanischer Exotik und solider deutscher Hausmannskost mit meiner Sauerkraut-Lasagne vergleichen?«

Allmählich scheint er zu begreifen, dass es sich bei ihrer Ankündigung, heute Abend tatsächlich mit dieser für ihn undenkbaren Pasta-Version aufzuwarten, nicht um einen Scherz gehandelt hat. »Wozu haben wir uns dann gestern in Büsum mit Krabben und Matjes eingedeckt?«

»Für jetzt, zum Frühstück.«

»Was?«

»Wieso nicht?«

»Fisch? Zum Frühstück?«

»Was spricht dagegen? Gestern im Fischgeschäft sagtest du noch, dir liefe bereits beim Anblick das Wasser im Mund zusammen.«

»Lea, bitte, das war nachmittags. Ich liebe Fisch, ich liebe Meeresfrüchte. Aber alles zu seiner Zeit. Mittags, abends, wunderbar. Oder als Snack zwischendurch beim Hafenspaziergang – ein leckeres Matjesbrötchen auf die Hand – großartig! Aber doch nicht früh morgens! Da brauche ich Marmelade, Honig, Müsli …«

»Sag jetzt nicht Rübenkraut.«

»… Rübenkraut.«

Leas Gesichtszüge entgleisen. Sie ist erst seit wenigen Wochen mit Phil zusammen. Da sie in Hamburg und er in Berlin lebt und sie bisher lediglich vier Nächte bei ihm verbrachte, ist die Beziehung viel zu frisch, um gegenseitig alle Essgewohnheiten zu kennen. Das augenblickliche Hamburg-Wochenende hat sich kurzfristig ergeben. Phil hatte in den vergangenen Tagen beruflich in Kiel zu tun. Bei einem ihrer abendlichen Skype-Dates sind sie darauf gekommen, dass sein Aufenthalt dort in nahezu wunderbarer Weise zu Leas Plänen passt. Ihre Umweltgruppe plante anlässlich des Tages der Bundeswehr eine medienwirksame Aktion im Flensburger Hafen. Also verabredeten sie, dass Phil sie dort treffen und abholen könnte, um anschließend das restliche Wochenende in Hamburg zu verbringen. Es ist das erste Mal, dass Phil bei ihr übernachtet.

Kennengelernt haben sie sich, als Phil und sein Berliner Freund Chris für einen Wochenendtrip in der Hansestadt waren. Zunächst outeten sich die beiden zu Leas großem Bedauern ohne Umschweife als schwules Paar. Während sie Chris, den sie während ihrer Berlinbesuche auch wiedergetroffen hat, durchaus sympathisch und nett fand, konnte sie sich bei Phil gleich am ersten Abend etwas mehr vorstellen. Kaum war er mit seinem vermeintlichen Lover wieder zurück in Berlin, meldete sich Phil bei Lea, um ihr zu gestehen, dass er und sein Freund das schwule Pärchen just for fun gegeben haben und dass er in Wirklichkeit hetero sei und sich während des Hamburgwochenendes Hals über Kopf in sie verliebt habe. Da Lea ihre Gefühle bis zu Phils Anruf aufgrund der vermeintlichen Homosexualität bewusst im Zaum hielt, fiel ihr die Antwort am Ende des Telefonats, ob sie eventuell Lust habe, ihn in Berlin zu besuchen, nicht schwer. Der Umstand, dass ein paar Kilometer Distanz zwischen ihr und ihrem neuen Lover liegen, ist ihr im Übrigen zumindest für den Augenblick ganz recht. Sie kann nichts Negatives daran finden, es langsam angehen zu lassen.

Lea sind ihre letzten Berlintrips zu Phil noch gut in Erinnerung. Aus naheliegenden Gründen standen sie immer sehr spät auf und kehrten gerade noch rechtzeitig in Phils Stammbistro ein, um das Brunch-Buffet zu plündern.

Zu dieser Tageszeit hat sich Phil durchaus herzhafte Nahrung auf den Teller geladen. Zu normalen Frühstückszeiten scheint er jedoch ausschließlich Süßes zu sich zu nehmen.

