Adolf H. - Lebensweg eines Diktators

Adolf H. - Lebensweg eines Diktators

von: Thomas Sandkühler

Carl Hanser Verlag München, 2018

ISBN: 9783446260733

Sprache: Deutsch

352 Seiten, Download: 20717 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Adolf H. - Lebensweg eines Diktators



Vorwort


»Endlich genug von Hitler?« Diese Frage ist sehr berechtigt. Denn Adolf H., der deutsche Diktator zwischen 1933 und 1945, ist im öffentlichen Leben und in den Medien allgegenwärtig. Trotzdem oder gerade deswegen ist aber eine moderne Hitler-Biographie für jugendliche Leserinnen und Leser sinnvoll und notwendig. Denn was derzeit im Fernsehen oder im Internet dargeboten wird, trägt oft wenig dazu bei, das »Phänomen Hitler« zu erklären und zu verstehen. Eine Biographie Hitlers für Jugendliche gibt es bisher nicht. Das vorliegende Buch versucht, diese Lücke zu schließen.

Biographien sind das Ergebnis erforschter Lebensgeschichten. Im 19. Jahrhundert galten sie als hohe Kunst eines Geschichtsschreibers. Man schrieb Biographien, um das Leben und Wirken bedeutender Menschen für die Nachwelt festzuhalten. »Große Männer« machten die Geschichte. So dachten viele.

Biographien stellen üblicherweise eine geschichtliche Person in den Zusammenhang ihrer Zeit. Im Fall Hitlers sind sich die Historiker uneins. Machte Hitler Geschichte, oder wurde er von der Geschichte gemacht? Beherrschte er die deutsche Gesellschaft, oder wurde er von der Gesellschaft beherrscht? Antworten auf diese Fragen haben Auswirkungen auf die Methode der Geschichtsschreibung. Historiker, die in Hitler den Herrn und Meister des nationalsozialistischen Deutschlands sehen, schreiben Hitler-Biographien. Historiker, die der gegenteiligen Auffassung sind, schreiben die Geschichte der deutschen Gesellschaft in der NS-Zeit. Biographie und Gesellschaftsgeschichte schließen einander also aus, jedenfalls auf den ersten Blick.

Der Titel dieses Buches, »Adolf H.«, soll darauf aufmerksam machen, dass zwischen Hitlers persönlicher Lebensgeschichte und seiner Wirkung als Politiker ein erheblicher Unterschied bestand. Man kann durchaus daran zweifeln, ob dieses Leben als solches überhaupt erzählenswert ist. Nach 1945 entwickelte sich eine regelrechte Hitler-Forschung, die zahlreiche Details seines Lebens zutage förderte. Die Kenntnis dieser Einzelheiten ist unerlässlich, wenn man eine Hitler-Biographie schreiben will. Aber für sich genommen sagen sie wenig aus.

Sebastian Haffner, ein in der NS-Zeit aus Deutschland vertriebener Rechtswissenschaftler und Historiker, weist auf die »ungewöhnliche Dürftigkeit« von Hitlers persönlichem Leben hin. Außerhalb der Politik war er für Haffner ein Niemand. Alles was am Leben Hitlers zähle, »verschmilzt mit der Zeitgeschichte, ist Zeitgeschichte. Der junge Hitler reflektiert sie; der mittlere reflektiert sie immer noch, wirkt aber auch schon auf sie ein; der spätere bestimmt sie. Erst wird er von der Geschichte gemacht, dann macht er Geschichte. Darüber lohnt sich zu reden. Was Hitlers Leben sonst hergibt, sind im wesentlichen Fehlanzeigen — nach 1919 wie vorher.«

Historiker sind immer auch Zeitgenossen. Ihre Sicht auf Geschichte verändert sich mit den Fragen, die sie an die Vergangenheit stellen. Der Publizist Joachim Fest, dessen große Hitler-Biographie 1973 erschien, wirft die Frage auf, warum das gebildete Bürgertum dem »Führer« in Scharen nachgelaufen war. Hierfür sieht Fest im Wesentlichen zwei Gründe: Das Bürgertum hatte »die Politik« verachtet und sich zu wenig dem Schutz der Demokratie verpflichtet gefühlt. Vor allem aber hatte Hitler die Deutschen durch seine überragenden Fähigkeiten verführt. Fest sieht in Hitler eine »Unperson« ohne bemerkenswerte Eigenschaften, zugleich aber ein »politisches Genie«. Hitler sei für die Deutschen — und wohl auch für Fest — bis Kriegsausbruch »einer der größten Staatsmänner der Deutschen« gewesen, »vielleicht der Vollender ihrer Geschichte«.

Aber war Adolf Hitler wirklich ein großer Mann? Kann jemand Größe haben, der so viel Leid über die Menschheit gebracht hat wie er? Offensichtlich nicht. Hitler war nicht »groß« im vorgenannten Sinne, sondern ein großer Zerstörer. Das ist ein wichtiger Unterschied. Der britische Historiker Ian Kershaw schreibt dazu:

»Niemals in der Geschichte ist ein solches Ausmaß an Zerstörung mit dem Namen eines einzigen Manns in Verbindung gebracht worden. Hitlers Name steht zu Recht für alle Zeiten als der des obersten Anstifters des tiefreichendsten Zusammenbruchs der Zivilisation in der Moderne«, und er fährt fort, Hitler als Person sei »für den schrecklichen Lauf der Ereignisse jener schicksalhaften zwölf Jahre ganz entscheidend« gewesen.

