Seekers. Wald der Wölfe - Band 10

Seekers. Wald der Wölfe - Band 10

von: Erin Hunter

Beltz, 2016

ISBN: 9783407747068

Sprache: Deutsch

307 Seiten, Download: 3617 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Seekers. Wald der Wölfe - Band 10



1. KAPITEL

Lusa


Der Wind blies Lusa ins Gesicht und drückte ihr Fell an den Körper. Ihre Augen brannten, während sie auf den Silberpfad starrte, der sich durch die Ebene zog. Zwei glänzende Linien erstreckten sich, so weit ihr Blick reichte, und führten die brüllende Feuerschlange den Bergen entgegen. Ein Schauder überlief Lusa und ihre Beine zitterten, so heftig rumpelte die Feuerschlange auf ihrem Weg. Lusa konnte immer noch nicht fassen, worauf sie sich hier eingelassen hatten! Ein scharfer Geruch legte sich über all ihre Sinne, zwar nicht ganz so, wie sie es von den Feuerbiestern auf dem Schwarzpfad kannte, aber doch so, dass es ihr Tränen in die Augen trieb und einen sauren Geschmack im Maul hinterließ.

Neben ihr hockte Toklo, noch immer schweratmend nach dem Kampf mit dem Kojoten, der versucht hatte, ihnen auf den Rücken der Feuerschlange zu folgen. Lusa kniff die Augen zusammen, als sie an das entsetzte, langsam ersterbende Heulen des Kojoten dachte, und an all das Blut auf dem Silberpfad.

Es hätte genauso gut Toklo treffen können, dann wäre er unter den Pranken der Feuerschlange zermalmt worden. Lusa schüttelte sich. Aber Toklo ist nichts passiert. Es geht ihm gut. Uns allen geht es gut.

Aber das stimmte nicht ganz. Yakone lag auf der Seite, die verletzte Vorderpfote von sich gestreckt. Er hatte zwei Zehen in einer Falle verloren, die von Flachgesichtern aufgestellt worden war. Zwar hatte die Wunde inzwischen aufgehört zu bluten, aber das rohe Fleisch bot einen erschreckenden Anblick. Als Lusa daran schnupperte, konnte sie trotz des Gestanks der Feuerschlange den typischen, unangenehm süßlichen Eitergeruch ausmachen. Kallik saß mit sorgenvoller Miene über Yakone gebeugt.

Lusa schob sich näher an die Eisbären heran und zuckte zusammen, als die spitzen Kieselsteine sich in ihre Ballen bohrten. Warum transportiert die Feuerschlange diese Dinger?, fragte sie sich. Gibt es noch nicht genug Steine in den Bergen?

»Wie fühlst du dich, Yakone?« Sie musste fast schreien, um gegen den tosenden Lärm der Feuerschlange anzukommen. Wie sie ihn so elend daliegen sah, schämte sie sich für ihre Wehleidigkeit. Das kurze Stechen in ihren Pfoten war ja nichts im Vergleich zu Yakones Wunde. Vielleicht würde er nie wieder richtig laufen können?

Yakone sah zu ihr hoch. In seinen Augen sah man den Schmerz, aber er versuchte, zuversichtlich zu klingen. »Das wird schon wieder. Es tut gut, sich auszuruhen und alles Weitere der Feuerschlange zu überlassen.« Lusa wusste, dass er sich nur ihretwegen optimistisch gab. Mit Mühe hielt er die Augen offen, als dürfte er nicht riskieren, das Bewusstsein zu verlieren.

Lusa sah ihn voller Sorge an. Er ist so tapfer! Ihr Herz pochte heftig, und sie kämpfte gegen den Drang an, den Kopf unter den Pfoten zu begraben und zu winseln wie ein verängstigtes Junges.

Auf ihrer ganzen langen Wanderung, vom Bärengehege zum Ewigen Eis, hinunter zum Schmelzenden Meer und schließlich entlang des Flusses der Bärengeister bis hin zur großen Ebene, hatte sie nichts erlebt, das so furchterregend war wie diese Reise auf der Feuerschlange. Der flache Abschnitt, auf dem sie kauerten, war zum Himmel hin offen, und an den Seiten gab es nur schmale Streifen, die verhinderten, dass die Kieselsteine hinunterfielen. So schnell und so hoch über der Erde bewegten sie sich, dass Lusa fürchtete, jeden Moment vom Rücken der Feuerschlange heruntergerissen zu werden.

Noch mehr Angst bekam sie, wenn sie nach vorne blickte, an der silbrigen Seite der Feuerschlange entlang zu ihrem Kopf; oder nach hinten zu ihrem langen, langen Schwanz, der aus mehreren Abschnitten bestand, auf denen sich weitere Kieselsteine häuften.

Sie ist so riesig! Und was passiert, wenn sie merkt, dass wir hier sind? Vielleicht wälzt sie sich dann herum und verschlingt uns alle mit einem einzigen Bissen?

An Kalliks Blick erkannte Lusa, dass die Freundin ihre Besorgnis teilte, auch wenn sie bemüht war, sich nichts anmerken zu lassen.

