Faszie trifft Muskel - Funktionelles Training

Faszie trifft Muskel - Funktionelles Training

von: Markus Roßmann, Lamar Lowery

Meyer & Meyer, 2017

ISBN: 9783840336478

Sprache: Deutsch

232 Seiten, Download: 11766 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Faszie trifft Muskel - Funktionelles Training



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FASZIEN


3.1 Was sind Faszien?

3.2 Die Funktionen der Faszien

Bevor ich im Folgenden die theoretischen Grundlagen für das Faszientraining darlege, möchte ich vorab auf drei mir besonders wichtige Punkte hinweisen:

1. Wie schon in der Einleitung erwähnt, kann man Muskeln und Faszien nicht trennen. Das heißt, dass bei jeder Bewegung Muskeln und Faszien beteiligt sind. Wenn wir in diesem Buch von Faszientraining sprechen, dann liegt das Hauptaugenmerk des Trainings auf den Faszien und nicht auf den Muskeln.

2. Ich bzw. wir haben die Bewegung nicht neu erfunden. Es wird in diesem Buch immer wieder vorkommen, dass ihr Übungen oder Bewegungen wiedererkennt, die ihr schon seit Jahren so macht. Dessen sind wir uns bewusst. Die Vorteile beziehungsweise neuen Erkenntnisse für euch sind aber jetzt, dass ihr diese Übungen ...

unter einem anderen Kontext betrachtet und bewusster, in Bezug auf Faszien, benutzen könnt;

wissenschaftlich begründen könnt, was in vielen Fällen bisher nicht möglich war.

3. Ich bin nicht der Meinung, dass Faszientraining das beste und alles bestimmende Training ist und dass ihr ab jetzt nur noch Faszienübungen bzw. Faszientraining machen sollt. Ich bin mir sicher, dass alles oder zumindest das meiste, was ihr bisher gelernt und umgesetzt habt, Sinn macht und wichtig ist. Um gesund und leistungsfähig zu bleiben, geht es immer darum, eine Balance zwischen Stabilität und Flexibilität aufrechtzuerhalten. Ein guter Trainer oder Therapeut ist sich dessen bewusst und betont daher im Training mal mehr die Muskeln, die Faszien oder auch mal ganz andere Dinge oder Strukturen. Sind wir mal ehrlich. Jeder Trainer und Therapeut entwickelt im Laufe der Zeit sein eigenes Trainings- oder Therapiekonzept. So soll es sein und so ist es aufgrund individueller Wünsche und Gegebenheiten auch sinnvoll und wichtig. Faszientraining ist dabei ein weiteres Werkzeug in unserem Werkzeugkasten. Wendet man es zur rechten Zeit in der richtigen Situation an, dann wird man Erfolg haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger! Und genau das ist die optimale Anleitung zu diesem Buch. Lest es, nehmt euch das heraus, was zu euch und euren Kunden passt und integriert es in Training oder Therapie. So werdet ihr, da bin ich mir aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen sicher, auf diese Impulse nicht mehr verzichten wollen.

3.1 WAS SIND FASZIEN?


Unter Faszien versteht man das Gewebe, welches alles im Körper mit allem verbindet.

© Abdruck genehmigt durch EndovivoProductions und J. C. GUIMBERTEAU M.D / Spinnennetzähnliche kollagene Strukturen verbinden alles mit allem!

Es scheint für uns zunächst völlig unvorstellbar, aber in unserem Körper gibt es so gut wie keine Stelle, die leer, also ohne irgendeine Struktur, ist. Man kann sich unser fasziales System in unserem Körper wie ein dreidimensionales, bewässertes Spinnennetz vorstellen, wobei die Fäden manchmal hauchdünn und manchmal fingerdick sein können.

Eigentlich existiert nur EINE Faszie in unserem Körper, da das Fasziennetz eine durchgängige Struktur ist, die nie unterbrochen wird. Dennoch spricht man in der Praxis von den Faszien, da es für die Praktiker einfacher ist, zu beschreiben, um welche lokale Faszienstruktur es sich gerade handelt beziehungsweise welche faszialen Strukturen man gerade trainiert bzw. behandelt.

Je nach ihrer Funktion sind Faszien mal eher elastisch, um Bewegungen zu unterstützen und dann mal wieder hart und fest, um Stabilität im Körper zu erzeugen.

Laut FCAT (Federative Committee on Anatomical Terminology) sind die Faszien aus anatomischer Sicht nur derbe Membranen.

Die Faszienforscher betrachten diese allerdings aus einer funktionellen Sichtweise. Demnach sind Faszien alle dehnbaren Strukturen, d. h. alle faserigen und kollagenhaltigen Bindegewebsstrukturen wie Muskelbindegewebe, aber auch die Bänder, Sehnen, Gelenkund Organkapseln.

Gerade die letztgenannten Strukturen sind für die Energie- und Bewegungsübertragung im Körper von großer Bedeutung.

Faszien passen sich der Belastung an. Einseitige Belastungen bzw. Bewegungsmangel führen dazu, dass fasziale Strukturen im wahrsten Sinne des Wortes austrocknen, verfilzen, verhärten und damit an Funktionalität verlieren. Die richtigen Bewegungsreize bewirken, dass die faszialen Strukturen reißfester werden, aber dennoch elastisch bleiben und so unter anderem dazu beitragen, dass andere Strukturen (wie z. B. Muskeln) besser „funktionieren“ können.

