Arabische Clans - Die unterschätzte Gefahr

Arabische Clans - Die unterschätzte Gefahr

von: Ralph Ghadban

Ullstein, 2018

ISBN: 9783843717977

Sprache: Deutsch

304 Seiten, Download: 2735 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Arabische Clans - Die unterschätzte Gefahr



Einleitung


»Der deutsche Staat interessiert mich nicht. Wir haben unsere eigenen Gesetze. Sonst würden wir doch nicht so eine Scheiße machen.« Dies sind die Worte Tareks, eines Kokain-Dealers, der mit seiner arabischen Großfamilie im Berliner Bezirk Neukölln lebt.1 So spricht ein Mitglied der arabischen Clans. Ganz anders spricht ein gewöhnliches Bandenmitglied der organisierten Kriminalität. Denn jemand, der einer solchen Bande angehört, ist durchaus am deutschen Staat interessiert, schließlich will er sich ja dessen Kontrolle entziehen. Auch ein solches Bandenmitglied hat seine eigenen Gesetze. Aber es sieht darin auf keinen Fall eine Alternative zum Rechtsstaat, sondern lediglich ein Instrument, um die Beziehungen in der kriminellen Unterwelt zu regeln. Tarek und seinesgleichen dagegen scheinen sich im Besitz eines eigenen Rechtssystems zu wähnen, das sie veranlasst, unsere Gesetze zu brechen. Mit der Nichtbeachtung dieser Gesetze signalisieren sie deutlich eine Ablehnung des Rechtsstaates. Ihre rechtlichen Vorstellungen werden ihnen in der islamischen Parallelgesellschaft vermittelt. Außer der islamischen gibt es in Deutschland keine andere Parallelgesellschaft; deshalb haben wir nur die Islamkonferenz und weder eine buddhistische, jüdische, hinduistische noch sonstige Konferenzen.

Der Islam ist nicht nur eine Religion, sondern zugleich eine politische Herrschaft und ein Rechtssystem. Er bildet die Grundlage zu einer jahrhundertealten Zivilisation, die unentwegt in Konfrontation mit dem christlichen Europa stand. Während Europa sich mit der Aufklärung und der Moderne kulturell verändert und weiterentwickelt hat, behielt die islamische Welt die Grundzüge ihrer Kultur weitgehend bei. Eine große Errungenschaft im Westen stellt der Sieg des Humanismus dar, der den Menschen in das Zentrum aller Bemühungen stellt. Das Individuum ist die Referenz für das gesamte soziokulturelle System. Nur im Westen ist dies geschehen. In der islamischen Welt hat sich das Individuum von der Großfamilie und der Gemeinschaft aller Muslime, der sogenannten Umma, nicht befreien können. Diese Gruppenorganisation ist von der Religion mit ihrer Scharia zementiert worden. Fast überall in der islamischen Welt regelt die Scharia das Familien- und Erbrecht und verfestigt die patriarchalischen Verhältnisse der Großfamilie. Es gilt für Muslime die im Koran vorgeschriebene Distanzierung von den »Ungläubigen« wie bei den Traditionalisten, bis zur Gewaltanwendung gegen »Ungläubige« bei den Dschihadisten.

Mit diesem kulturellen Hintergrund sind die Muslime in den Westen eingewandert. Die Hoffnung auf Modernisierung ihrer Kultur und Religion wurde enttäuscht, ein moderner Islam existiert bis heute nicht. Stattdessen sind die islamischen Parallelgesellschaften entstanden. Immer wieder wird behauptet, ihre Entstehung hinge mit der gescheiterten Integrationspolitik zusammen. Das ist zum Teil wahr, weil von der Integrationspolitik alle Migranten betroffen sind: Italiener, Griechen, Polen, Brasilianer, Vietnamesen und unzählige weitere Gruppen – aber nur bei den Muslimen ist eine Parallelgesellschaft entstanden, weil sie eine globale, alternative und zugleich ausschließende Kultur haben. Ihre starre Kultur bekämpft alle Fremdeinflüsse und erlaubt kein gleichberechtigtes Zusammenleben mit Nichtmuslimen, sie sind überzeugt von der Überlegenheit ihrer Religion, dem Herrschaftsanspruch ihrer Gemeinschaft und können im besten Fall die »Ungläubigen« nur dulden.

Seit mehr als einem Jahrhundert wird über Islam und Demokratie, Islam und Menschenrechte, Islam und Staat ergebnislos diskutiert, selbst der interreligiöse Dialog steckt in einer Sackgasse. Diese theoretischen Diskussionen sind offensichtlich fruchtlos, die eigentliche Auseinandersetzung findet in der Realität statt, da die Parallelgesellschaft inzwischen ein besorgniserregendes, nicht mehr zu negierendes Faktum geworden ist. Sie bedeutet eine Spaltung der Gesellschaft, ein Nebeneinander statt eines Miteinanders. Diese Zersplitterung der Gesellschaft wird zudem von der multikulturalistischen Ideologie unterstützt, die die Kulturen bedingungslos respektiert. Nicht mehr die Würde des Menschen, sondern die Würde der Kultur beziehungsweise der Religion wird verteidigt. Bei den muslimischen Bürgern wird vor allem ihre religiöse Identität geschützt und das Grundgesetz somit auf die positive Religionsfreiheit – also auf das Recht, eine religiöse oder weltanschauliche Handlung auszuführen – reduziert. Die Tatsache hingegen, dass der organisierte Islam die Menschenrechte ausschließlich im Rahmen der Scharia anerkennt, wird ausgeklammert. Multikulti und die falschen Debatten lenken von einem entscheidenden konstitutiven Element ab, das die Existenz der Parallelgesellschaft überhaupt erst ermöglicht hat: die islamische Großfamilie.