»Sind wir vielleicht verrückt geworden?«, fragte Lusa leise, um Yakone nicht zu wecken, der wieder in einen unruhigen Schlaf gefallen war. »Was um alles in der Welt haben Bären auf dem Rücken einer Feuerschlange zu suchen?«

Kallik schaute sie nachdenklich an. »Wir hatten keine andere Wahl. Wären wir nicht aufgesprungen, hätten uns die Kojoten geschnappt.«

»Wohl wahr.« Lusa überlief es kalt bei der Erinnerung an die geifernden Wesen, die ihnen, dem Geruch von Yakones Blut folgend, über Tage nachgesetzt hatten. »Ich möchte nie wieder im Leben einen Kojoten sehen!«

»Ich wünschte nur, wir wüssten, wo es jetzt hingeht.« Lusa hörte, wie besorgt Kallik klang. »Ganz gleich, wo wir landen, auf jeden Fall müssen wir die richtigen Kräuter finden, um Yakone zu helfen.«

Lusa nickte. »Toklo meint, die Feuerschlange bringt uns in die Berge. Dort muss es reichlich Kräuter geben.«

Der Braunbär hatte sich, wie sie mit einem Seitenblick feststellte, von dem Schock des Kojotenangriffs inzwischen erholt und starrte aufmerksam nach vorn, wo sich am Horizont eine purpurrote Bergkette abzeichnete. Lusa konnte seine Ungeduld beinahe spüren.

Hat er es so eilig, nach Hause zu kommen, dass er gar nicht mehr an Yakones Verletzung denkt? Ein Gefühl der Beklemmung schnürte ihr die Brust zu. Ich weiß ja, dass er schon lange darauf wartet, in die Berge zurückzukehren, aber erst einmal müssen wir uns um uns selbst kümmern.

Kallik und Yakone hätten am Schmelzenden Meer bleiben können, hatten sich aber entschlossen, Toklo und Lusa auf ihrer Wanderung entlang des Flusses zu begleiten, dorthin, wo Toklo geboren worden war. Kallik war der festen Überzeugung, dass ihre gemeinsame Reise nicht abgeschlossen war, bevor nicht alle von ihnen ein Zuhause gefunden hatten. Lusa blickte zu Yakone, der fieberte und Schmerzen hatte, und sie fragte sich, ob er wohl im Nachhinein lieber bei den anderen Eisbären am Schmelzenden Meer geblieben wäre.

Die Sonne warf scharlachrote Streifen über den Himmel, an dem sich gleichzeitig die ersten Sterne zeigten, aber das schien die Feuerschlange überhaupt nicht zu bekümmern. Sie stob unbeirrt, ohne auch nur im Geringsten ihr Tempo zu verlangsamen, in die Dämmerung hinein. Kallik und Toklo legten sich zum Schlafen nieder, doch Lusa fühlte sich so rastlos, als würden ihr Ameisen durch den Pelz krabbeln. Sie setzte sich neben Yakone und lauschte seinem unregelmäßigen, kratzenden Atem. Sie schaute zum Himmel, aber vom starken Wind war die Sicht so verschwommen, dass sie die Anordnung der Sterne nicht erkennen konnte. »Bist du da, Ujurak?«, fragte sie leise. »Wir brauchen dich so sehr!«

Aber es kam keine Antwort aus der Dunkelheit, und Lusa spürte auch nirgends die Gegenwart ihres geheimnisvollen, seine Gestalt ständig ändernden Freundes. Einsam und verängstigt kauerte sie sich neben Yakone, während die Feuerschlange donnernd durch die Nacht raste.

Schließlich fiel Lusa in einen unruhigen Schlaf. Nach einer Weile wurde sie jedoch von den Stimmen ihrer Freunde geweckt. Sie richtete sich auf und blinzelte verwirrt, bis ihr wieder einfiel, wo sie war.

»Lusa, die Feuerschlange wird langsamer!«, berichtete Kallik aufgeregt. »Anscheinend nähern wir uns irgendeinem Ort.«

»Aber was für einem?« Toklo blickte angestrengt auf die Landschaft vor ihnen.

Ich dachte, Toklo wüsste, wo es hingeht! Beunruhigt schüttelte Lusa ihre Müdigkeit ab und blickte sich um. Die Feuerschlange rollte recht gemächlich auf dem Silberpfad dahin. Da sich zudem der Wind gelegt hatte, war die Umgebung im blassen, kalten Licht der Dämmerung jetzt deutlicher zu erkennen. Die flache Ebene war einer stetig ansteigenden Hügellandschaft gewichen. Die Berge, die sich tags zuvor noch als purpurrote Schatten am Horizont erhoben hatten, sahen jetzt, da sie sich vor ihnen auftürmten, viel massiver aus. Als die Sonne aufging, stellte Lusa fest, dass sich dunkle Wälder über die unteren Hänge erstreckten, auf den Gipfeln aber noch dichter Schnee lag.

»Wow!«, rief sie. »Wir sind schon ganz schön nahe bei den Bergen!«

Die Feuerschlange wurde noch einmal langsamer. Das Abbremsen brachte Lusa ins Schwanken, und als die Feuerschlange dann ruckend zum Stehen kam, verlor sie endgültig das Gleichgewicht. Yakone ächzte vor Schmerzen, als die Kieselsteine ins Rollen kamen und gegen seine verletzte Pfote stießen.

»Runter!«, zischte Toklo. »Flachgesichter!«

Lusa, die ja bereits unfreiwillig zu...

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