Die Küste - Lebensraum zwischen Land und Meer

Die Küste - Lebensraum zwischen Land und Meer

von: Bruno P. Kremer, Fritz Gosselck

wbg Theiss, 2017

ISBN: 9783806236088

Sprache: Deutsch

192 Seiten, Download: 36936 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Die Küste - Lebensraum zwischen Land und Meer



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Vom Großen und Ganzen


 

Das Meer ist eine große Verschönerung aller Landschaften.

Karl Friedrich Schinkel (1781 bis 1841)

Diese Erfahrung werden Sie vermutlich sofort bestätigen: Vom Wasser – und selbst von den kleinen Binnengewässern – geht erwiesenermaßen eine eigenartige Faszination aus. Als Kind haben Sie gewiss viel lieber an einem Bachufer oder Teichrand gespielt als auf der staubigen Straße. Dieser besonderen Vorliebe für das nasse Element kommt man heute in vielen (Groß-)Städten sinnvollerweise entgegen: Vielfach gibt es hier die bei Kindern außerordentlich beliebten Wasserspielplätze mit ihren vielen Aktionsmöglichkeiten. Die so schon frühzeitig begründete Affinität zum Wasser bleibt meist ein Leben lang erhalten. Wenn der Reisekatalog mit Südseestrand und Palmenhainen zielführend zur nächsten Urlaubsplanung motiviert, zeigt er zwar meist nur den Rand des Festlandes, lenkt aber die eigentlichen Sehnsüchte höchst wirkungsvoll auf das Großgewässer Meer.

Tatsächlich erleben wir vom Meer jedoch meist nur den unverhältnismäßig schmalen Küstensaum zwischen Hochwassermarke und Horizontlinie – aber der ist zweifellos schon spannend genug. Wenn man sich dagegen vergegenwärtigt, dass unsere Erde – zumindest nach ihrer Oberflächenbeschaffenheit – eher ein Wasserplanet ist, erscheint eine andere Sicht angemessen. Eine gewisse Einschätzung von den ozeanischen Weiten gewinnt man beispielsweise, wenn man als Zielgebiet des Traumurlaubs eine tropische Küste in der Karibik oder in Südostasien ansteuert und nun im Flieger mehrere Stunden über dem offenen Ozean zubringt. Der gelegentliche Blick aus dem Kabinenfenster zeigt nun wirklich nur Wasser – eine endlos schimmernde Fläche ein gutes Dutzend Kilometer tief unten. Manchmal erlebt man bei solchen Gelegenheiten jedoch nur horizontweite Wolkenfelder. Aber selbst diese sind eine wichtige Komponente der irdischen Wasserkreisläufe, denn seit Urzeiten ist das Wasser auch in der Atmosphäre ständig unterwegs. Und wer weiß: Was Sie ein paar Stunden später am Strand erfrischend umbrandet oder im nächsten Fünfuhrtee erfreut, könnte tatsächlich schon einmal die Träne eines kreidezeitlichen Dinosauriers gewesen sein. Denkbar wäre aber ebenso ein Tautropfen in irgendeinem vorantiken Paradiesgärten oder möglicherweise erst letztes Jahr ein Nebeltropfen im tropischen Regenwald.

Unsere Welt ist weithin wässrig


Nur aus der landgebundenen und deswegen vertrauten Alltagsperspektive erscheint uns die Erde als eine weithin grüne Welt mit Wäldern und Wiesen. Schon aus dem erdnahen Weltraum präsentiert sie sich aber völlig anders – nämlich als blauer, weil wässriger Planet und sozusagen als ein „strahlender Saphir auf mattschwarzem Samt“, wie es der amerikanische Astronaut Neil Armstrong (1930 bis 2012) anlässlich einer seiner ersten Erdumrundungen während der Gemini-8-Mission (1966) aus dem damals noch ungewohnten Blickpunkt des Orbits bemerkenswert poetisch anmerkte. Zumindest bei oberflächlicher Betrachtung ist die Erde tatsächlich ein Wasserplanet. Schon die ersten buchstäblich weltumspannenden Kartierungen während der Entdekkungs- und Eroberungsexpeditionen der seefahrenden Iberer seit dem 15. Jahrhundert lieferten die damals durchaus überraschende und folgenreich wichtige Erkenntnis, dass unser Heimatplanet überwiegend ozeanisch ist: Von den später so recht genau vermessenen 510 Mio. km2 Gesamtoberfläche sind nahezu 71 % oder 361,1 Mio. km2 wasserbedeckt. Das knappe Drittel Festland, das den alltagsvertrauten festen Boden unter unseren Füßen stellt, gerät angesichts dieser Abmessungen beinahe zur Ausnahme. Die meisten Schulbücher bieten mit ihren überwiegenden Festlanddarstellungen insofern ein recht verschobenes und somit unzutreffendes Bild.

Landansichten und Wasserpole


Aus mancherlei Gründen rücken also Schulatlanten und Weltkarten jeweils die Festländer in den Mittelpunkt der Betrachtung und zeigen von den einbettenden Ozeanen fast immer nur die randlichen Anschnitte. Dieses Bild ist nun in globaler Perspektive enorm korrekturbedürftig. Betrachtet man nämlich einen gewöhnlichen Schulglobus (oder gar – durchaus zeitgemäß – die virtuelle Erde im Internet) einmal so, dass einer der beiden Pole nahe der Loire-Mündung im nordwestlichen Frankreich liegt, hat man die sogenannte Landhalbkugel vor Augen: Man sieht dann von der Erde diejenige Hemisphäre mit dem ausgedehntesten Festlandanteil. Dieser umfasst erstaunlicherweise dennoch nur zu knapp 49 % Kontinentgebiet – etwas mehr als die Hälfte bleiben selbst aus dieser Perspektive ozeanisch wasserbedeckt.

