Hallo, Herr Eisbär!

Hallo, Herr Eisbär!

von: Maria Farrer

Beltz, 2019

ISBN: 9783407757937

Sprache: Deutsch

220 Seiten, Download: 2573 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Hallo, Herr Eisbär!



Es schien ewig zu dauern, aber Schritt für Schritt humpelte das riesige Tier nach oben und schließlich öffnete Arthur die Tür zu seinem Zimmer und schob den Bären hinein.

Puuh!

Der massige Körper des Eisbären füllte jeden Zentimeter von Arthurs Zimmer aus und Arthur hatte so gut wie gar keinen Platz, sich zu bewegen. Er biss sich auf die Lippe und runzelte die Stirn. Das hier war echt nicht witzig – er hatte einen echten Eisbären in seinem Zimmer und es gab keine Fluchtmöglichkeit. Er musste verrückt sein! Er quetschte sich um den Bären herum, krabbelte über sein Bett und legte den abgenutzten alten Koffer auf sein Kopfkissen.

»Gehört der dir?«, fragte Arthur.

Der Bär zwinkerte dreimal.

»Bist du Herr Eisbär?«

Wieder zwinkerte der Bär.

»Also, mein Name ist Arthur – Arthur Meyer –, wenn du es ganz genau wissen willst.« Arthur dachte, es wäre besser, freundlich zu sein, bevor er versuchte, den Angelhaken aus der Pfote zu ziehen, besonders wenn man sich anschaute, wie riesig die Pranken von Herrn Eisbär waren. »Also, dann müssen wir uns jetzt nur noch um deine Pfote kümmern und dann kannst du gehen, wohin du willst.«

Herr Eisbär ließ den Kopf hängen. Arthur fragte sich, wohin der Bär wohl gehen würde. Er war irgendwie ganz schön weit weg von der Arktis. Egal, das war ja nun wirklich nicht sein Problem.

»Okay«, sagte Arthur und klang tapferer, als er sich fühlte, »dann zeig mir mal deine Pfote.« Er deutete auf Herrn Eisbärs Pfote und streckte seine Hand aus.

Herr Eisbär sah den Jungen fragend an und hob seine Pfote.

»So ist’s gut«, sagte Arthur. Er war froh, dass der Angelhaken keiner von denen mit fiesen Widerhaken war. Vorsichtig zog er an dem Haken und Herr Eisbär stieß ein tiefes Knurren aus. Arthur stoppte und holte zitternd Luft.

»Es wird leider ein bisschen wehtun. Aber es bringt nichts, mich anzuknurren. Ich versuche nur zu helfen. Mach mal deine Augen zu – Mama sagt, es ist besser, wenn man nicht guckt.«

Herr Eisbär legte seine Schnauze in Arthurs Schoß und machte seine Augen fest zu. Dieses Mal beschloss Arthur, dass es am besten wäre, wenn er den Haken so schnell wie möglich rauszog.

»Da ist er! Ganz raus!« Er hielt den Haken hoch.

Herr Eisbär öffnete die Augen, schaute seine Pfote an, dann zog er die Lippen nach hinten und Arthur hoffte, dass es sich dabei um ein Grinsen handelte.

»Okay. Super. Es hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Wenn du mir jetzt bitte nach unten folgen würdest, dann kann ich dich wieder rauslassen.«

Arthur versuchte, wieder über sein Bett Richtung Tür zu klettern, aber Herr Eisbär hatte sich dick und fett auf dem Fußboden breitgemacht und blockierte die Zimmertür.

Arthur musste schlucken.

»Du musst mal aus dem Weg gehen, Herr Eisbär. Hier kannst du nicht bleiben. Musst du nicht irgendwo anders hin?«

Der Bär bewegte sich nicht.

»Ich will ja nicht unfreundlich sein«, sagte Arthur. »Aber du kennst meine Familie nicht …«

Der Bär hob seinen Kopf und schnüffelte nach seinem Koffer.

Arthur blickte auf den Koffer. Vielleicht konnte der ihm einen Hinweis darauf geben, woher der Bär kam oder wohin er wollte. Er drehte den Koffer um und entdeckte einen kleinen Kofferanhänger.

Aber das war ja Arthurs Adresse. Wieso sollte ein Eisbär einen Koffer mit seiner Adresse drauf haben? Jetzt war Arthur wirklich neugierig. Er öffnete die Klappen und hob den Kofferdeckel ein wenig an. Der Gestank war überwältigend. Seine Augen tränten und er kräuselte die Nase bei dem Versuch, nicht zu atmen.

Langsam öffnete er den Koffer und hielt die Hand vor den Mund.

»Iiiih!« Arthur wurde schlecht. »Wusstest du, dass du einen toten Fisch in deinem Koffer hast?«

Herr Eisbär schmatzte genüsslich mit den Lippen.

