Die Spur der Schakale - Thriller

Die Spur der Schakale - Thriller

von: Michael Lüders

Verlag C.H.Beck, 2020

ISBN: 9783406748585

Sprache: Deutsch

394 Seiten, Download: 2916 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Die Spur der Schakale - Thriller



Auf dem Weg zum Flughafen saß Harald am Steuer und redete viel. Er fuhr schnell, Sophie studierte das Innenleben der Fahrzeuge, die sie überholten. Sah schweigende Paare und solche, die sich etwas zu sagen hatten, mal freundlich, mal lebhaft. Mütter, die sich ihren Kindern auf der Rückbank zuwandten. Offenkundig verträumte Fahrer, die nicht immer Spur hielten. Ein merkwürdiges Wechselspiel aus Zufällen, ging es ihr durch den Kopf. Gelegentlich trafen sich ihre und Haralds Blicke. Dann verspürte sie einen leichten Stich, aufsteigende Melancholie. Nicht allein wegen Haralds Ähnlichkeit mit Hassan Maliki. Mehr noch, wenn sie ehrlich war, weil jeder Gedanke an den getöteten marokkanischen Vertrauten sie gleichzeitig an ihr eigenes, ihr seither verlorenes Leben erinnerte. An Berlin. An ihre Freunde dort, die sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte und vorerst auch nicht wiedersehen würde.

Was Harald über den Besuch bei seinem früheren Kollegen erzählte, wunderte sie nicht. Möglicherweise ein Auftragskiller, eventuell im Duett mit der Polizei: Das große Ganze würde sich erschließen, hoffentlich, im Laufe der Zeit. Die im Dunkeln lassen niemals ab von ihrer Sucht nach Größe und Bedeutung, nach Geld und Macht. Das Dreigestirn der Hybris. Dabei machten sie Fehler, hinterließen Spuren. Darin lag die Chance ihres Teams, von E 39. Eine Weisheit nordamerikanischer Ureinwohner kam Sophie in den Sinn: Du musst nur lange genug am Ufer des Flusses sitzen bleiben, bis du die Leichen deiner Feinde vorübertreiben siehst.

«Sagt dir BlackHawk was?», fragte sie.

«Nein, was soll das sein? Eine Fluggesellschaft?»

«Ist der Name einer Schattenbank. Der größten der Welt. Die sitzen in New York.»

«Okay. Wie kommst du jetzt auf die?»

«Hatte ich dir doch erzählt. BlackHawk und Green Valley. Über die hatte sich Hauke Ingstad im Internet informiert. Laut Suchverlauf auf seinem Computer.»

«Stimmt, ja. Und was ist das, eine Schattenbank?»

«Das ist eine Bank, die offiziell keine ist, juristisch gesehen, und sich als Finanzdienstleister versteht. Eine Schattenbank hat den Vorteil, keinerlei Bankenaufsicht zu unterliegen, aber trotzdem gewaltige Geldmengen zu bewegen. BlackHawk jedenfalls verwaltet über 6300 Milliarden Dollar, hat in mehr als 70.000 Unternehmen investiert und besitzt Anteile von mehreren Prozent aller weltweit gehandelten Börsenwerte. Letztendlich geht es um Vermögensverwaltung, nicht anders als bei Nordic Invest. Die aber sind nur der David, gemessen am Goliath BlackHawk.»

«Haben die was miteinander zu tun?»

«Das müssen wir herausfinden.»

Harald strich sich über den Bart. «Du wolltest dich um Tom Phillips kümmern. Unseren Komapatienten. Was ist das für ein Typ?»

Sophie schürzte die Lippen. «Ja … Ehrlich gesagt, das hatte ich fast verdrängt.»

«So schlimm?»

«Der ist ein Enthüllungsjournalist.»

«Ach du Scheiße. Wie du früher?»

Sie schwieg. Irgendwann grunzte Harald und klopfte ihr mit der rechten Hand aufs Knie. «Wenn du willst, übernehme ich den. Ist für dich wohl leicht traumatisch, oder? Da kommen alte Erinnerungen hoch.»

Wieder schwieg Sophie.

«Schon gut, wir finden eine Lösung», fuhr Harald fort. «Was genau enthüllt er?»

«Sein großes Thema ist amerikanische Außenpolitik. Big Business und die Geheimdienste.»

«Wow! Ist ja geradezu dein Blutsbruder, was? Suchet und ihr werdet finden, sprach der Herr. Und ihr habt euch nicht gesucht und trotzdem gefunden! Muss ich eifersüchtig werden, Sophie?» Er lachte.

«Fragt sich, was er mit Hauke Ingstad zu tun hatte.» Sophie ließ sich keine Regung anmerken.

«In der Tat. Das wird spannend.» Harald schien zu überlegen. «Weißt du, was mich wundert, Sophie? Diese ganze Geschichte hier ist völlig abgedreht, und wir wissen nichts. Aber auf einmal fliegen uns die Indizien geradezu um die Ohren. Das ist doch merkwürdig, oder?»

«So ist das Leben, würde ich sagen. Die Dinge passieren, und irgendwann machst du dir einen Reim drauf. Dann liegt es an dir, welche Schlüsse du daraus ziehst.»

«Das hätte meine Mutter genauso sagen können.»

