Einführung in die Literatur der Romantik

Einführung in die Literatur der Romantik

von: Monika Schmitz-Emans, Gunter E. Grimm, Klaus-Michael Bogdal

wbg Academic in der Verlag Herder GmbH, 2017

ISBN: 9783534739899

Sprache: Deutsch

174 Seiten, Download: 1250 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Einführung in die Literatur der Romantik



II. Forschungsbericht


1. Die Erfindung der Romantik


Rezeptionsgeschichte der europäischen Romantik

Die wissenschaftliche Diskussion über das „Romantische“ verlief im deutschen Sprachraum besonders lebhaft und intensiv. Konzipiert wird die „Romantik“ zuerst von Deutschen, die sich dabei freilich auf den umfassenden Kontext abendländischer Kulturgeschichte beziehen. A. W. Schlegels Ausführungen über die romantische Kultur sind Pionierleistungen, welche das Romantische als das Signum einer neuen Zeit nicht nur beschreiben, sondern – performativ – zugleich mit inaugurieren. Jean Paul, selbst meist nicht als Romantiker apostrophiert, verankert Kernideen des romantischen Diskurses in der Poetik. Hegels Vorlesungen über die Ästhetik liefern dann bereits erste wegweisende philosophische Analysen des Romantischen, das hier als Ausdruck einer Herrschaft des Geistes über das Äußere interpretiert wird. Das „Reich des Äußerlichen“ vermag in der romantischen Ära Hegels Diagnose zufolge „die Innerlichkeit nicht mehr auszudrücken“, und die Musik als Medium, welches am wenigsten ans Äußerliche gebunden sei, gilt ihm als die ideale romantische Kunstform. Aus außerdeutscher Perspektive wird Romantik lange Zeit vorzugsweise als deutsches Phänomen wahrgenommen. Erst in der Restaurationszeit bürgert sich in Frankreich der Begriff des Romantischen ein. Noch anders stellt sich die Situation in Italien dar. Hier wird offenbar kein Oppositionsbegriff zum Klassischen benötigt; es besteht auf dem Boden der klassischen Kultur kein Bedürfnis, ein Gegenkonzept zur antiken Kultur zu entwickeln, so dass eine entsprechende Ausdifferenzierung von Romantischem unterbleibt. Auch in England entsteht Romantik nicht aus einer starren Opposition heraus; die Grenzlinie zwischen Klassizisten und Parteigängern oder Vorläufern der Romantik ist nicht klar auszumachen. Im deutschen Sprachraum dominiert demgegenüber ein Bedürfnis nach abgrenzender, differenzierender, ja oft polemisch kontrastierender Begriffsbestimmung des Romantischen. Damit ist zu erklären, dass sich hier Verschiebungen und Umwertungen im Umgang mit diesem Begriff deutlicher illustrieren lassen als im kritischen Schrifttum anderer Länder. Romantik ist historisch gesehen zunächst vorrangig ein Thema der Germanisten gewesen, und nicht zufällig ist die Geschichte der Romantikforschung aufs Engste mit der Geschichte der Germanistik verknüpft.

2. „Romantik“ als Integrationsbegriff


Sozialgeschichte und Kulturgeschichte

Die Entwicklung und Akzentuierung der Idee einer romantischen Kunst und Literatur zu Beginn des 19. Jahrhunderts vollziehen sich in enger Wechselwirkung mit sozialgeschichtlichen Veränderungen komplexer Art, insbesondere als Beitrag zur Ausdifferenzierung einer bürgerlichen Kultur, die sich auf die Zukunft hin orientiert und zu diesem Zweck unter anderem die Vergangenheit neu erfindet. Mit Blick auf diesen konstruktiven und innovativen Grundzug spricht man von einer romantischen Politik, Philosophie, Theologie, Naturwissenschaft und Medizin. Zu den bemerkenswertesten Kuriosa in der Geschichte des Wortfeldes um „Romantik“ gehört es allerdings wohl, dass dieser Ausdruck, der bei aller (angeblichen oder tatsächlichen) Mittelalterbegeisterung der sogenannten Romantiker doch im wesentlichen als Kampfbegriff zur Legitimation des Neuen konzipiert worden ist, schließlich zumindest in der Umgangssprache zum Äquivalent für Rückwärtsgewandtheit und Konservativismus wird. Tatsächlich verhalten sich die Dinge komplexer: Die Idee einer romantischen Kultur ist mit der Erinnerung an das christliche Mittelalter deshalb assoziativ verknüpft, weil sie auf die nachantike und insofern christliche – also neuzeitliche – Ära verweist. Die Faszination der romantischen Autoren durch das Mittelalter und die frühe Neuzeit ist zumindest in der Frühromantik Ausdruck der Ausrichtung auf Zukünftiges, weil einem weitgehenden Konsens zufolge gerade das christliche Mittelalter das Absehen von der Gegenwart propagiert und den Blick in räumliche wie in zeitliche Fernen gelenkt hat. Eine entsprechende Stilisierung erfährt es etwa bei Novalis (Die Christenheit oder Europa), wo im Bild eines einigen mittelalterlichen Europas die politische Vision eines idealen Staatswesens umrissen wird.

