Biermösel - Die Kultkrimis in einem Band

Biermösel - Die Kultkrimis in einem Band

von: Manfred Rebhandl

Haymon, 2019

ISBN: 9783709938683

Sprache: Deutsch

704 Seiten, Download: 11812 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Biermösel - Die Kultkrimis in einem Band



Mopedfahren


Der Biermösel sperrt seinen Posten drüben in Aussee zu und lässt die ganzen Sorgen der Ermittlung fürs Erste hinter sich. Allerdings: Wenn er jetzt unvernünftig wäre und ungeschützt in die Kälte hinaustreten und auf seiner Triumph Fips durch die Wetterkapriolen zur Roswitha in den Auerhahn hinüber reiten täte, dann vertäte er es sich unten herum womöglich noch mehr als komplett. Und weniger täte der Doktor Krisper nämlich nicht brauchen, als dass ihm der Biermösel neben dem Blasenkatarrh und den Abschlagproblemen auch noch ein Nierenbecken voller Eiter auftischen täte, küss die Hand! Ein Autowrack ist ein Neuwagen gegen den Körper vom Biermösel, sagt der Doktor Krisper gerne, und dass er beim besten Willen nicht sagen kann, was ihn noch zusammenhält. Vielleicht ist es das Bratlfett?

Also wirft er sich auf Rat vom Doktor Krisper den gewaltig dimensionierten Wetterfleck vom Tripischowski drüben in Ischl über und knöpft ihn sich von oben bis unten schön brav zu, bevor er die Fips besteigt, die vor dem Posten steht wie dem John Wayne sein Bronco vor dem Saloon. Unter diesen unwirtlichen Bedingungen lässt der Biermösel dann die Heimfahrt schön kommod angehen, alles andere wäre wie glatter Selbstmord auf Rädern. Im dicht besiedelten Ortsgebiet mit seinen vielen Straßen, die sich dauernd kreuzen, schaltet er sowieso ungern in die Zweite, außer er muss Blau fahren und mit Engagement einem Täter nachstellen. Die Erste klemmt zwar ein bisserl sehr im Getriebe, aber für die tempierte Fahrt bei schwierigen äußeren Bedingungen ist sie ideal, du meine Güte, wie eine Wand steht der Regen heute wieder vor ihm. Jetzt im Frühherbst, wo es temperaturmäßig schon wieder ganz gewaltig anzieht am Abend und die Straßen durch das herumliegende nasse Laub sowieso mehr ein Blutbad sind als ein Verkehrsweg, muss er als Gendarmerie schon ein bisserl ein Vorbild auch sein und mit Hirn fahren. Sonst fängt er sich am Ende als strikter Helm-Verweigerer bei einem riskanten Lenkmanöver noch eine Delle an seinem Dickschädel ein, die dann auch der Doktor Krisper nicht mehr auswuchten könnte. Und mit einem ruinierten Schädel will er dann auch nicht in den Sonnenuntergang von seinem Leben hineinreiten, nicht mit einem von vorne bis hinten ruinierten Schädel. Genügen eh die schwarzen Vorhänge, die ihm die Seele verhängen, und sind eh die Hirnaussetzer genug, die ihm der Marillenschnaps beschert. Da will er sich den ruinierten Schädel als Beilage gerne ersparen.

Dann nimmt der Biermösel sogar noch Tempo weg, wie er mitten im Ortsgebiet am Postkasterl vorbeifährt, das an der Schule angebracht ist, neben der wiederum das Einfamilienhaus vom Mallinger steht, diesem natürlichen Feind jeder Straßenverkehrsordnung. Was der schon alles aufgeführt hat! kommt dem Biermösel regelmäßig das Grausen, wenn er an den Mallinger und seine zahllosen Verkehrsdelikte denkt. Der Deutschlehrer in Ruhe ist dem Biermösel schon lange ein Dorn im Auge. Und er ist ihm endgültig nicht mehr grün, seit er ihn vor ein paar Jahren nach der beispiellosen und von ihm verschuldeten Katastrophe drüben im Mischwald an der Abzweigung nach Goisern aus dem Straßenverkehr gezogen hat. Allerdings leider nicht so endgültig aus dem Verkehr, dass bei ihm nicht immer noch eine gewisse reinliche Person ein und aus gehen könnte, von der er selbst gerne hätte, dass sie bei ihm ein und aus gehen würde, wenn er nur endlich den richtigen Zeitpunkt finden und ihr die Mon Chéri schenken könnte. Ärgern tut ihn das mit dem Mallinger und der Anni, aber so! Was bitte hat denn der, was er nicht hat (die Lehrerfrühpension!). Und was bitte kann denn der, was er nicht kann (Deutsch!).

Na und! Kann er vielleicht Mopedfahren? Der hat ja nicht einmal mehr den Führerschein seit dem furchtbaren Unfall damals, bei dem der Rosenkranzbeter sein junges Familienglück ausgelöscht hat, was ihm letztendlich auch der Biermösel nicht gegönnt hat, das nicht. Andererseits: Aus der gewissen Erfahrung heraus weiß halt auch keiner besser als er, dass das Glück immer nur als kurzer Sonnenstrahl wärmt, der sich für einen Augenblick durch die gewaltige Wolkendecke zwängt. Dann ist es gleich wieder finster und kalt im Leben. So und nicht anders ist es.