Kershaws Hitler-Biographie erschien rund eine Generation nach Fests Hitler-Biographie. Kershaw geht von ähnlichen Fragestellungen aus wie Fest, aber mit einem entgegengesetzten Blickwinkel. Der britische Historiker sieht nicht von Hitler auf die Gesellschaft, sondern umgekehrt von der Gesellschaft auf Hitler. Die deutsche Gesellschaft sorgte für Hitlers Aufstieg; anschließend wurde die Gesellschaft von Hitler beherrscht. Kershaw fragt also weniger nach der Person von Adolf H. als nach seiner Machtausübung. Die Frage nach der Verantwortung und dem moralischen Versagen der Deutschen lässt sich auf diese Weise besser beantworten als im Rahmen einer klassischen Biographie. Für Historiker, die sich mit dem Leben Adolf Hitlers auseinandersetzen möchten, setzt Kershaws Darstellung Maßstäbe.

Seitdem sind wieder einige Jahre vergangen. Die Forschung über den Nationalsozialismus ist weiter vorangeschritten. Sie hat sich in letzter Zeit vor allem dem Gesellschaftsverständnis des NS-Staates und seinen Verbrechen zugewandt. »Volksgemeinschaft« einerseits, der Holocaust andererseits bilden hierbei die Leitbegriffe. Das Leben Adolf Hitlers wird in diesem Buch in die Vorgeschichte und Geschichte des NS-Staates eingebettet. Es stellt also nicht nur die Lebensgeschichte des Diktators dar, sondern zumindest auch die Geschichte der deutschen (und österreichischen) Gesellschaft seit der Wende zum 20. Jahrhundert sowie die Geschichte des NS-Staates. Nur so kann erklärt und verstanden werden, wie und warum Hitler aufstieg, herrschte und unterging.

Als politische Biographie, denn darum geht es in den folgenden Kapiteln, ist Hitlers Lebensgeschichte ohne Zweifel faszinierend. Sie folgt geradezu einem klassischen Muster von Aufstieg, Höhepunkt, Abstieg und Verfall. Es ist die Geschichte eines jugendlichen Versagers, der mit dreißig Jahren in die Politik findet, innerhalb eines Jahrzehnts zum mächtigen und umjubelten »Führer« aufsteigt, schließlich zum Kriegsherrn und zum Massenmörder wird und sein Leben als Höhlenbewohner in einem Berliner Bunker durch Selbstmord beschließt.

Über Hitler und seinen Staat sind unzählige Bücher und Aufsätze veröffentlicht worden. Wollte man dies alles berücksichtigen, wäre der Rahmen eines Buches, das sich an Jugendliche wendet, sofort gesprengt. Stattdessen soll hier eine knappe Darstellung gegeben werden, die allerdings auf dem neuesten Forschungsstand beruht.

Ich möchte Hitlers Biographie erzählen. Die erzählerische Darstellung soll es den Leserinnen und Lesern ermöglichen, sich in die damalige Zeit hineinzuversetzen und rückblickend zu bewerten, was warum geschah. Allerdings lässt sich dieses Erzählen nicht immer durchhalten. Die Ermordung der europäischen Juden beispielsweise kann man nicht erzählen, nur schildern und beschreiben.

Zur Ausstattung des Buches gehören Fotos und Abbildungen. Da Hitler und der NS-Staat in der heutigen Medienwelt eine ganz wichtige Rolle spielen, habe ich nach Möglichkeit Abbildungen gewählt, die in Medien und Schulbüchern eher selten oder gar nicht auftauchen und einen ungewohnten Blickwinkel auf Hitler eröffnen.

Auslassungen in Zitaten sind nicht gekennzeichnet, um den Lesefluss nicht zu behindern. Die verwendeten Bücher und Aufsätze sind in einem Anhang zusammengestellt. Dieser soll zu weiterer Lektüre anregen. Daher sind dort vor allem Taschenbücher und leicht zugängliche Standardwerke aufgeführt. Im Anhang wird auch die Herkunft der Zitate nachgewiesen.

Dieses Buch ist keine Gelegenheitsarbeit. Ich habe Hitlers Biographie auch nicht geschrieben, weil sich das Kriegsende im Mai 2015 zum siebzigsten Mal jährt. Vielmehr hat das Buch eine lange Vorgeschichte. Auf die Idee brachte mich vor Jahren meine Tochter Katja, damals noch Schülerin der Mittelstufe. Auf einer längeren Autofahrt fragte Katja mich gründlich über Hitler aus und forderte mich auf, das Gesagte doch einmal schriftlich festzuhalten. Dieses Aufschreiben hat viel länger als ursprünglich geplant gedauert, und es war auch schwieriger als gedacht. Umso mehr freue ich mich, dass das Projekt nun abgeschlossen werden konnte.

Ich habe zu danken: Katja, meiner zweiten Tochter Julia, meiner Frau Dr. Petra...

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