Unsere Gesellschaft geht fahrlässig mit diesen Zusammenhängen um. Die patriarchalische Familie wird zwar in der Öffentlichkeit thematisiert, die Beziehung des Patriarchats zum Islam wird jedoch in der Regel unterschlagen. Beschwichtigend behaupten viele, dass es eben auch in unserer Gesellschaft ein Patriarchat gebe, wie übrigens überall in der Welt. Damit wird das spezifisch Islamische negiert. Kaum jemand will in Deutschland zur Kenntnis nehmen, dass die Ethnologie bereits seit dem Ende der Fünfzigerjahre eine berechtigte wissenschaftliche Diskussion über die »islamische Familie« (auch die »arabische Familie« genannt), geführt hat, und kaum jemand kennt die Ergebnisse ihrer Arbeit. Stattdessen findet regelmäßig eine oberflächliche, aber erhitzte Debatte über das Kopftuch statt, fast immer in Bezug auf Religionsfreiheit. Dabei sprechen Kritiker von der Unterdrückung der Frau, Befürworter von einem Akt der Emanzipation, und manch einer bemüht die Religion, um zu erfahren, ob das Kopftuch nun obligatorisch ist oder nicht. Aber niemand stellt die Frage nach der Struktur der islamischen Familie und ihrer spezifischen Funktion in der Herausbildung der islamischen Gemeinschaft, der Umma.

Einzig die Orientalistik hat sich – übrigens schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts – mit diesen Problemfeldern beschäftigt. Ihre Ergebnisse finden keinen Zugang zu unseren öffentlichen Debatten; zweimal habe ich versucht, sie in Artikeln für große Zeitungen einzubringen, und wurde schroff abgewiesen. Orientalisten haben die Beziehung zwischen Religion und Stamm analysiert, manche sprechen von der Umma als großem Stamm, ich nenne sie einen Megastamm. Das ist auch in der Öffentlichkeit ein Tabuthema. Aber ohne das Wissen über sie ist es unmöglich, die Parallelgesellschaft, geschweige denn die Clankriminalität zu verstehen, denn beide beruhen auf der Großfamilie. Die interne Solidarität der Großfamilie ist unterschiedlich stark. Sie bestimmt die Integrationsbereitschaft ihrer Mitglieder, je schwächer sie ist, umso größer sind die Integrationschancen und umgekehrt.

Was alle Großfamilien zusammenhält, ist die islamische Parallelgesellschaft. Im Megastamm der Umma ist die Identifizierung mit der Religion unterschiedlich intensiv. Bei den Radikalen, die uns nicht nur ablehnen, sondern auch hassen, führt sie zur religiösen Kriminalität, dem Terrorismus. Die Großfamilien, bei denen die Verachtung für uns und unsere Werte besonders groß ist, haben die Clankriminalität entwickelt: Sie haben gemerkt, dass in unserer offenen, toleranten Gesellschaft die Menschen als Individuen und autonome mündige Bürger, die das Gewaltmonopol des Staates respektieren, ihnen als aggressiv auftretende Gruppe ausgeliefert sind. Deshalb haben sie die Gruppensolidarität des Clans weiterentwickelt und verfestigt und damit seine Funktion geändert. Während der Clan in der Heimat dem Schutz der Gruppe diente, hat er sich heute in Deutschland zu einer kriminellen Organisation entwickelt.

Die materiellen Erfolge der Clans sind beachtlich und regen zur Nachahmung an. Viele andere muslimische Großfamilien bemühen sich, ihre Strukturen zu verfestigen, um ähnliche Erfolge zu erzielen. Die über eine Million Muslime, die in den letzten fünf Jahren Zuflucht in Deutschland gefunden haben, sind dabei, sich in die Parallelgesellschaft zu integrieren, und manche werden sogar von den Clans angeheuert. Mit der Erleichterung des Familiennachzuges wird das notwendige Umfeld für die Bildung der Großfamilie geliefert, der Entstehung von Clans steht dann nichts mehr im Weg. Die aktuelle ethnische Konfrontation zwischen den Flüchtlingen wird künftig von dem unter den muslimischen Migranten üblichen Zusammenstoß zwischen Großfamilien und Clans abgelöst. Das wäre ein Zeichen der Integration, allerdings in die islamische Parallelgesellschaft.

Mit der Migration nach dem Fall der Mauer hat sich die organisierte Kriminalität in Deutschland verbreitet, sie hat ihren kriminellen Charakter behalten und mit der Problematik der Integration nichts zu tun. Mit der muslimischen Migration, insbesondere dem Familiennachzug infolge des Anwerbestopps 1973, breitete sich die Großfamilie als Trägerin von abweichenden Werten aus. Die Gastarbeiter wollten, so die Begründung, ihre Frauen und Töchter vor den Gefahren einer offenen Gesellschaft schützen. Die Großfamilie diente als feste Grundlage für die spätere Parallelgesellschaft und die Clankriminalität. Es geht im Grunde genommen um zwei unterschiedliche Zivilisationsmodelle: das westliche Modell, das auf dem autonomen, mündigen Individuum beruht, und das islamische Modell, das auf der Gruppe – sei es die Großfamilie oder der Megastamm der Muslime, die Umma – basiert und die Autonomie und Mündigkeit des Individuums einschränkt. Die beiden Modelle sind inkompatibel,...

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