Jetzt, wo er den Mallinger hinter sich lässt und aus dem Ortsgebiet hinausbiegt und die Bundesstraße in Richtung Goisern nimmt, da schaltet der Biermösel sofort in die Zweite und lässt es ganz schön tuschen, die alte Fips, sie tut es immer noch, sie muss es tun. Der Wetterfleck flattert dabei in den immensen Luftwirbeln, die sich in seinem Windschatten bilden, wenn er endlich die gewisse Aerodynamik eingenommen hat und mit der Nase praktisch den Tacho streift. Das imponiert ihm dann schon immer ganz gewaltig, dem Biermösel, der Rausch der Geschwindigkeit ist wahrlich nicht der schlechteste. Und bald kommt er sich überhaupt vor wie einer von den Rockerbrüdem, wie er die Dritte auch noch riskiert, warum denn nicht! Der Fahrtwind ist herrliche Musik in seinen Ohren. Wie der Blitz in der Pfanne jagt er über die Bundesstraße. Dahin fliegt er mit einem geschmeidigen 60er, ein Wahnsinnsgefühl ist das, es ist einfach unbeschreiblich!

Dass er dabei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um gleich zehn km/h überschreitet, das ficht ihn nicht an. Eine Vorschrift hat einen Biermösel noch nie angefochten! Am Anfang vielleicht ein bisserl, wie er noch das Bundesverdienstkreuz gejagt hat, da hat er noch einen Minimalrespekt gehabt vor der Staatsgewalt, aber später immer weniger. Das hat ihn der alte Biermösel gelehrt, dass der Respekt immer nur in die eine Richtung fließen darf, nämlich zum Biermösel her. Das ist ein Naturgesetz, hat der Alte gepredigt. Himmelan fließt kein Fluss, hat er gedichtet. Niemals darf der Respekt vom Biermösel und von der Gendarmerie wegfließen, hat er sich wiederholt.

Soll er? Aber freilich! Heute fährt er die Fips aus und schaltet in die Vierte auch noch, heute scheißt er sich überhaupt nichts! Er rast dahin wie früher der Nurmi über die Aschenbahn, unaufhaltsam wie der rollende Donner, ein Weltklasseerlebnis. Wenn der Biermösel dann nur noch Gas geben braucht und in der gewissen Aerodynamik tief über den Tank gebeugt fast einschläft; wenn er in die pechschwarze Nacht eintaucht und die Straße geradeaus führt und keine Kurve seine Fahrkünste herausfordert, dann kommt er immer ganz gewaltig ins Sinnieren, und fast löst sich dann der Geist von der Jammergestalt. Die Gedanken schießen ihm dabei im Schädel nur so hin und her. Es sind Gedanken an die Anni, die dann in ihm arbeiten, und die quälende Frage, warum es mit ihr – und mit keiner anderen auch nicht, Kruzifix! – nie etwas geworden ist. Er studiert, warum ihre zwei Rotzmäderln nicht von ihm sind, wo er doch immer so gerne was Kleines gehabt hätte! Und er fragt sich, warum er überhaupt – was das familiäre Glück und auch alles andere Glück der Welt angeht – so am Leben vorbeigegangen ist, aber so!

Was die stetig sinkende Geburtenrate vom Staatsganzen anbelangt, traut er sich heute fast zu wetten, wird er die Kastanien auch nicht mehr aus dem Feuer holen. Dafür passt es unten herum einfach hinten und vorne nicht mehr, als dass er noch was Kleines zusammenbringen täte. Und wo die Frau wäre, die ihm noch was austragen täte, fällt ihm aus der Hüfte heraus geschossen auch nicht ein, weit und breit sieht er keine, die von ihm ein Kind empfangen möchte.

Stattdessen nur Demütigungen und Niederlagen, wenn es um die Liebe geht! Die Liz Taylor, muss er sich eingestehen, die Liz Taylor unter den Gendarmen wird er nicht mehr werden, wenn sein imposanter Negativlauf bei den Damen weiter anhält. Eher wird er auf ewig die Mutter Teresa der Gendarmerie bleiben, eine brave und keusche Ansammlung von Knochen und Haut. Vielleicht, dass er bei der eine Chance gehabt hätte, sinniert er jetzt, vielleicht, dass ihn die Mutter Teresa geheiratet und ihm was ausgetragen hätte, unten in Kalkutta?

Da freilich wirkt schon der Geist aus der Flasche, die er immer im Wetterfleck mit sich trägt, und er fragt sich mit Grausen, ob es wirklich schon so weit ist, dass er sich die Mutter Teresa schönsaufen muss?

Der Marillene wärmt zwar und tröstet. Er balsamiert die Seele und bettet sie in wohlig duftende Rosenblätter. Aber er treibt ihm auch die Tränen in die Augen, wenn er daran denkt, wie sein Leben hätte ausschauen können, wenn er nicht die komplett falsche Abzweigung in Richtung komplett falscher Berufswahl genommen hätte.

Weinen muss er jetzt, wenn er daran denkt, wie sein Leben hätte ausschauen können, weinen und noch einmal weinen! Und wenn er an seine verpasste Lebenschance in der Bierfahrerei denkt, dann kommen ihm immer die Radinger Spitzbuben in den Sinn, die seine Lieblingsband sind. Und wenn ihm die in den Sinn kommen, dann ist er nicht mehr zu halten und er schwebt auf der Fips dahin und singt gegen die Waschküche an, die ihm die Gesichtshaut gerbt. Mit einer immensen Inbrunst singt er dann, die ihm die salzigen Tränen noch gewaltiger aus den Drüsen herausdrückt, und die Rehe und Hirsche und Fasane in den tiefen Wäldern entlang der Bundesstraße dürfen sich anhören, wie der Biermösel schmettert:

Was mir so am Bier gefällt:

Bier gibt’s auf der ganzen Welt!

Bière sagt der Franzos’ zum Bier.

The englishman says beer statt Bier

Der Pizzamann nennt’s Bier Birra

Cerveza sagt der Spania

wenn er sich ein Bier bestellt

Bier gibts auf der ganzen Welt!

Und tschinbumm, na Gott sei Dank, streut...

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