»Oh nein, nein, nein! Vergiss es! Den kannst du nicht fressen! Nicht hier – und ganz ehrlich, auch nicht woanders. Ich meine, das Ding ist faulig. Wir müssen sehen, dass wir es loswerden, bevor Mama und Papa davon Wind kriegen.«

Mit der einen Hand hielt sich Arthur die Nase zu und mit der anderen griff er das schleimige Ende des Fisches. So bewegte er sich über sein Bett und versuchte, keine Stinkefischsoße auf seine Bettdecke tropfen zu lassen. Er öffnete das Fenster, hielt den Fisch auf Armlänge und wollte ihn gerade in den Garten fallen lassen, als Herr Eisbär sich nach vorne stürzte und Arthurs Nachttischlampe dabei zu Boden segelte. Der Bär schnappte sich den Fisch aus Arthurs Hand, steckte ihn sich ins Maul und begann, ihn zu verschlingen.

Arthur hörte Papa die Treppe hochkommen.

»Was machst du hier drin?«, wollte Papa wissen.

»Willst du nicht mal runterkommen und dich entschuldigen?«

Arthur sah, wie die Türklinke runterging und Papa versuchte, ins Zimmer zu kommen. Aber Herrn Eisbärs Hinterteil hatte sich vor der Tür verkeilt und die Tür gab nicht nach – keinen einzigen Millimeter.

»Es ist alles in Ordnung, Papa – ich komm gleich runter.«

Herr Eisbär war damit beschäftigt, auch noch den letzten Fischkrümel vom Teppich zu lecken, und Arthur blickte fasziniert auf die lange, blaue Bärenzunge.

»Was stinkt hier eigentlich so furchtbar? Kommt das aus deinem Zimmer?«

Obwohl Herr Eisbär auch noch den letzten Bissen Fisch verzehrt hatte und jetzt grüne Fussel vom Teppich leckte, war der Gestank nicht weniger geworden. Arthur konnte gar nicht mehr richtig denken.

»Ich kann nicht«, sagte Arthur. »Die Tür klemmt.«

»Na, dann entklemm sie.« Papa ächzte und stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür.

»In Ordnung, junger Mann. Wenn du mich nicht hereinlässt, müssen wir das eben anders regeln.«

Arthur fragte sich, was Papa wohl tun könnte. Er bekam die Antwort ein paar Minuten später, als er das Geklapper einer langen Metallleiter hörte, die von draußen gegen sein Fenster angebracht wurde. Arthur schaute sich panisch um.

Er musste Herrn Eisbär verstecken.

Als Erstes erschien Papas Kopf. Als Nächstes tauchte sein Gesicht im offenen Fenster auf. Arthur winkte, lächelte und tat so, als läse er ein Buch. Papa spähte ins Zimmer und runzelte die Stirn. Er blickte sich um.

»WAS ist das?«, fragte Papa und zeigte auf die fellige Nase, die unter einem Bettdeckenberg hervorlugte.

Bevor Arthur noch Zeit hatte zu antworten, hob Herr Eisbär seinen Kopf vom Boden. Aus seinem Hals kam wieder so ein merkwürdiges Geräusch und dann hustete er heftig. Ein Ball aus fischigen Teppichfuseln flog durch das offene Fenster, ganz knapp vorbei an Papas Gesicht.

Papa taumelte nach hinten und riss die Leiter mit von der Wand. Er griff nach der Fensterbank und versuchte, sein Gleichgewicht wiederzufinden, aber es war zu spät. Die Leiter schwankte von einer zur anderen Seite und begann zu kippen. Papa kreischte und versuchte verzweifelt, sich festzuhalten.

Schnell wie der Blitz sprang Herr Eisbär vor und schob seine Pfote durch Papas Gürtel, gerade als die Leiter zu Boden krachte. Papa hing mitten in der Luft mit kreisenden Armen und frei baumelnden Beinen.

»Aaaaaahhhhhhhh!«, schrie er.

»Grrrrrr«, knurrte Herr Eisbär und zeigte seine großen weißen Zähne. Papas Augen wurden riesig.

»Lisa!« Er rief nach Mama. »Hilf mir! Schnell!«

Mama kam in den Garten gerannt. »Du meine Güte, oh du meine Güte«, schrie sie, während sie die Leiter wieder in Position bringen wollte.

Von irgendwo unten hörte Arthur, wie Liam in Panik geriet. Die Situation war dabei, außer Kontrolle zu geraten.

Mama lehnte die Leiter wieder an die Wand. Vorsichtig ließ Herr Eisbär Papa los und schaute zu, wie er zitternd die Stufen hinunterkletterte. Papa setzte sich auf den Boden, murmelte unverständliches Zeug vor sich hin und zeigte nach oben zum Fenster.

»Was redest du, Richard?«, fragte Mama und untersuchte Papas Kopf, als ob er sich den irgendwo angeschlagen hätte. »Was willst du damit sagen, Arthur hätte einen Bären in seinem Zimmer?«

»Kannst du ihn nicht sehen?« Papa schnappte nach Luft. »Da oben!«

Mama schaute zum Fenster hoch, schlug sich die Hände vor den Mund und setzte sich neben Papa.

»Ich habe versucht, euch davon zu erzählen«, rief Arthur. »Aber ihr habt mir nicht geglaubt.« ...

Kategorien

Service

Info/Kontakt