Dirk und ich - Die lustigsten Geschwistergeschichten aller Zeiten! Mit farbigen Illustrationen

Dirk und ich - Die lustigsten Geschwistergeschichten aller Zeiten! Mit farbigen Illustrationen

von: Andreas Steinhöfel

Carlsen Verlag GmbH, 2016

ISBN: 9783646928716

Sprache: Deutsch

192 Seiten, Download: 6959 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Dirk und ich - Die lustigsten Geschwistergeschichten aller Zeiten! Mit farbigen Illustrationen



SCHNEEFLÖCKCHEN, WEISSRÖCKCHEN


Der erste Schnee fiel in diesem Jahr Anfang Dezember, an einem Samstag.

Dirk und ich, wir kamen morgens in die Küche, wo Mami und Papi schon am Frühstückstisch saßen. Papi musste samstags nicht arbeiten, weil da die Bank geschlossen hatte, wo er Abteilungsleiter war. Mami arbeitete auch, als Sekretärin in Brauns großer Fabrik, aber nur halbtags. Sie erzählte immer allen Leuten, die andere Hälfte vom Tag würde sie dazu brauchen, Papi und uns den Dreck hinterherzuräumen, den wir in der Wohnung machten.

Mami saß also mit Papi am Frühstückstisch und hatte gemütlich die Hände auf ihren dicken Schwangerbauch mit dem Baby drin gelegt. Guckt mal aus dem Fenster raus, sagte sie, wie das Land sich einen weißen Mantel umgelegt hat.

Dirk und ich, wir stellten uns ans Fenster und schauten raus. Dirk sagte, er könnte zwar keinen Mantel sehen, aber alles wäre voller Schnee, und wie klasse das wäre, weil wir jetzt Schlitten fahren und Schneemänner bauen könnten.

Es fielen massenweise Schneeflocken runter vom Himmel, Millionen und Millionen. Ich suchte mir eine einzelne aus, die noch ganz oben war, und guckte ihr so lange nach, bis sie auf dem Boden lag bei den anderen.

Wir wohnten damals noch in dem Haus am Stadtrand, mitten im Wald. Diese Tante von Papi, von der wir später das Haus in der Stadt erbten, die war noch am Leben. Björn war auch noch nicht geboren, er kam erst im Jahr darauf im April zur Welt. Ich hatte auch Tobi noch nicht, mein Meerschweinchen, und Behruz, den dicken Perser, der später mein Freund wurde, lernte ich erst viel später kennen.

Aber Richard war schon mein bester Freund. Wir waren echte Blutsbrüder.

Ich war sieben Jahre alt und Dirk war sechs.

Jedenfalls, an diesem Tag mit dem vielen frischen Schnee wollten Dirk und ich Schlitten fahren nach dem Frühstück.

Papi holte unseren Schlitten vom Dachboden runter. Er sagte, wir sollten die Kiste bloß nicht kaputt fahren, so wie letztes Jahr, als Dirk gegen einen Baum gerast war und sich den Arm gebrochen hatte.

Dirk war immer viel mutiger als ich, aber dafür hatte ich mir auch noch nichts gebrochen. Außer mal im Sommer, da war ich mit dem Fahrrad ein bisschen gegen eine Laterne gefahren. Ich hatte mir zwei Zähne ausgeschlagen und runtergeschluckt. War aber nicht schlimm gewesen, weil, das waren Milchzähne.

Während Papi den Schlitten holte, packte Mami uns in warme Klamotten. Wir mussten Handschuhe anziehen und unsere Pudelmützen. Zuletzt wickelte Mami uns noch die dicken Schals um den Hals, die Oma für uns gestrickt hatte.

Oma war Mamis Mutter. Wenn sie da war, gab es meistens Krach, weil sie Papi nicht leiden konnte. Sie erzählte immer, Papi wäre in seiner Jugend so ein schrecklicher Halbstarker gewesen. Er wäre mit seinem Motorrad durch die Gegend gefahren, um alte Leute zu erschrecken, und nie würde sie verstehen, warum Mami so einen angeberischen Blödmann geheiratet hatte.

