Das Revolutionsjahr 1989 - Die demokratische Revolution in Osteuropa als transnationale Zäsur

Das Revolutionsjahr 1989 - Die demokratische Revolution in Osteuropa als transnationale Zäsur

von: Bernd Florath

Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2011

ISBN: 9783647350455

Sprache: Deutsch

250 Seiten, Download: 1613 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Das Revolutionsjahr 1989 - Die demokratische Revolution in Osteuropa als transnationale Zäsur



Jerzy Holzer (S. 225-226)

Der Runde Tisch Internationale Geschichte eines politischen Möbels Der Begriff »Runder Tisch« tauchte das erste Mal nach der Streikwelle im Mai 1988 in Polen auf, im Referat des 1. Sekretärs des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) Wojciech Jaruzelski, auf dessen Tagung am 13. Juni. Der General konkretisierte die Sache nicht. An den Tisch sollten die bestehenden und die künftig noch zu organisierenden Vereine oder Verbände geladen werden, um über ein Projekt des neuen Vereinsbildungsgesetzes zu diskutieren. Der neuberufene ZK-Sekretär Mieczyslaw Rakowski sprach zwei Wochen später davon, dass man als Partner nur die Kräfte betrachtete, welche die bestehende Verfassung akzeptieren, nicht aber die Solidarnosc. »›Solidarnosc‹ befindet sich in einem Kapitel der Geschichte, das beendet ist.«

1991 formulierte Rakowski auf einer internationalen Tagung die These, dass die kommunistische Partei den ersten Schritt zu einem Wandel gemacht habe, um nicht nur die Wirtschaftsreformen im Rahmen des bestehenden Systems umzusetzen, sondern auch, um Solidarnosc zu legalisieren und die Opposition als politische Kraft anzuerkennen.

Diese These stimmte nur teilweise. Bei dem Projekt des »Runden Tisches« war es zunächst nur um viel bescheidenere politische Veränderungen gegangen, und erst unter dem Druck der Opposition (und der Ereignisse) entschied sich die PVAP auch für weitgehende politische Reformen. Und es bleibt festzuhalten, dass nach all den wenig konkreten Bemerkungen über den »Runden Tisch« im Juni 1988 nichts geschah, bis im August 1988 eine neue Streikwelle einsetzte.

Es lässt sich aber sagen, dass sowohl die erste wie die zweite Welle noch relativ begrenzt blieb und kein stärkeres Echo im Lande fand. Immerhin war sie eine Warnung, und man rechnete mit weiteren, möglicherweise größeren Streiks in der nahen Zukunft, zumal sich auch die Wirtschaftslage sichtbar verschlechterte. Ein Berater der Solidarnosc, Professor Andrzej Stelmachowski, traf sich am 20. August 1988 mit dem ZK-Sekretär Józef Czyrek und stellte ihm die Frage, ob es nicht Zeit sei für die Einberufung des »Runden Tisches«.

Danach kam es zu vertraulichen Verhandlungen zwischen Vertretern der Regierung und der Solidarnosc und schließlich am 26. August zu einer, wenn auch noch nicht sehr konkreten Einladung des Innenministers Czeslaw Kiszczak zu Verhandlungen am »Runden Tisch«. Diesmal war klar, dass die Einladung auch an Vertreter der Solidarnosc ging, allerdings nicht, ob man mit ihnen allen und über welche Themen man verhandeln wollte. Welche Voraussetzungen gab es für diese Gespräche?

Krzysztof Kozlowski, Mitarbeiter von Tadeusz Mazowiecki und späterer Innenminister in dessen Regierung, sagte mehr als zehn Jahre später, dass beide Seiten schwach waren: »Die Regierenden glaubten nicht mehr daran, die Menschen zu irgendetwas mit Gewalt zwingen zu können, glaubten nicht mehr an die Wirkung der Angst und der Macht. Sie glaubten nicht mehr daran, dass sich noch irgendetwas mit dem Polizeiknüppel und mit Gefängnissen erreichen ließe. Und auf der anderen Seite glaubte ›Solidarnosc‹ nicht mehr daran, mit Streiks oder Demonstrationen irgendetwas erkämpfen zu können.

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