Die 101 wichtigsten Fragen: Hitler

Die 101 wichtigsten Fragen: Hitler

von: Volker Ullrich

Verlag C.H.Beck, 2019

ISBN: 9783406735264

Sprache: Deutsch

160 Seiten, Download: 3005 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Die 101 wichtigsten Fragen: Hitler



I. Herkunft und Prägungen


1. Woher stammte Hitler?  Hitlers Familienverhältnisse sind einigermaßen verworren und gaben immer wieder Anlass zu Gerüchten und Spekulationen. Seine Vorfahren stammten aus dem Waldviertel, einer bäuerlich geprägten Region im Norden Niederösterreichs an der Grenze zu Böhmen. Hier, in dem kleinen Ort Strones bei Döllersheim, wurde 1837 Hitlers Vater Alois geboren. Seine Mutter, die ledige Magd Anna Maria Schicklgruber, heiratete fünf Jahre später den Müllergesellen Johann Georg Hiedler aus Spital bei Weitra. Ob dieser allerdings der leibliche Vater von Alois war, ist ungewiss. Möglicherweise kommt auch Johann Georgs jüngerer Bruder Johann Nepomuk in Frage, ein wohlhabender Bauer in Spital, der den Jungen vermutlich noch vor dem frühen Tod der Mutter 1847 in seine Obhut nahm und ihn wie seinen eigenen Sohn großzog. Alois Schicklgruber besuchte die Volksschule und lernte anschließend in Wien das Schuhmacherhandwerk. 1855, mit 19 Jahren, trat er in den Zolldienst der k. u. k. Monarchie ein und machte hier eine für einen Mann seiner Herkunft und Schulbildung bemerkenswerte Karriere. 1875 erklomm er mit der Beförderung zum «Zollamtsoffizial» einen Rang in der Beamtenhierarchie, der üblicherweise Abiturienten vorbehalten war.

Ein Jahr später, im Juni 1876, erschien sein Ziehvater Johann Nepomuk in Begleitung von drei Zeugen in der Kanzlei des Notars Josef Penker in Weitra und erklärte, dass Alois der Sohn seines 19 Jahre zuvor verstorbenen Bruders Johann Georg Hiedler sei. In dem vom Notar aufgesetzten Protokoll tauchte anstelle von «Hiedler» erstmals «Hitler» auf – so genau nahm man es damals mit der Schreibweise von Namen offenbar nicht. Entsprechend änderte der Pfarrer in Döllersheim den Eintrag im Taufbuch. Für die politische Karriere des «Führers» sollte die Namensänderung wichtig werden. Denn «Hitler» klang markiger als das weiche «Hiedler», und eine Grußformel «Heil Schicklgruber» hätte wohl eher für Erheiterung gesorgt.

Über die Motive für die rückwirkende Legalisierung der Vaterschaft ist viel gerätselt worden. Vermutlich gaben erbrechtliche Überlegungen den Ausschlag. Johann Nepomuk hatte seinen Ziehsohn zum Haupterben seines Vermögens bestimmt. Als amtlich anerkanntes Geschwisterkind musste Alois eine wesentlich niedrigere Erbschaftssteuer entrichten, als er es im anderen Fall hätte tun müssen. Wie dem auch sei – fest steht, dass die Identität von Adolf Hitlers Großvater väterlicherseits ungeklärt ist. Bereits früh kamen Gerüchte über eine angebliche jüdische Abstammung auf. Nach 1945 wurden sie genährt durch das Zeugnis eines engen Gefolgsmannes des «Führers»: In seinen in der Nürnberger Haft geschriebenen Erinnerungen «Im Angesicht des Galgens» behauptete Hans Frank, im Zweiten Weltkrieg Generalgouverneur im besetzten Polen, Hitlers Vater sei von einem jüdischen Kaufmann namens Leopold Frankenberger in Graz gezeugt worden, in dessen Haushalt Anna Maria Schicklgruber tätig gewesen sei. Eingehende Nachforschungen haben ergeben, dass diese Geschichte jeder Grundlage entbehrte.

Alois Hitler heiratete dreimal. Die erste Ehe mit einer Beamtentochter aus Braunau wurde geschieden, nachdem ihr Mann eine Affäre mit der sehr viel jüngeren Kellnerin Franziska Matzelsberger eingegangen war. Aus dieser Verbindung gingen zwei Kinder hervor: ein Sohn, Alois junior, und die Tochter Angela. Als seine zweite Frau 1884 schwer an Tuberkulose erkrankte und bald darauf starb, engagierte Alois Hitler als Haushaltshilfe eine Cousine zweiten Grades, Klara Pölzl, und begann ein Verhältnis mit ihr. Klara Pölzl, 1860 in Spital geboren, also 23 Jahre jünger als ihr Mann, war eine Tochter des Kleinbauern Johann Baptist Pölzl und dessen Frau Johanna, die wiederum eine Tochter von Johann Nepomuk, dem Ziehvater von Alois Hitler, war. Heiraten konnte das Paar erst 1885, nachdem der wegen der Verwandtschaft notwendige päpstliche Dispens erteilt worden war.