Oma erzählte viel von früher. Am liebsten erzählte sie, wie sie nach dem Krieg durch die zerbombte Gegend geflüchtet war und wie sie dabei Tante Gertrud auf ihrem Rücken rumgeschleppt hatte. Dann tat mir Oma immer sehr leid, weil, Tante Gertrud war total fett.

Papis Mutter war schon gestorben, als Dirk und ich noch gar nicht auf der Welt waren. Opas hatten wir auch keine.

Mami wickelte uns also die Schals um den Hals und dabei sagte sie, wir sollten gut auf uns aufpassen, damit wir uns nicht wieder irgendwelche Knochen oder Zähne brechen. Und dann ging es endlich los.

Es gab da eine große Wiese mit einem ganz langen Abhang bis runter zum Schwarzenbach, die war nur eine Viertelstunde von unserem Haus entfernt. Da gingen Dirk und ich hin.

Der Schnee lag ziemlich hoch, und als wir ankamen bei der Wiese, da schneite es immer noch. Es war sehr kalt und still überall. Das einzige Geräusch kam von den Schneeflocken, wie sie leise auf die Erde fielen, und von unseren Stiefeln, wie sie durch den Schnee stapften. Wir kletterten den Abhang rauf und ich zog den Schlitten hinter mir her.

Als wir oben ankamen, wollte Dirk natürlich gleich an der steilsten Stelle von allen runterfahren, die direkt zum Bach führte. Ich dachte mir gleich, dass das nicht gut gehen konnte, aber ich sagte nichts, damit Dirk nicht dachte, ich wäre ein Feigling.

Wir setzten uns auf den Schlitten, Dirk vorne und ich hinten. Festhalten, rief Dirk, jetzt geht die Post ab!

Es war super, vor allem superschnell. Der Wind rauschte mir um die Ohren, die Schneeflocken klatschten mir ins Gesicht und ich konnte kaum was sehen, weil ich die Augen zugekniffen hatte. Es ging schneller und schneller und Dirk schrie, er wäre der beste Schlittenfahrer der Welt, und ich schrie, wann wir endlich ankämen, ich könnte nichts sehen.

Dann gab es einen Schlag.

Ich segelte kurz durch die Luft, es krachte und ich landete mit dem Gesicht voran im Schnee. Es tat total weh und brannte, aber wenigstens waren keine Knochen kaputt.

Dirk war nicht da. Der Schlitten auch nicht. Ich guckte mich um und da hörte ich Dirk schreien, unten im Schwarzenbach. Er saß mittendrin, klatschnass, neben dem Schlitten. Gott sei Dank war der Bach an der Stelle nicht besonders tief. Dafür war die Böschung ganz schön hoch, bestimmt einen Meter.

Ich musste lachen, weil Dirk so witzig aussah mit seiner nassen Pudelmütze auf dem Kopf. Aber er war total sauer und schnauzte mich an, was es da zu lachen gäbe, schließlich hätte ich nicht richtig gelenkt, ich wäre ein Idiot und demnächst sollte ich zu Hause bleiben und Schneemänner bauen.

Ich schnauzte zurück, selber Idiot, du bist einfach zu doof zum Schlittenfahren, und wenn er nicht die Klappe hielte, dann könnte er sehen, wie er alleine aus dem blöden Bach wieder rauskäme. Dirk rief, ich könnte ihn ja sitzen lassen, dann würde er erfrieren und dann würde Weihnachten ausfallen und Silvester wahrscheinlich auch noch, wegen der Trauer.

Ich tat so, als müsste ich lange nachdenken, und dann sagte ich, na gut, ich hol dich raus – aber nur wegen Weihnachten!

