Augustus - Roman

Augustus - Roman

von: John Williams

dtv, 2016

ISBN: 9783423430876

Sprache: Deutsch

480 Seiten, Download: 1159 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Augustus - Roman



BUCH I


ERSTES KAPITEL


I. Fragmente
DIE MEMOIREN DES MARCUS AGRIPPA
(13 V. CHR.)


… Ich war bei ihm in Actium, als Schwerter gegen Schwerter Funken hieben, das Blut der Soldaten die Decks überflutete und das blaue Ionische Meer verfärbte, als Speere durch die Luft pfiffen und brennende Buge durchs Wasser zischten, als der Tag von den Schreien der Männer erfüllt war, deren Fleisch in Rüstungen garte, die sie nicht ablegen konnten; und davor war ich bei ihm in Mutina, wo eben jener Marcus Antonius unser Lager überrannte und sein Schwert in das leere Bett stieß, in dem Cäsar Augustus gelegen hatte, dort, wo wir durchhielten und uns die erste Macht verdienten, die uns die Welt geben sollte; und bei Philippi, wohin er so krank reiste, dass er sich nicht auf den Beinen halten konnte und sich auf einer Trage zu den Truppen bringen ließ, wo er durch die Mörder seines Vaters erneut dem Tode nahe kam und kämpfte, bis er die Mörder des sterblichen Julius, der ein Gott wurde, von eigener Hand erledigte.

Ich bin Marcus Agrippa, gelegentlich auch Vipsanius genannt, Tribun des Volkes und Konsul des Senats, Soldat und General des römischen Imperiums, Freund von Gaius Octavius Cäsar, heute Augustus geheißen. Ich schreibe diese Memoiren im fünfzigsten Jahr meines Lebens, um der Nachwelt von jener Zeit zu berichten, da Octavius ein in den Fängen von Splittergruppen blutendes Rom vorfand, in der Octavius Cäsar dieses rebellische Biest erschlug und sich des nahezu leblosen Körpers annahm; in der Augustus die Wunden der Stadt heilte und Rom wieder erstarken ließ, auf dass es erneut energisch die Grenzen der Welt abschritt. Zu diesem Triumph habe ich meinen Teil entsprechend meinen Fähigkeiten beigetragen, und von diesem Anteil werden meine Memoiren berichten, auf dass die Historiker künftiger Zeiten ihr Staunen über Augustus und Rom begreifen.

Unter dem Kommando von Cäsar Augustus erledigte ich mehrere Aufgaben für das Wiedererstarken Roms, Pflichten, für deren Erfüllung ich reich belohnt wurde. Dreimal war ich Konsul, einmal Ädil und Tribun, zweimal Statthalter Syriens, und zweimal erhielt ich das Siegel der Sphinx von Augustus höchstpersönlich, während dieser schwerkrank daniederlag. Bei Perusia führte ich die Legionen Roms siegreich gegen Lucius Antonius, in Gallien gegen die Aquitanier und am Rhein gegen die germanischen Stämme, Dienste, für die ich einen Triumphzug in Rom ablehnte; auch in Spanien und Pannonien wurden aufständische Stämme und Machtgruppen niedergeschlagen. Von Augustus bekam ich den Titel des obersten Kriegsherrn unserer Flotte verliehen, und wir brachten unsere Schiffe vor dem Piraten Sextus Pompeius in Sicherheit, indem wir einen Hafen westlich der Bucht von Neapel anlegen ließen und Schiffe bauten, die Pompeius später vor der Küste Siziliens bei Mylae und Naulochus besiegten, wofür mich der Senat mit der Corona navalis belohnte. Bei Actium schlugen wir den Verräter Marcus Antonius und hauchten so der siechen Stadt Rom neues Leben ein.

Um die Errettung Roms vor ägyptischem Verrat zu feiern, ließ ich jenen Tempel errichten, den man heute Pantheon nennt, aber auch andere öffentliche Gebäude. Als Oberhaupt der Verwaltung unter Augustus und dem Senat habe ich die alten Aquädukte der Stadt instand setzen und neue bauen lassen, damit es für die Bürger und das Volk Roms stets genügend Wasser gibt und sie frei von Krankheiten bleiben; als der Friede kam, half ich, die Welt zu vermessen und Karten anzulegen, ein Projekt, das zur Zeit der Diktatur von Julius Cäsar begonnen worden war, unter seinem Adoptivsohn aber endlich vollendet werden konnte.

Von all diesen Dingen werde ich im Fortgang meiner Memoiren ausführlicher berichten. Nun aber will ich von jener Zeit erzählen, in der dies seinen Anfang nahm, von dem Jahr der triumphalen Rückkehr des Julius Cäsar aus Spanien, jenem Feldzug also, an dem auch Gaius Octavius, Salvidienus Rufus und ich teilgenommen haben.

Denn ich war bei ihm in Apollonia, als er die Nachricht vom Tode Cäsars erhielt …

II. Brief
GAIUS CILNIUS MAECENAS AN TITUS LIVIUS
(13 V. CHR.)


Du musst mir verzeihen, mein lieber Livy, dass ich erst jetzt antworte. Die üblichen Klagen: Der Ruhestand scheint meine gesundheitliche Verfassung nicht im Mindesten verbessert zu haben. Die Ärzte schütteln ihre weisen Häupter, brummeln geheimnisvoll und streichen ihre Honorare ein. Nichts will helfen – nicht die eklige Medizin, die sie mir einflößen, und sogar meine Abstinenz von Vergnügungen nicht, an denen ich mich (wie Du weißt) früher erfreut habe. Die Gicht hat es mir in den letzten Tagen unmöglich gemacht, eine Feder zu halten, dabei weiß ich, wie sorgfältig Du Deiner Arbeit nachgehst und wie dringend Du meiner Hilfe in jenen Angelegenheiten bedarfst, von denen Du mir geschrieben hast. Zu all den Gebrechen gesellte sich in den letzten Wochen auch noch Schlaflosigkeit, weshalb ich bei Tage müde und kraftlos bin. Meine Freunde aber haben mich nicht im Stich gelassen, und mir bleibt das Leben, für beides muss ich dankbar sein.