«Sehr gut, eine vernünftige Frau. Glaubt sie an Gott? Das tue ich allerdings nicht.»

Mochte sein, dass Harald diese Wendung nicht gefiel. Jedenfalls wechselte er das Thema. «Sag mal, da war doch noch was. Auf dem Computer von Ingstad. Was der gegoogelt hat. Neben BlackHawk.»

«Green Valley.»

«Genau. Der hatte es mit Farben, was? Erzähl mal.»

«Weißt du, was ich mich frage? Warum er das gegoogelt hat. Ich meine, er war der stellvertretende Chef von Nordic Invest. Der muss sich doch nicht Informationen beschaffen wie ein Schüler fürs Referat.»

«Vielleicht hatte er Langeweile. Oder wollte einfach mal sehen, was … was … in der Öffentlichkeit bekannt ist, keine Ahnung.»

Sophie trommelte mit den Fingernägeln gegen das Seitenfenster. «Green Valley ist eine norwegische Firma für Hochleistungsrechner. Hier im Land hat sie drei Niederlassungen, alle angesiedelt in der Nähe von großen Wasservorkommen. Um Hydroenergie zu erzeugen, zur Kühlung der Rechner. Das ist ein riesiges Geschäft, war mir auch neu. Google zum Beispiel hat in Finnland investiert, Facebook in Schweden. Es geht um die Speicherung gewaltiger Datenmengen, und dafür braucht es Strom. Möglichst billigen Strom in kalten Ländern. Die Gebäude mit den Rechnern sind riesig, groß wie Fußballfelder. Das alles herzustellen kostet locker mal eine halbe Milliarde. Die laufenden Kosten allerdings sind gering, es braucht kaum Personal. Am wichtigsten sind die Computerexperten, hinzu kommen einige Verwaltungsangestellte, der Sicherheitsdienst und Techniker.»

«Und wo gibt es das in Norwegen?»

«Das größte Werk ist in Odda, an der Westküste. Gehört Green Valley. Rate mal, wer da der Hauptkunde ist.»

«Nordic Invest?», fragte Harald.

«Gefolgt von BlackHawk. Obwohl die Amerikaner noch keinen Nutzungsvertrag unterschrieben haben. Die entsprechenden Verhandlungen laufen noch.»

Harald starrte sie an.

«Guck lieber nach vorne, ich würde gerne lebend ankommen.»

«Muss alles nichts heißen», resümierte Harald und schaltete einen Gang herunter. «Aber irgendwas ist da faul. Das siehst du wahrscheinlich auch so, oder?»

«Keine Ahnung. Jedenfalls haben wir wohl einen ähnlichen Sinn für Bilder und Zeichen.»

Das Flugzeug aus New York landete pünktlich. Harald und Sophie nahmen Emma Davis gleich hinter der Passkontrolle in Empfang. Die Lebensgefährtin von Tom Phillips, der im Zentralkrankenhaus von Oslo lag und tot wäre, hätte Sophie ihn nicht in Ingstads Sommerhaus auf Ostøya aufgefunden. Eine Frau in Sophies Alter mit rothaarigem Bubikopf und Sommersprossen, die ihnen kurz die Hand reichte und sich als Erstes nach Toms Gesundheitszustand erkundigte.

«Er hat sich nicht verändert», sagte Sophie. «Weder zum Guten noch zum Schlechten.»

«Was sagen die Ärzte?»

«Sie werden Gelegenheit haben, mit ihnen zu reden.»

Harald verstaute ihr Gepäck im Kofferraum, anschließend fuhren sie zurück in die Innenstadt. Sophie hatte sich zu Emma Davis auf die Rückbank gesetzt.

«Wie fühlen Sie sich?», fragte Sophie.

«Wie soll ich mich fühlen … Beschissen eben.»

«Trotzdem danke, dass Sie mit uns kooperieren.»

«Das wird sich zeigen. Und glauben Sie mir: Normalerweise vertraue ich keinen Bullen.»

«Wir sind keine echten Bullen», warf Harald ein.

«Wie ihr euren Verein nennt, ist mir egal. Ihr arbeitet für den Staat, für die Security, und das verheißt nichts Gutes.»

«Und warum lassen Sie sich trotzdem auf uns ein?», fragte Sophie.

«Habe ich eine andere Wahl?» Abrupt wandte sie ihren Kopf der Sitznachbarin zu. «Außerdem habe ich ein paar Erkundungen über Sie eingezogen, Frau Schelling. Früher haben Sie mal auf der richtigen Seite gestanden, nicht wahr?»

«Welche wäre das?»

«Auf unserer. Den muckrakers. Denen, die den Dreck hervorkehren.»

«Glauben Sie mir, wir ziehen am selben Strang. Wir wollen alle wissen, wer auf Ihren Freund geschossen hat.»

«Wer ist wir?»

«Unser Verein. Sie werden uns noch kennenlernen.»

Davis schwieg einen Moment. «Was dagegen, wenn ich mir eine Zigarette anzünde?», fragte sie.

«Ja», sagte Sophie.

«Nein», konterte Harald und fragte, welche Marke sie rauche.

«Winston.»

«Bei Gott! Die habe ich früher auch geraucht. Geben Sie mir gerne eine, wenn ich bitten darf. Dann sage ich Ihnen auch...

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