Ich hielt mich mit einer Hand am Ast von einem kleinen Baum fest, der über den Bach hing. Die andere Hand streckte ich runter zu Dirk. Es war ziemlich knapp und rutschig wegen des Schnees, aber der Ast hielt. Dirk packte meine Hand und alles wäre prima gewesen, wenn er sich nicht nach dem Schlitten gebückt hätte, ohne mich dabei loszulassen, der Trottel.

Der Ast knackte, riss ab und ich stürzte die Böschung runter in den Bach. Ich wollte schreien, aber da hatte ich den Mund schon voll mit Wasser. Es war eiskalt. Vor lauter Schreck konnte ich kaum atmen.

Als ich mich aufgerappelt hatte, stand Dirk neben mir und lachte sich halb tot. Ich war so stinksauer, dass ich ihm eine mit meinem nassen Handschuh klebte. Da lachte Dirk nicht mehr, aber er klebte mir eine zurück und ruck, zuck lagen wir im Wasser und kloppten uns. Wenn es nicht so entsetzlich kalt gewesen wäre, hätten wir uns bestimmt viel länger geprügelt, aber es ging einfach nicht.

Wir mussten den Bach ein ganzes Stück nach unten laufen, bis endlich eine Stelle kam, wo wir rausklettern konnten. Mittlerweile hatte es aufgehört zu schneien, aber es war windig und wir zitterten vor Kälte. Ich hatte Angst, dass wir beide festfrieren und dann in der Gegend rumstehen würden wie zwei Eiszapfen. Keiner könnte uns so zugefroren erkennen und Mami und Papi müssten die Polizei anrufen und uns suchen lassen. Es würde Monate dauern, bis sie uns fänden, bis zum Frühling, und in der Zwischenzeit würden die Hunde von den Spaziergängern an uns dranpinkeln, weil sie dachten, wir wären irgendwelche eingeschneiten Büsche.

Am liebsten hätte ich geheult, aber dann würden mir womöglich die Augen zufrieren. Alles war total schrecklich und dann pinkelte Dirk sich auch noch in die Hose.

Als wir zu Hause ankamen, war Mami total wütend. Sie zog uns die nassen Sachen aus und steckte uns in die Badewanne, in ganz heißes Wasser. Mami sagte, weil ihr so doof seid und nicht auf euch selber aufpassen könnt, verbiete ich euch jetzt das Schlittenfahren, und zwar für die ganze nächste Woche.

Dirk fing an zu heulen, aber ich dachte, von mir aus, der blöde Schlitten liegt sowieso noch im Bach. Das musste ich leider auch Papi sagen, als er nach dem Schlitten fragte, und dann war der auch noch sauer. Er sagte, es würde uns völlig recht geschehen, dass wir jetzt eine Woche lang nur Schneemänner bauen konnten.

Er holte aber den Schlitten, während Mami Dirk und mich in die Schlafanzüge steckte und uns dann im Wohnzimmer auf der Couch ein Bett baute, mit unten einer Wärmflasche für die Füße. Sie grinste und sagte, wir wären zwar doof, aber trotzdem ihre Schätze, deshalb würde sie uns jetzt heißen Kakao machen.

Als Papi mit dem Schlitten wiedergekommen war, mussten Dirk und ich genau erzählen, wie wir im Schwarzenbach gelandet waren und wie wir uns gekloppt hatten und alles.

Also, sagte Papi, ihm wäre früher mal etwas Ähnliches passiert. Und er erzählte, wie er als Kind mit Onkel Alfred, seinem Bruder, beim Schlittenfahren im Dorfteich gelandet war. Sie hatten eine Ente überfahren auf dem zugefrorenen Teich, bevor sie ins Eis einkrachten, und die Ente war ins Loch gefallen und abgesoffen und nie wieder aufgetaucht.

Mami sagte, also Peter! Erzähl den Kindern nicht solche schrecklichen Sachen!

Papi sagte, das war nicht schrecklich. Schrecklich war, dass der Mann von der Ente, der Erpel, sich in das Loch hinterhergeschmissen hatte, und zwar aus Verzweiflung über den Verlust seiner Geliebten....

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