Steirerquell - Sandra Mohrs achter Fall

Steirerquell - Sandra Mohrs achter Fall

von: Claudia Rossbacher

Gmeiner-Verlag, 2018

ISBN: 9783839256886

Sprache: Deutsch

279 Seiten, Download: 1338 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Steirerquell - Sandra Mohrs achter Fall



1.


Sandra Mohr trennte die Verbindung mit ihrer Sprachmailbox und wandte sich wieder dem Stehtisch unterm Sonnenschirm zu. Der Schreck stand der Abteilungsinspektorin des LKA Steiermark ins Gesicht geschrieben. Die Nachricht ihrer Freundin hatte sie eben wie ein Fausthieb in die Magengrube getroffen und den Sektempfang im Park des Plabutscher Schlössls schlagartig vergessen lassen. »Hilf mir … bitte … komm … er ist …«, hallten die Worte in ihrem Kopf nach. Dem markerschütternden Schrei war ein dumpfer Knall gefolgt, der Andrea zum Schweigen brachte. Dann war die Verbindung abgerissen. Trotz der hochsommerlichen Hitze lief es Sandra eiskalt über den Rücken.

»Was ist denn mit dir los? Du bist ja auf einmal ganz blass. Ist jemand gestorben?«, witzelte Sascha Bergmann, der sich mit Sandra den Stehtisch im romantischen Schlosspark teilte. Mittlerweile waren auch all die anderen Tische von der Hochzeitsgesellschaft besetzt.

»Hoffentlich nicht«, murmelte Sandra geistesabwesend.

»Tja … Und wenn doch, dann wird sich halt wer anderer um die Leiche kümmern müssen«, spielte der Chefinspektor der Mordgruppe auf sein freies Wochenende an. Demonstrativ kippte er den restlichen Muskateller Sekt in einem Zug hinunter.

Abgesehen davon, dass Sandra ohnehin höchst selten über seine Witze lachen konnte, war ihr momentan überhaupt nicht zum Scherzen zumute. Seine Worte ignorierend, las sie die Uhrzeit von ihrem Handy ab. Es war eine gute Stunde vergangen, seitdem Andrea sie angerufen und um Hilfe angefleht hatte, rechnete sie zurück. Leider ohne ihr auf der Mailbox zu hinterlassen, wo sie sich befand, oder wer sie allem Anschein nach bedrohte. Sandra hatte den lautlosen Anruf während der Trauungszeremonie in der Göstinger Pfarrkirche zwar wahrgenommen, ihr vibrierendes Handy jedoch geflissentlich ignoriert. Ja, sie hatte noch nicht einmal nachgeschaut, wer sie sprechen wollte. Schließlich war heute nicht nur Bergmanns freier Tag, sondern auch ihrer. Erst später, hier im Schlosspark, war ihr der entgangene Anruf wieder eingefallen, und sie hatte zum Handy gegriffen. Hoffentlich würde sie diese Verzögerung nicht bis an ihr Lebensende bereuen.

»Darf’s für Sie noch ein Glas Sekt sein?«, drängte sich der Kellner in ihre Gedanken.

Gut gelaunt tauschte Bergmann sein leeres Sektglas gegen ein volles vom Serviertablett ein.

Sandra lehnte dankend ab und griff stattdessen zu einem Glas mit Mineralwasser. Einerseits war ihr Sektglas ohnehin noch halb voll, andererseits machte sich nach dem ersten Schreck ein flaues Gefühl in ihrem Magen breit. Zudem musste sie einen klaren Kopf behalten, wollte sie Andrea helfen. Falls es dafür nicht schon zu spät war. Doch wo mit der Suche nach der Freundin am besten beginnen?

»Seit wann lässt du freiwillig Muskateller Sekt an dir vorüberziehen?«, unterbrach Bergmann ihre Überlegungen. »Jetzt mache ich mir aber ernsthaft Sorgen um dich.«

Sandra warf ihm einen genervten Blick zu.