»Rübenkraut hab ich nicht.«

Er lässt den Kopf frustriert aufs Kissen sinken. »Okay, dann muss ich jetzt nach Hause.«

»Alternativ könntest du dich anziehen, runter zum Bäcker gehen und frische Brötchen besorgen. Mit ein wenig Glück steht bei denen auch noch so ein Becher Wagenschmiere rum.«

»Was für Schmiere?«

»Ist dir das noch nicht aufgefallen? Rübenkraut sieht aus wie Wagenschmiere und wurde meines Wissens früher auch als solche verwendet, ehe jemand auf die äußerst abwegige Idee kam, sich das Zeug aufs Brot zu schmieren. Du kaufst ein, ich mache Kaffee.« Sie schnuppert in Richtung ihrer Achselhöhlen. »Und vielleicht sollte ich vorher noch duschen. Ich stink ja wie ein Iltis.«

»Wenn ich das gesagt hätte«, grummelt Phil, während er sich von Leas komfortabler Matratze erhebt, die aufgrund des eingeschränkten Raumangebots ihres Schlafzimmers ohne Bettgestell auf dem Boden liegt.

»Dann hättest du dein Frühstück im nächstbesten Café einnehmen und tatsächlich umgehend nach Berlin zurückfahren können.«

Vom Flur aus reckt er seinen Kopf noch einmal um den Türpfosten. »Deshalb käme so eine Äußerung auch niemals über meine Lippen. Im Übrigen riechst du immer gut.« Mit einem gehauchten Kuss verschwindet er um die Ecke. »Selbst als Iltis!«

Lea lässt sich aufs Kissen sinken, schließt lächelnd die Augen, um sich dem morgendlichen Gedankenfluss hinzugeben. Im Augenblick hat sie keine Probleme mit ihrer bisweilen überbordenden negativen Hirnbefeuerung. Bei den zahlreichen positiven Momenten, die zurzeit in luxuriöser Weise über sie hinwegspülen, scheinen die Glücksbotenstoffe eindeutig zu dominieren. Sie will die nun schon länger anhaltende fantastische Strähne in vollen Zügen genießen und sich einfach daran erfreuen. Erst die Geschichte mit Phil, dann der Auftrag, den sie vor knapp zwei Wochen mit dem Gourmet Verlag vereinbart hat und den sie heute Abend im Kreis einiger Freunden mit einem Menu zelebrieren mag. Natürlich kommt damit ein Berg Arbeit auf sie zu, der ihre Kapazitäten nahezu vollständig in Anspruch nehmen wird. Allerdings wird sie durch die Gestaltung des Internet-Auftritts unter dem Arbeitstitel ›Was cookst du?‹ ihre freiberufliche Existenz gleich für mehrere Monate sichern können. Und das in der für sie höchst attraktiven Gastronomie-Branche. Im Gegensatz zu den zuletzt fließbandartig von ihr produzierten Werbebannern für Haustier-Bedarf geht es beim neuen Auftrag um Food-Design, um ausgefallene Rezepte und fantasievolle Küche. Sofern sie mit ihrer Einschätzung nicht komplett daneben liegt, wird sie im Rahmen ihrer Tätigkeit sogar regelmäßig Gelegenheit erhalten, den Hamburger Spitzenköchen unterschiedlichster kulinarischer Orientierung in die Töpfe zu blicken. So leidenschaftlich gern wie sie selbst kocht, isst und genießt, hätte ihr kaum eine attraktivere Arbeit begegnen können.

Und dann ist da ja auch noch Lennart Fahnenberg. Auch er hat Anteil an der Welle des Glücks, auf der Lea im Augenblick surft. Der Kriminaloberkommissar, der im Laufe des Sommers mit ihrer Unterstützung einen Todesfall in ihrem Freundeskreis aufgeklärt hat, scheint ebenfalls großes persönliches Interesse an ihr zu haben. Zumindest glaubt Lea dies von seinem nur wenige Tage zurückliegenden Besuch ableiten zu können. Immerhin brachte er ihr am vergangenen Donnerstag die zwei versprochenen Felgen für ihr Fahrrad, das im Sommer von einem leicht unterbelichteten Ganoven-Duo mutwillig zusammengetreten worden war. Mit den Felgen quer auf seinem Gepäckträger kam Lennart nachmittags im strömenden Regen mit dem Rad zu ihr. Da sie gerade nichts vorhatte, was sie nicht hätte aufschieben können, und Lennart nicht unbedingt gleich wieder im Regen zurückfahren wollte, nahmen sie sich ihr demoliertes Vehikel gemeinsam vor. Knappe zwei Stunden später war ihr Fahrrad wieder einsatzbereit. In Anbetracht des nicht nachlassenden Regens zog es Lea jedoch vor, die Probefahrt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Lennart stellte sein City-Bike bei ihr im Keller unter, lieh sich einen Schirm und machte sich zu Fuß auf den Weg zur U-Bahn. Sein Fahrrad wollte er bei Gelegenheit wieder abholen. So wie sie ihn kannte, konnte das durchaus dauern. Auch mit den versprochenen...

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