Fuck you very much - Thriller

Fuck you very much - Thriller

von: Aidan Truhen, Thomas Wörtche

Suhrkamp, 2018

ISBN: 9783518757529

Sprache: Deutsch

350 Seiten, Download: 2425 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Fuck you very much - Thriller



Logischerweise – und das ist schon allen klar, oder? –, logischerweise latsch ich nicht einfach in Billys Büro und leg ihm einen geheimdienstmäßigen Alukoffer mit Koks im Wert von hunderttausend auf den Tisch. Ich hab nämlich keine Lust, den Rest meines Lebens im Knast zu verbringen. Ich hab auch keinen Lieferservice. Der ist outgesourct. Früher hatte man kleine Jungs dafür, und ein paar altmodische Dealer machen das immer noch so, denn kleine Jungs wandern meist nicht ins Kittchen. Aber wenn man immer dieselben Knaben laufen lässt, kriegen sie nach und nach raus, wer man ist und wie man arbeitet, und wenn sie dann geschnappt werden, rücken sie damit meistens auch raus. Kids sind echt loyal, aber doof sind sie nicht. Sie wissen genau, wann sie einen verraten müssen. Außerdem glauben sie nicht, dass sie wirklich sterben könnten, deswegen haben sie nicht so viel Angst vor einem. Kinderarbeit ist eine tickende Zeitbombe, und moralisch ist es auch nicht okay. Kids sollten zur Schule gehen, damit keine Gerüstbauer und Stripper aus ihnen werden. Was an und für sich völlig vernünftige Berufe sind, nur dank der verzerrten Wahrnehmung in unserer spätneoliberalen Oligarchie kommt dabei am Ende nicht so viel von dem Erstrebenswerten raus, das man mit Ausbildung und deren Anwendung und einem kleinen, aber sehr notwendigen Quäntchen Glück erreicht.

Außerdem leben wir im digitalen Zeitalter. Ich liefere per Crowd-Paketlieferdienst: alles Einzelaufträge für Freiberufler mit Null-Stunden-Vertrag. Die Mikrojobber in der Gig Economy. Ein Fünfzehn-Kilo-Paket soll von East Harbour zum Point? Dafür gibt’s längst eine App. Mehrere sogar, dazu noch Websites, Listen und Peer-to-peer-Services. Das können die bekannten stinknormalen Allerweltsdienste wie The City Fetch sein, die Botengänge für vielbeschäftigte Wirtschaftsprüfer übernehmen, oder so was wie 1brokeIT, die Ersatz besorgen, wenn man aus Versehen irgendwas kaputtgemacht hat und niemand was davon mitkriegen soll. Oder geschlossene Netzwerke für Topmanagement-Paare auf der Suche nach bumsfidelen Gleichgesinnten, Prügelpartys oder Drogenberatung. Um die Technik braucht man sich dabei gar nicht zu kümmern, da geht’s nur um Folgendes: Warum sollte man eine Arbeitnehmerschaft unterhalten, wenn es so viele Leute gibt, die sogar auf freiestberuflicher Basis arbeiten und nicht mal wissen wollen, für wen sie was tun oder wer die Endkunden sind. Dazu sind sie bereit, wenn man vor allem drei Dinge sicherstellt:

a) Sie machen bei keinem Terrorakt mit. (Ein echtes K.o.-Kriterium. Das muss man ihnen wirklich glaubhaft verklickern.)

b) Wenn sie erwischt werden, müssen sie’s mit gutem Gewissen abstreiten können. (Natürlich denken sie nie im Leben, dass man was Illegales tun könnte. Aber für den Fall.)

c) Sie bekommen gutes Geld für etwas, das sie im Grunde sowieso täten (zum Beispiel pendeln, in einem schicken neuen Schuppen Kaffee trinken und neue Leute kennenlernen).

Man führt keine armen Unschuldigen in die Schattenwelt des internationalen Schmuggelwesens, man gibt nur verhinderten Leistungsträgern die Möglichkeit, sich in ihrer persönlichen Wirtschaftsflaute eine Einkommensquelle zu erschließen. Die Zukunft ist rosig, und ich bin Amazon. Ich bin das Uber der illegalen Drogen. Für mich bringen sie alle Koks unter die Leute, die Manager in dicken Schlitten genauso wie komische alte Käuze mit Rollatoren. Und eigentlich wissen alle, dass sie es tun. Aber es ist okay für sie, solange ich das nicht offen ausspreche. Und sie kriegen Kohle und vielleicht einen Thrill. Ich zwing sie zu nichts, was sie nicht gerne tun. Ich liefere in keine Gegenden, in die sie nicht gerne fahren. Warum auch? Scheiße, ich selbst will da ja auch nicht hin. Außerdem hat in solchen Gegenden keiner genug Kohle. An Billy und seinen Trupp liefere ich auch nur noch, weil sie in guten Gegenden arbeiten, was übrigens der Grund ist, warum seine Fallrohre keine Obdachlosen treffen, sondern so einen Bichon Frisé. Man könnte mich mit den Norwegian Airlines vergleichen: Ich fliege nirgendwohin, wo’s deutlich beschissener ist als an meinem Abflugort.