Noch immer grinsend winkte Bergmann die junge Kellnerin herbei, die ein Tablett mit Häppchen vor sich hertrug, und langte mit beiden Händen zu. Den weißen Porzellanlöffel mit der kunstvoll drapierten Garnele schob er sich gleich in den Mund, um sich im nächsten Augenblick noch einen Löffel vom Tablett zu nehmen. Erst dann ließ er die Kellnerin weiterziehen.

Sandra trat von einem Bein auf das andere. »Andrea hat mir vorhin auf meine Mailbox gesprochen«, verkündete sie.

Bergmann kaute genüsslich auf seiner Garnele herum. Bis ihm Sandra von der besorgniserregenden Nachricht ihrer Freundin erzählte. Endlich verflüchtigte sich sein Grinsen. Das kaviargekrönte Tatar vom Saibling und das Ziegenkäseröllchen im Speckmantel rührte er vorerst nicht mehr an. Auch ihm war die Sorge um Andrea jetzt deutlich anzumerken. Immerhin kannte er Sandras Freundin recht gut. In den letzten Monaten war sie einige Male als Babysitterin für seine Tochter eingesprungen, wenn seine Exfrau aus Wien die Kleine wieder einmal bei ihm abgeliefert hatte, um mit ihrem Chef in den Süden weiterzufahren, was immer die beiden dort trieben.

Erst heute in aller Herrgottsfrüh hatten Sandra, Bergmann und Sarah gemeinsam Andrea besucht, die extra hiergeblieben war, um die beiden Damen – die große wie die kleine – für die Hochzeit zu frisieren, ehe sie ins Wochenende aufbrechen wollte. Die schnürlglatten weizenblonden Haare der Siebenjährigen hatte sie zu »Prinzessinnenlöckchen« eingedreht, anschließend Sandras halblange hellbraune Haare – passend zum Dirndl – zu einer Kranzfrisur eingeflochten, die Bergmann ausgiebig belächelte. Aber was verstand ein zugezogener Wiener schon von Trachtenmode? Auch wenn der Chefinspektor immerhin vier Jahre lang in der steirischen Landeshauptstadt lebte, wo volkstümliches Gewand nun einmal zum Lifestyle dazugehörte, weigerte er sich beharrlich, Lederhose, Steireranzug und Co zu tragen. Er käme sich darin verkleidet vor, beteuerte er bei jeder Gelegenheit. Und so war er auch zur heutigen Trachtenhochzeit ihrer beiden Kollegen, Miriam Seifert und Stefan Baumgartner, in einem klassischen hellen Leinenanzug erschienen. Wenigstens waren seine zerschlissenen Jeans, das schmuddelige T-Shirt und die ausgelatschten Sneakers, die er meistens trug, an diesem Festtag zu Hause geblieben.

»Probier doch noch einmal, Andrea anzurufen. Vielleicht hebt sie ja jetzt ab.« Bergmann schob sich den Löffel mit dem Fischhäppchen nun doch in den Mund, während Sandra seinem Vorschlag folgte.

»Wieder nur die Mailbox …« Mit einem Seufzen trennte sie die Verbindung. »Verdammt!«

»Lass uns mal in Ruhe überlegen«, sagte Bergmann. »Sie wollte das Wochenende in einer Therme verbringen«, erinnerte er sich, was Andrea in der Früh erwähnt hatte. »Hat sie gesagt, in welcher?«

Sandra zuckte mit den Schultern. »Nein, aber ganz bestimmt ist sie nicht allein dorthin gefahren.«

»Und mit wem ist sie unterwegs?«

»Wenn ich das wüsste, hätte ich längst versucht, ihre Begleitung anzurufen.« In Bergmanns Gegenwart hatte Andrea keinen Namen genannt. Und Sandra war diskret genug gewesen, nicht nachzufragen. Wenn es etwas zu erzählen gab, war ihre Freundin üblicherweise die Erste, die ihr das auf die Nase band. Ob Sandra es nun hören wollte oder nicht. Ausgerechnet heute war sie jedoch nicht in ihre Pläne eingeweiht. Und so wusste sie nicht viel mehr als Bergmann. Nämlich, dass Andrea das Wochenende in einem Wellness-Hotel im steirischen Thermenland verbringen wollte. Über alles Weitere konnte sie nur spekulieren.