Die Hauptbestandteile dieses Gewebes sind Wasser (plus Zuckermoleküle = Grundsubstanz) und Fasern (hauptsächlich Kollagen und Elastin) sowie verschiedene Zellen (hauptsächlich Fibroblasten). Fibroblasten sind Zellen, die für den Ab- und Aufbau aller festen Bestandteile der Faszien und somit auch des Kollagens verantwortlich sind.

Es gibt viele unterschiedliche fasziale Strukturen in unserem Körper. Die für das Training interessantesten Strukturen sind die folgenden:

a) Die intramuskulären faszialen Strukturen (= u.a. die Muskelhaut)


Sie haben eine scherengitterförmige Anordnung, die zudem gewellt ist, um möglichst großen Zugbelastungen standzuhalten. Diese kollagenhaltige Haut, die man um jede Muskelfaser, um jedes Muskelfaserbündel und um jeden Muskel findet, ist u. a. dafür verantwortlich, dass alle Strukturen, wenn sie denn gut bewässert sind, gut gleiten können. Weiterhin hat man festgestellt, dass sie bei Bewegungen, auch bei der Muskelenergieübertragung, eine wichtige Rolle spielen.

Bewegt man sich zu wenig oder einseitig, dann trocknen sie aus und es kann zu Verklebungen oder Verfilzungen kommen, wodurch die Gleitfähigkeit der einzelnen Strukturen eingeschränkt wird und die Übertragung von kinetischer Energie abnimmt.

© fascialnet.com /
Von der einzelnen Muskelfaser bis zum kompletten Muskel – alles ist mit einer Faszienhaut umhüllt!

Entnommen aus Slomka, G. (4. Aufl. 2015).

Faszien in Bewegung, S. 48.

 Gitternetzartig verlaufende Kollagenfasern

b) Die faszialen Strukturen: Bänder, Sehnen und Gelenkkapseln


Bei diesen Strukturen sind die kollagenen Fasern eher parallel angeordnet bzw. der Belastung angepasst. Auch sie haben die Aufgabe, neben der Stabilisation von Gelenken, kinetische Energie von einem Körperteil zum anderen zu übertragen.

Ziel eines effektiven sportlichen Trainings sollte es somit sein, Reize zu setzen, die dazu beitragen, dass diese Strukturen mehr kinetische Energie speichern können und reißfester werden. Bänder, Sehnen und Gelenkkapseln, die die o. g. Eigenschaften aufweisen, tragen dazu bei, dass sportliche Bewegungen ökonomischer durchgeführt und dadurch Kraft und Energie gespart werden kann.

© Adobe Stock /
Bänder- und Kapselstrukturen des Fußgelenks

Entnommen aus Slomka, G. (4. Aufl. 2015).

Faszien in Bewegung, S. 48.

Parallel verlaufende Kollagenfasern

3.2 DIE FUNKTIONEN DER FASZIEN


Faszien übernehmen in unserem Körper unterschiedliche Funktionen:

Faszien dienen als Platzhalter für Muskeln und Organe und stabilisieren somit den Körper

Faszien sind an jeder Bewegung beteiligt

Diese Tatsache alleine sollte Anlass genug sein, dass man das Organ bewusst wahrnimmt und ihm ausreichend Aufmerksamkeit und Trainingsimpulse zukommen lässt. Die Leistung einer Bewegung ist abhängig von der Beschaffenheit der Muskeln und der Beschaffenheit der Faszien sowie von der koordinativen Abstimmung zwischen Muskeln und Faszien.

Faszien beeinflussen die Beweglichkeit

Das Bindegewebenetzwerk ist das System, welches alles mit allem verbindet. Sind diese Strukturen elastisch und gut bewässert, dann können alle nah aneinanderliegenden Strukturen gut aneinander gleiten. Trocknen sie jedoch aus und werden hart und fest, dann beeinflusst das die Gleitfähigkeit der einzelnen Strukturen im negativen Sinne, d. h., die Beweglichkeit und die Leistungsfähigkeit nehmen ab und die Verletzungsgefahr steigt.

Faszien übertragen die kinetische Energie der Muskeln

Es wurde festgestellt, dass die Übertragung der durch Muskeln erzeugten Energie auf andere Körperteile bei einer sportlichen Bewegung nicht nur über den Band-, Sehnen- und Gelenkkapselapparat stattfindet, sondern auch über die Muskelhaut. Sind die Übertragungseigenschaften der Faszien gut, dann kann der Sportler seine maximale Leistungsfähigkeit abrufen. Sind diese Eigenschaften durch unzureichende „Pflege“ der Faszien gestört, dann ist es nachvollziehbar, dass die Leistungsfähigkeit abnimmt und die Verletzungsgefahr steigt.

Das Immunsystem unseres Körpers ist abhängig von der Beschaffenheit der Faszien

In „gesunden“ Faszien werden Abfallstoffe abtransportiert. In der Grundsubstanz, einem wichtigen Bestandteil der Faszien, schwimmen sogenannte Fresszellen des Immunsystems und fressen Zelltrümmer und Bakterien. Trocknen die Faszien aufgrund von Bewegungsmangel oder einseitiger Bewegung aus, so liegen die Fresszellen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen. Ich glaube, dass sich jeder vorstellen kann, dass die Fresszellen dann...

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