Das Konzept einer „romantischen Schule“

Eine recht frühe, subjektiv-engagierte und zugleich langfristig folgenreiche Kritik erfährt das, was man im 19. Jahrhundert unter dem Sammelbegriff „Romantik“ zusammenzufassen pflegt, durch Heinrich Heine. Seine Abhandlung über Die romantische Schule von 1836 ist eine geistreiche Kampfschrift, welche bei der Auseinandersetzung mit ihren Gegenständen Simplifizierungen nicht scheut: Heine identifiziert Romantik mit Christentum, Christentum mit Katholizismus, Katholizismus mit Reaktion. Von einzelnen Romantikern ist er fasziniert, während ihm die Gebrüder Schlegel und ihr Kreis verdächtig bleiben. Heines vorrangiges Ziel ist die Korrektur des Bildes, das sich – initiiert durch Madame de Staël – die Franzosen von der deutschen Romantik machen (Heine lebt damals in Paris). Und so kommt es zur Erfindung einer romantischen „Schule“, die doch tatsächlich nie als solche existiert hat.

3. Romantikforschung im 19. Jahrhundert


Romantikkritik

In den ersten nach-romantischen Generationen gerät der ursprünglich progressive Impuls der romantischen Strömung weitgehend in Vergessenheit. Scharf kritisiert wird die Romantik einige Jahre nach Heines Romantischer Schule von Theodor Echtermeyer und Arnold Ruge in den Hallischen Jahrbüchern (1839/40). Ihr Manifest über den Protestantismus und die Romantik ist durch seine anti-reaktionäre Grundhaltung geprägt. Verschiedene weitere Vertreter liberaler Literaturgeschichtsschreibung im 19. Jahrhundert bleiben bei dieser kritischen Haltung gegenüber der Romantik, so Georg Gottfried Gervinus mit seiner Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen (1835–1842) und seiner Geschichte des 19. Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen (1855). „Romantik“ wird hier mit Wirklichkeitsferne und Eskapismus gleichgesetzt. Als Ursache macht Gervinus den reaktionären Grundzug der Romantik aus – eine Kombination von Antirationalismus und Fortschrittsfeindlichkeit, gepaart mit (antifranzösisch motiviertem) Antiklassizismus. Weiterer liberale Romantikkritiker des 19. Jahrhunderts, die sich dieser Sichtweise im wesentlichen anschließen, sind Hermann Hettner, Julian Schmidt und August Koberstein. Mit fortschreitender historischer Distanz verschiebt sich die Perspektive erneut. Als Liberaler, der die Romantik objektiver zu beurteilen versucht, warnt Rudolf Haym 1870 vor einer allzu undifferenzierten Bewertung romantischen Gedankenguts. Als einflussreich erweist sich vor allem seine – problematischeinseitige – Kontrastierung von Romantik und Aufklärung, die später für die marxistische Literaturkritik wegweisend ist. Wilhelm Scherer, ein wichtiger Vertreter des Positivismus, konzentriert sein Interesse auf die Spätromantik und deren Hinwendung zum „vaterländischen Leben“; teilweise werden dabei nationalistische Positionen der 20er- und 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts antizipiert. Vielfach spielt man im ausgehenden 19. Jahrhundert das Romantische im Sinne einer Aufwertung der Vergangenheit gegen die als trivial und seelenlos geltende Gegenwart aus, so etwa Wilhelm Dilthey, der Dichtung generell als Ausdruck von „Erlebnissen“ deutet. In Diltheys Spuren, damit aber zugleich in denen Hegels, bewegt sich die gesamte geistesgeschichtlich orientierte Literaturwissenschaft, so etwa Oskar Walzel, Hermann August Korff und Fritz Strich.

4. Romantikforschung im 20. Jahrhundert


Neoromantik und Nationalismus

Weitgehend lebensphilosophisch geprägt ist die Rezeption der Romantik um die Jahrhundertwende, und vor diesem Hintergrund bildet sich um 1900 eine neoromantische Bewegung. Damit einher geht eine tendenzielle Umwertung der bis dato meist einseitig als konservativ bzw. (je nach Standpunkt des Beobachters) reaktionär betrachteten Romantik; man entdeckt deren progressiven Charakter neu und betrachtet ihn als wegweisend für die Gegenwart. Vor dem Hintergrund der neoromantischen Bewegung entstehen erste wissenschaftlich brauchbare Editionen der Werke von Hölderlin, Novalis und Kleist. Die Auseinandersetzung mit der Romantik vollzieht sich weiterhin im Zeichen wechselnder Versuche einer Vereinnahmung für Fortschritt oder Reaktion. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg begreift sich die deutsche Romantikforschung mehr denn je als germanistischer Beitrag zur nationalen Sache. Bedenkliche Belege für nationalistische Entgleisungen könnten zitiert werden. Als romantische Grundhaltungen gelten nun Antiintellektualismus, Antimaterialismus und das metaphysische Bedürfnis nach ewigen Werten. Nüchterner nehmen sich demgegenüber andere Versuche aus, innerhalb der Romantik zwischen reaktionären und progressiven Impulsen zu differenzieren. In den 20er- und 30er-Jahren steht die Romantikforschung insgesamt im Zeichen einer deutlichen Politisierung. Auf deutscher Seite werden fragwürdige Versuche ideologischer Vereinnahmung der romantischen...

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