Ziemlich sicher ging sie davon aus, dass Andrea mit einem Mann unterwegs war. Wahrscheinlich mit ihrem verheirateten Zahnarzt, von dem sie zuletzt immer wieder erzählt hatte, den Sandra jedoch weder persönlich noch namentlich kannte. Vielleicht gab es aber auch schon wieder einen neuen Mann, mit dem sich die lebenslustige Andrea vergnügte. Möglicherweise hatte ihre beste Freundin doch mehr Geheimnisse vor ihr, als Sandra glaubte.

»Du weißt es also nicht … Aber du hast doch bestimmt einen Verdacht.« Bergmann griff zu seinem Sektglas und nippte daran.

»Ich weiß nur, dass Andrea seit einigen Monaten mit ihrem Zahnarzt liiert ist. Ein verheirateter Mann wie üblich …« Sandra biss sich zu spät auf die Zunge. Die letzten Worte hätte sie besser nicht ausgesprochen, auch wenn sie der Wahrheit entsprachen.

Bergmann hakte prompt nach. »Wie üblich?« Er stellte sein Sektglas ab und rückte die Sonnenbrille auf seiner Nase zurecht.

Obwohl die blau getönten, verspiegelten Brillengläser seine Augen verbargen, spürte Sandra den bohrenden Blick, den er üblicherweise dann aufsetzte, wenn er tatverdächtige Personen verhörte. Sie räusperte sich erst einmal, ehe sie ihm antwortete. »Na ja … Andrea lässt sich meistens mit verheirateten Männern ein. Auch wenn das nicht unbedingt absichtlich geschieht. Ihr Unterbewusstsein scheint sie vor festen Bindungen bewahren zu wollen«, verriet sie ihm nur zögerlich und angesichts der Notlage.

»Damit sind die Fronten von Anfang an klar«, meinte Bergmann.

Sandra nickte. »Und die Gefahr, dass die Herren mehr von Andrea möchten, als sie zu geben bereit ist, hält sich in Grenzen«, fügte sie hinzu.

»Mehr als Sex?«, fragte Bergmann.

»Du würdest dich damit begnügen, schon klar. Manch einem reicht das aber nicht. Dummerweise sind auch Ehemänner nicht davor gefeit, sich zu verlieben. Spätestens dann fangen die Scherereien an.«

Bergmanns Augenbrauen tauchten kurz über dem silberfarbenen Rahmen seiner Sonnenbrille auf. »Wer sich in Gefahr begibt, der kommt darin um«, zitierte er ausgerechnet aus dem Alten Testament. Dabei hatte der ehemalige Klosterschüler der katholischen Kirche längst den Rücken gekehrt.

»Umgekommen ist wegen Andrea, soweit ich weiß, noch keiner«, erwiderte Sandra. »Wenn es ihr in einer Beziehung zu eng wird, tritt sie den Rückzug an. Sie sagt immer, dass sie nicht die ganze Kuh kaufen möchte, wenn sie doch nur ab und zu ein Glas Milch trinken will.« Sie nahm einen Schluck Wasser.

»Ich kenne diesen Spruch.« Bergmann schob sich nun doch noch den dritten und letzten Porzellanlöffel in den Mund.

Sandra hätte schwören können, dass es nicht der Geschmack des Ziegenkäseröllchens im Speckmantel war, der ihn gedanklich beschäftigte. »Lebst du seit deiner Scheidung etwa auch nach dieser Devise?«, fragte sie.

»Kommt ganz auf die Kuh an«, erwiderte Bergmann mit vollem Mund. »Aber in diesem Fall …« Er brach...

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