Klara Hitler gebar in rascher Folge sechs Kinder – die ersten drei starben früh. Am 20. April 1889 brachte sie in Braunau, Vorstadt Nr. 219, das vierte Kind zur Welt. Unter dem Namen Adolf wurde es am Ostermontag getauft. 1894 folgte Sohn Edmund, 1896 Tochter Paula. Edmund starb bereits 1900 an Masern, während Paula als einzige leibliche Schwester Adolf Hitlers das Kriegende 1945 überlebte und erst 1960 starb.

Als Reichskanzler unternahm Hitler einige Anstrengungen, um die Spuren seiner Herkunft zu verwischen. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 ließ er mitten im Waldviertel einen großen Truppenübungsplatz errichten und das Gebiet zum militärischen Sperrgebiet erklären. Die Bewohner wurden umgesiedelt und Dörfer zerstört, darunter auch Strones, wo Hitlers Vater geboren worden war, und Döllersheim, auf dessen Friedhof Hitlers Großmutter ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte.

2. Wuchs Hitler in ärmlichen Verhältnissen auf?  In seinen Reden und späteren Monologen im Führerhauptquartier hat Hitler immer wieder den Eindruck zu erwecken versucht, als sei seine Kindheit und Jugend durch große materielle Not überschattet gewesen. Doch das entspricht nicht den Tatsachen. Als «Zollamts-Oberoffizial», auf der letzten Stufe seiner Beamtenlaufbahn, bezog Alois Hitler, wie er sich seit 1876 nannte, ein Jahresgehalt von 2600 Kronen – etwa so viel wie damals ein Schuldirektor. Die Familie Hitler zählte also zum gut situierten Mittelstand. Auch als Hitlers Vater 1895, im Alter von 58 Jahren, in den Ruhestand ging, bekam er eine Pension von 2200 Kronen, stand sich also kaum schlechter als vorher. Allerdings musste von dem Einkommen eine siebenköpfige (und nach dem Tod des Sohnes Edmund 1900 sechsköpfige) Familie ernährt werden: neben Alois und Klara Hitler die beiden Kinder aus erster Ehe, Alois jr. und Angela, sowie die Kinder Adolf und Paula, so dass der Zollbeamte keine großen Sprünge machen konnte. 1895, im Jahr seiner Pensionierung, erwarb Alois Hitler ein großes Anwesen in Hafeld bei Lambach. Doch als Hobbylandwirt war er wenig erfolgreich. 1897 veräußerte er den Hof und kaufte ein Haus mit Grundstück in Leonding bei Linz.

Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes im Januar 1903 bezog Klara Hitler eine Witwenrente in Höhe von 1200 Kronen jährlich, dazu kamen noch Erziehungsbeiträge für Sohn Adolf und Tochter Paula von zusammen 480 Kronen jährlich. (Stiefsohn Alois hatte bereits 1896 die Familie verlassen, Stieftochter Angela heiratete 1903 den Beamten Leo Raubal und zog danach aus.) Zum Haushalt gehörte noch eine jüngere Schwester Klaras, die ledige Johanna Pölzl, die «Hanni-Tante», die zum Unterhalt der Familie beitrug. 1905 verkaufte Klara Hitler das Haus in Leonding und mietete eine Etagenwohnung in der Humboldtstraße 31 in Linz. Zwei Jahre später bezog sie mit ihrer Familie im kleinen Ort Urfahr auf der anderen Seite der Donau eine Neubauwohnung. Vom Verkauf des Hauses blieb ein Vermögen von rund 6000 Kronen. Als Klara Hitler im Dezember 1907 im Alter von nur 47 Jahren an Brustkrebs starb, bekamen Adolf und Paula Hitler eine Waisenrente von jeweils 25 Kronen monatlich zugesprochen. Das väterliche Erbe von jeweils 652 Kronen wurde auf ein Sperrkonto bis zum 24. Lebensjahr festgelegt, aber über den mütterlichen Erbteil von rund 2000 Kronen, 1000 Kronen für jeden, konnten Klaras Kinder bereits verfügen. Dazu gewährte die «Hanni-Tante» ihrem Neffen Adolf ein Darlehen in Höhe von 942 Kronen, so dass dieser, als er im Februar 1908 nach Wien aufbrach, über eine Summe von rund 2000 Kronen verfügte – ein finanzielles Polster, das es ihm zunächst gestattete, den aus Linz gewohnten müßiggängerischen Lebenswandel fortzusetzen.

Im Herbst 1909 war das mütterliche Erbe jedoch weitgehend aufgezehrt, und erst jetzt hat der Zwanzigjährige offenbar eine kurze Phase der Entbehrungen durchgemacht, die er später für seinen gesamten Aufenthalt in Wien reklamierte. Nicht geklärt ist, ob und wie lange er in einem Obdachlosenasyl hat übernachten müssen. Durch den Verkauf selbstgefertigter Ansichtskarten und Aquarellbilder konnte er sich jedoch bald eine Einnahmequelle verschaffen, die ihm im Februar 1910 ermöglichte, in das Männerheim in Wien-Brigittenau, Meldemannstraße 27, einzuziehen, wo er drei Jahre verbrachte. Das Männerheim war keineswegs ein Elendsquartier, ...

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