Checkliste Traumatologie
von: Volker Bühren, Marius Johann B. Keel, Ingo Marzi
Georg Thieme Verlag KG, 2016
ISBN: 9783132026681
Sprache: Deutsch
656 Seiten, Download: 16309 KB
Format: EPUB, PDF, auch als Online-Lesen
Wieder verfügbar ab: 12.04.2024 11:05
1 Grundlagen und präklinische Versorgung
1.1 Grundlagen
1.1.1 Grundlagen, Definitionen
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Trauma: Akut entstandener körperlicher Schaden mit Gewebezerstörung durch äußere Einwirkung (mechanisch, thermisch, chemisch, aktinisch) und entsprechender Funktionsstörung.
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Schweres Trauma:
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Gewebezerstörung lebenswichtiger Organe.
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Zu erwartende gravierende Defektheilung mit schwerer Funktionsstörung.
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Systemische posttraumatische Schädigung von primär nicht traumatisierten Organen oder Defensivsystemen.
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Polytrauma:
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Definition: Syndrom von Verletzungen mehrerer Körperregionen von definiertem Schweregrad, d.h. ▶ ISS > 16, von denen eine Einzelverletzung oder die Verletzungskombination potenziell lebensbedrohlich ist. Die konsekutiven systemischen Reaktionen können zu Dysfunktion oder Versagen von primär nicht verletzten Organen oder Organsystemen mit vitaler Bedrohung führen.
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Beim Polytrauma werden chirurgisch gut beherrschbare Einzelverletzungen durch ihre kumulative Systembelastung lebensgefährlich. Die kumulativen Traumafolgen („trauma load“, „antigenic load“) führen zu einer posttraumatischen Immunreaktion („host defense response“) mit möglicher nachfolgender Immunparalyse („host defense failure disease“), Sepsis und progressivem, sequenziellem Multiorganversagen.
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▶ Schock, vgl. auch ▶ Schockbehandlung:
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Inadäquate Organperfusion und gestörte Gewebeoxygenierung infolge einer Störung des Kreislaufsystems.
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Ursachen:
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Hämorrhagisch: Hypovolämisch (häufigste Ursache eines Schocks beim Traumapatienten).
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Nichthämorrhagisch: Kardiogen, neurogen, septisch, anaphylaktisch.
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Triage:
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Unter Triage versteht man die Einteilung von Patienten nach dem individuellen Behandlungsbedarf und den zur Verfügung stehenden Ressourcen beim Massenanfall von Verletzten.
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Die Beurteilung der Behandlungsdringlichkeit erfolgt analog zur Individualmedizin nach den ABCDE-Regeln des ▶ ATLS®-Konzepts.
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Ziel der Triage ist die Rettung und Versorgung möglichst vieler Patienten durch optimalen Einsatz der verfügbaren Mittel.
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Unfallbedingte Todesfälle ereignen sich nach einer typischen zeitlichen Verteilung:
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1. Peak: Sekunden bis wenige Minuten nach dem Unfall.
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Todesursachen: Zentrale Gefäßläsionen (z. B. Aortenruptur mit freier Blutung), Lazerationen von Myokard, Gehirn, Hirnstamm und zervikalem Rückenmark.
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Prognose: Diese Patienten können in der Regel nicht gerettet werden.
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2. Peak: Minuten bis Stunden nach dem Unfall.
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Todesursachen: Thoraxverletzungen (Hämato-/Spannungspneumothorax), intrakranielle Hämatome (Epi-/Subduralhämatome), intraabdominelle Verletzungen der parenchymatösen Organe (Milzruptur, Leberlazeration), schwere Beckenverletzungen, mehrfache Verletzungen mit ausgedehntem Blutverlust.
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Prognose: Die Inzidenz der Todesfälle in dieser Gruppe kann durch eine rasche, adäquate initiale Beurteilung und Primärversorgung drastisch gesenkt werden. Ein systematisches Versorgungskonzept (z. B. nach den Richtlinien des Advanced-Trauma-Life-Support-[ATLS®]-Protokolls des „Committee on Trauma of the American College of Surgeons“ [s. u.] ist deshalb von entscheidender Bedeutung zur Senkung der Mortalitätsrate in der „ersten“ Stunde oder „Golden Hour“ nach Trauma.
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3. Peak: Mehrere Tage bis Wochen nach dem Unfall.
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Ursachen: In der Regel traumainduzierte Sekundärschäden, v. a. Sepsis und Organversagen.
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Prognose: Die Inzidenz der Todesfälle in dieser Gruppe wird maßgeblich durch die Qualität der chirurgischen und intensivmedizinischen Therapie in den vorausgehenden Versorgungsphasen beeinflusst.
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„Golden Hour“ nach Trauma:
Unter „Golden Hour” versteht man die Zeitspanne von Minuten bis wenigen Stunden nach dem Unfall, in der das Überleben schwer verletzter Patienten durch eine schnelle adäquate Versorgung gesichert werden kann.
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Rettungskette: Sie bezeichnet den definierten und organisierten Versorgungsweg des Verletzten von der Unfallstelle bis zur definitiv versorgenden Klinik. Wesentliche Glieder der Kette bei schwereren Verletzungen sind die präklinische Notarztversorgung, der Transport mittels standardisiert ausgerüstetem Notarztwagen oder Rettungshubschrauber, die primäre klinische Versorgung im nächstgelegenen, geeigneten Krankenhaus und ggf. die Sekundärverlegung in ein maximal versorgendes Traumazentrum. Für die Rettungskette sind idealerweise Vorgaben und Standards definiert:
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Mittleres Zeitintervall für Alarmierung bis Eintreffen am Unfallort.
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Anzahl und Qualifikation des Personals präklinisch und klinisch.
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Ausstattung der Rettungsmittel (Rettungswagen, Notarztwagen, Rettungshubschrauber, Intensivhubschrauber).
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Kompetenz und Kapazität der aufnehmenden Kliniken.
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Traumanetzwerk: Zur Einteilung klinischer Einrichtungen für die Unfallversorgung hat sich eine Dreiteilung bewährt (Weißbuch Schwerverletztenversorgung der DGU):
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Lokale Traumazentren in Kliniken der Grund- und Regelversorgung:
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Versorgung vorwiegend von Monoverletzungen, z. B. Frakturen der Alterstraumatologie. Leitungsfunktion durch einen spezialisierten Unfallchirurgen und chirurgische Behandlungsmöglichkeit rund um die Uhr.
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Regionales Traumazentrum in Schwerpunktkliniken: Versorgung von komplexen Einzelverletzungen, lebensbedrohlichen Verletzungsmustern und Polytraumen. Spezielle unfallchirurgische Bereitschaft rund um die Uhr wird vorgehalten.
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Überregionales Traumazentrum in Universitäten und maximalversorgenden Kliniken: Es besteht Aufnahmepflicht für alle Schwerstverletzten sowie Vorhaltungspflicht für OP-Kapazität und Intensivbetten. Versorgung von
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Komplexen und komplizierten Einzelverletzungen.
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Speziellen Verletzungsformen wie schwere Verbrennungen.
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Schwersten Schädel-Hirn-Traumen.
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Wirbelsäulenverletzungen mit Lähmungen.
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Polytraumen mit hohem ISS.
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Amputationsverletzungen.
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Speziell zu versorgenden Organverletzungen (z. B. von Leber, Herz und herznahen Gefäßen, Niere).
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Verlegungsfällen mit Komplikationen wie intensivpflichtiger Sepsis,...
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