Du hast mich nach den frühen Tagen meiner Verbundenheit mit unserem Herrscher gefragt. Vielleicht solltest Du also wissen, dass er die Güte besaß, mich erst vor drei Tagen in meinem Haus aufzusuchen und sich nach meinem Befinden zu erkundigen, weshalb ich es für angebracht hielt, ihn über Deine Anfrage in Kenntnis zu setzen. Er hat gelächelt und mich gefragt, ob ich es denn für geboten halte, einem so hartnäckigen Republikaner wie Dir unter die Arme zu greifen, was dazu führte, dass wir über alte Zeiten redeten, wie Männer es nun einmal tun, für die der Herbst des Lebens angebrochen ist. Er erinnert sich noch lebhafter – auch an Kleinigkeiten – als ich selbst, dessen Beruf es doch war, nichts zu vergessen. Schließlich habe ich ihn gefragt, ob er es nicht vorziehe, Dir seinen eigenen Bericht über jene Zeit zu schicken. Einen Moment schaute er in die Ferne, dann lächelte er und sagte: »Nein – noch eher als Dichter und Historiker sollten Herrscher ihre Erinnerungen ruhen lassen.« Er bat mich nur, Dich herzlich zu grüßen und gab mir die Erlaubnis, Dir in aller Unvoreingenommenheit zu schreiben.

Doch wie unvoreingenommen kann ich sein, wenn ich Dir von jenen Tagen erzähle? Wir waren jung, und auch wenn Gaius Octavius, wie er damals noch genannt wurde, gewusst hat, dass er vom Schicksal begünstigt war und Julius Cäsar beabsichtigte, ihn zu seinem Adoptivsohn zu erklären, hatten weder er noch ich, weder Marcus Agrippa noch Salvidienus Rufus, die wir seine Freunde waren, eine klare Vorstellung davon, wohin uns dies führen würde. Mir mangelt es an der Unvoreingenommenheit des Historikers, mein Freund; Du magst von Menschen und Armeen berichten können, vom komplizierten Verlauf staatlicher Intrigen, magst Siege und Niederlagen gegeneinander abwägen, Geburten und Tode vermelden – und in der schlichten Weisheit Deiner Aufgabe doch frei von der schrecklichen Last jener Art des Wissens bleiben, die ich zwar nicht benennen kann, die ich aber im Verlauf der Jahre immer deutlicher zu verstehen glaube. Ich weiß, was Du von mir willst; und Du verlierst zweifellos bald die Geduld mit mir, weil ich nicht zur Sache komme und Dir die Fakten liefere, die Du brauchst. Doch vergiss nicht, dass ich trotz meiner Dienste für den Staat ein Dichter bin und daher unfähig, mich irgendeiner Sache auf direktem Wege zu nähern.

Es mag Dich überraschen zu erfahren, dass ich Octavius erstmals begegnete, als ich ihn in Brundisium traf, wohin man mich gesandt hatte, damit ich mich ihm und einigen Freunden auf ihrem Weg nach Apollonia anschloss. Die Gründe, warum man mich dorthin schickte, sind mir noch immer unbekannt, allerdings bin ich mir sicher, dass es auf Veranlassung von Julius Cäsar geschah. Lucius, mein Vater, hatte ihm einmal einen Gefallen getan; und wenige Jahre zuvor hatte Julius uns in unserem Landhaus in Arezzo besucht. Ich stritt mich mit ihm wegen irgendetwas (ich glaube, ich beharrte darauf, dass Kallimachos’ Gedichte denen von Catullus überlegen seien) und wurde arrogant, gar ausfallend, hielt mich aber für überaus witzig. Ich war jung. Jedenfalls fand er mich wohl amüsant, und wir unterhielten uns eine Weile. Zwei Jahre später befahl er meinem Vater, mich zur Gesellschaft seines Neffen nach Apollonia zu schicken.

Mein Freund, ich muss Dir gestehen (auch wenn Du vielleicht nichts damit anzufangen weißt), dass Octavius bei unserer ersten Begegnung keinen großen Eindruck auf mich machte. Ich hatte gerade den Weg von Arezzo nach Brundisium zurückgelegt, war also zehn Tage auf Reisen gewesen, müde bis auf die Knochen, dreckig vom Staub der Straße und ziemlich gereizt. Ich traf die Gruppe an der Pier, an der wir ausstiegen. Agrippa und Salvidienus unterhielten sich, Octavius stand ein wenig abseits und betrachtete ein kleines, in der Nähe ankerndes Schiff. Sie gaben nicht zu erkennen, dass sie mich kommen sahen. Ich sagte – ein wenig zu laut, wie ich fürchte: »Ich bin Maecenas, der hier zu euch stoßen soll. Also wer ist wer?«

Agrippa und Salvidienus betrachteten mich amüsiert und sagten mir ihre Namen; Octavius drehte sich nicht um, weshalb ich seinem Rücken Arroganz und Geringschätzung anzumerken meinte. »Dann musst du der andere sein, den man Octavius nennt«, rief ich.

Da drehte er sich um, und ich wusste, wie falsch ich gelegen hatte, denn sein Gesichtsausdruck verriet eine fast verzweifelte Schüchternheit. Er sagte: »Ja, ich bin...

Kategorien

Service

Info/Kontakt