Allerdings bin ich nicht Norwegian Airlines, weil die sicher ein prima Verhältnis zu ihrem Bordpersonal haben und ich meins gar nicht kenne.

Ich bin heute auch nicht da, um über Koks zu reden. Ich werde zwar darüber reden müssen, weil Billy ziemlich viel davon nimmt, und Leute, die viel nehmen, reden auch immer viel darüber. Allerdings hab ich heute noch weniger Lust als sonst, über Koks oder über Billys Erektion zu reden, oder über seine früheren Erektionen oder die abartigen Orte, an denen er seine Erektionen unterbringt, oder darüber, was zwischen diesen Erektionen sonst so passiert ist. Ich will über Didi reden.

Didi war ungefähr tausend Jahre alt und sah noch älter aus, und sie hatte immer eine Scheißlaune. Sie war wirklich seltsam und müffelte auch, und sie schminkte sich immer so ein grusliges Puppengesicht hin wie alle alten Frauen. Einmal hab ich sie spätnachts beim Heimkommen getroffen, und ich hab ehrlich gedacht, ich bin in einem Horrorfilm. Ich dachte, ihr Kopf würde sich losreißen und mir die Augen raussaugen, oder sie würde platzen und Millionen Kakerlaken aus ihr rauskommen, die überall auf mir rumkrabbeln. Ich hab Didi gehasst. Ich hab’s gehasst, dass sie lebte und ihren komischen Gestank im Haus verbreitete, und ich hab’s gehasst, dass sie meine Mädels anzischte – sie hat so kakerlakenmäßig gezischt –, wenn ich welche mit nach oben brachte, damit sie den tollen Ausblick sehen und Whisky trinken und ich sie auf dem Balkon nageln konnte, und sie nannte sie Flittchen und mich alles Mögliche. Lief allerdings immer darauf hinaus, dass ich ein schlechter Mensch bin. Aber das werfe ich ihr gar nicht vor. Mit dem meisten hatte sie ja recht. Mir gefiel’s, dass sie da unten war und hörte, wie ich dänische Models auf dem Vollholzparkett nagelte, und mich hasste. Mir gefiel’s, dass ich sie hasste, und ich war mir ziemlich sicher, dass es umgekehrt genauso war.

Aber Scheiße, langweilig war’s nie mit Didi. Wenn man mal ein richtiges Urzeitmonster gebraucht hätte, so was wie eine Tiefseemuschel aus alten Filmen, die einem gerade dann die Hand einklemmt, wenn der Hai ums Wrack geschwommen kommt, dann wär sie die Idealbesetzung gewesen. Sie war immer zickig, mies drauf und grundfürchterlich. Trotzdem konnte sie denen, die sie erledigt haben, vorher nicht mal ein bisschen die Hölle heiß machen. Worauf man eigentlich gewettet hätte. Denen war’s echt ernst. Sie haben ihr sonst kein Härchen gekrümmt. Nichts mitgehen lassen. Nur zack peng erschossen. Völlig geräuschlos. Während ich einfach geschlafen habe.

Und genau deswegen geht mir der Arsch auf Grundeis. Hätten sie das auch mit mir machen können? Geht’s vielleicht darum? War das ein Hinweis? Wenn, dann sollte doch irgendwas in meine Richtung deuten, weil: So bin ich wirklich ratlos. Vielleicht ist das alles bloß Zufall. Ein verdammter Irrer, der sich für einen Auftragskiller hält. Der glaubt, er ist der Schakal, und sie ist die heimliche Präsidentin von Atlantis und muss sterben, damit die Leute aus dem Meer nicht ganz Manhattan leerfressen. Ich hab keine Ahnung.

Vielleicht war sie aber doch das Ziel. Oder ich.

Ich find’s nicht gut, dass Didi tot ist.

Allerdings geht’s dabei nicht um meine Gefühle oder meine menschliche Anteilnahme, es geht ums Geschäft.

Und genau deswegen red ich mit Billy. Er zählt zwar nicht mehr zu meinen wichtigsten Kunden, weil er mit der kriminellen Kelleretage dieser Stadt abhängt, und eigentlich sollte ich mich in nächster Zeit sogar ganz von ihm und seinen Jungs verabschieden. Sie waren zwar meine ersten Kunden, aber vielleicht entwickeln sich unser soziales Umfeld und unsere Interessen nun zu sehr auseinander. Obwohl – vielleicht geht Billy auch meinen Weg, klettert weiter hinauf auf der sozialen Leiter? Ich hab mich darum bemüht. Sollte er seine Energie in andere Bahnen lenken, dann wäre logischerweise Schluss mit dem Koksgeschäft mit ihm, ohne dass es bei einem von uns böses Blut gäbe.

Billy glaubt, es ist okay, wenn er mir den kriminellen Kram erzählt, weil ich seiner Meinung nach dauernd jemand umbringe, damit ich meine wirtschaftlichen Ziele erreichen kann. Daran sind nur Fernsehen und Kino schuld. Ehrlich, solange man nicht zu viele Leute umbringt und aufpasst und smart ist und keine Jugendlichen auf die schiefe Bahn ...

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