2.1 Vor allem den größeren Meerestieren steht ein geradezu gigantischer Lebensraum zur Verfügung.

Das fordert natürlich sofort zum Vergleich heraus: Es empfiehlt sich daher konsequenterweise eine alternative und womöglich viel angemessenere Ansicht der Erdkugel: Die Wasserhalbkugel der Erde mit dem größtmöglichen ozeanischen Anteil hat ihren Pol bei den Antipodeninseln südöstlich von Neuseeland – und hier umfasst sie immerhin rund 91 % Meer. Bei dieser Perspektive schaut man nun wirklich fast nur ins Blaue. Betrachtet man auf einem konventionellen Globus vergleichend die beiden durch den Äquator getrennten Nord- und Südhalbkugeln unserer Erde, so zeigt sich erneut und sicherlich gleichermaßen beeindruckend der erheblich größere Flächenanteil des Meeres: Auf der Südhemisphäre beträgt er rund 81 %, denn hier steuern eigentlich nur die Südspitzen der Großkontinente Südamerika und Afrika sowie die beiden Kleinkontinente Australien (einschließlich Neuseeland) zusammen mit der eisverschleierten Antarktis ein wenig zur Kontinentbedeckung bei. Auf der Nordhalbkugel schränken dagegen die große Landmasse von Nordamerika (mit Grönland) und der besonders flächengroße Kontinentblock Eurasien den ozeanischen Meeresanteil auf etwa 61 % ein. Die absolute Dominanz der Ozeane und ihrer Randgebiete besteht aber auch hier absolut ungebrochen.

Etwa ein Eierbecher voll


Die insgesamt auf der Erde oberflächennah in der Atmosphäre (Lufthülle), der Hydrosphäre (Wasserhülle) und der Lithosphäre (Gesteine) vorhandene Gesamtwassermenge beträgt rund 1,37 Mrd. km3 – diese zugegebenermaßen schwer vorstellbare Menge entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von annähernd 1100 km oder einer Kugel mit etwa 693 km Radius. Tatsächlich und nach dem oben Dargestellten ist diese irdische Hydrosphäre ganz überwiegend eine marine Umwelt: Immerhin umfassen die Weltmeere mit knapp 96,5 % Volumenanteil davon die weitaus größte Portion der aquatischen Lebensräume. Nur der ungleich kleinere Rest von annähernd 3,5 % ist Süßwasser. Der gesamte Süßwasservorrat macht demnach etwa 35 Mio. km3 aus – das ist trotz des globalen Anteils nur im einstelligen Prozentbereich immer noch mehr als das zehnfache Wasservolumen des Mittelmeeres. Etwas mehr als die Hälfte davon ist allerdings (bisher) in Gletschern, in der Schneeauflage der Hochgebirge und im Polareis gebunden. Lediglich der kleinere Rest von rund einem Fünftel (bestenfalls 0,52 % des Gesamtvorrats) bildet die Oberflächengewässer (Fließ- und Stillgewässer), die Bodenfeuchte sowie den nicht sichtbaren Grundwasservorrat in Boden bzw. Gestein. Noch viel weniger (deutlich unter 0,01 %) ist in sämtlichen Lebewesen der Biosphäre enthalten, obwohl diese im Durchschnitt zu über 60 % aus Wasser bestehen. Was an Wasser mit den Wolken unterwegs ist, darf man allerdings getrost vernachlässigen – es findet sozusagen erst ganz weit rechts vom Komma statt. Und falls es im Urlaub einmal regnen sollte, mag Sie die folgende Tatsache trösten: Von den allermeisten herabfallenden Wassertropfen werden Sie gar nicht einmal getroffen!

Die tatsächlichen Verhältnisse veranschaulicht der folgende Vergleich: Von einem haushaltsüblichen Wassereimer mit 10 L Fassungsvermögen, der modellhaft einmal für den Gesamtwasservorrat der Erde stehen möge, entspricht lediglich die Füllung eines Eierbechers (35 mL) der erlebbaren Wassermenge in Bächen, Flüssen und Seen. Der weitaus größere Rest ist also definitiv eine Domäne des marinen Salzwassers und somit marine Umwelt.

Nur ein ganz dünner Film


Im globalen Maßstab betrachtet ist die festländische Biosphäre, der von Lebewesen aktiv und ständig besiedelte Raum, also wirklich nur ein fast unglaublich dünner Film: Vom tiefsten Wurzelraum der Pflanzen bis zu den Kronenspitzen der höchsten Bäume sind es selten mehr als 100 m. Wie gänzlich anders stellt sich im Vergleich dazu das weltumspannende Großgewässer Meer dar – die Ozeane und ihre Randmeere sind im Unterschied zum gesamten Festland nicht nur eine besiedelte Fläche, sondern sie erstrecken sich auch beträchtlich in die Tiefe. Im Extremfall sind es sogar über rund 11.000 m oder – vielleicht besser...

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