Die großen Spekulationen der Weltgeschichte

Die großen Spekulationen der Weltgeschichte

von: Peter N. Martin, Bruno Hollnagel

LangenMüller, 2002

ISBN: 9783784474274

Sprache: Deutsch

343 Seiten, Download: 1006 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die großen Spekulationen der Weltgeschichte



Japans geliehene Blütezeit (S.288-289)

Ein Zeichen unveränderter Stärke Japans signalisierte der rasante Kursanstieg nach dem Oktoberschock 1987 (s. Kapitel XVIII). Der ungebrochene Kursanstieg japanischer Aktien erhöhte nicht alleine das Ansehen der Firmen und ihrer Führung, sondern verleitete des Weiteren zu vermehrten Aktieninvestitionen. Es schien nichts einfacher zu sein, als mit Aktien problemlos Geld zu verdienen. Noch höher fiel der Gewinn aus, wenn mit Krediten spekuliert wurde, denn die Kursavancen waren deutlich höher als die Zinskosten. Das verleitete auch Firmen dazu, mit Firmengeldern und Firmenkrediten zu spekulieren, wodurch noch mehr Kapital an die Börse strömte und dies die Kurse weiter in die Höhe trieb. Zugleich steigerten die Spekulationserfolge auch die Gewinne der Unternehmen. Die Gewinnsteigerungen reizten zu neuen Aktienkäufen: Die Hausse nährte die Hausse.

Eine große Unterstützung der Kursavancen bot die japanische Mentalität und Geschäftspraxis: Meinungsunterschiede werden nicht konfrontativ ausgetragen wie im Westen. Im Osten werden Kontroversen vornehmlich so ausgetragen, dass jeder sein Gesicht wahren kann. Kursabschläge aber hätten bei einer solchen Mentalität Prestigeeinbußen bewirkt, die das Management getroffen hätten. Drohten also Kursverluste, so bestand die Neigung dazu, diese durch Aktienkäufe zu verhindern. Vordergründig war das eine elegante Möglichkeit. Ein solches Vorgehen erschwerte es aber, Mängel aufzudecken, wenn versäumt wird, die Ursachen nicht direkt zu benennen. So wurden mögliche Fehlentwicklungen verschleiert und ihre Auswirkungen geschönt. Außerdem herrschte allgemein ein Hoheitsdenken – die oben können es und werden es richten. Deswegen unterblieben in den Chefetagen, Tee- oder Badehäusern Diskussionen über mögliche oder notwendige Korrekturen. Warum auch? – Die Aktienkurse, ausgewiesene unbestechliche Schiedsrichter geschäftlichen Erfolgs, steigen. Das taten sie 25 Jahre lang ohne nennenswerte Unterbrechungen. Selbst die Ölkrisen vermochten den Börsenoptimismus nicht zu erschüttern. War das nicht Beweis genug für die Richtigkeit des Konzepts?

Die Geschäftspraxis und -struktur bewirkten, dass Konkurrenten, die sich im Wettbewerb eigentlich gegenüberstanden, über Aufsichtsräte, Kapitalbeteiligungen und Kredite miteinander verbunden waren. Geführt von nicht mehr als 30 Superreichen war die Unternehmensstruktur eher als ein großes organisches Gebilde zu verstehen denn als voneinander unabhängige und miteinander konkurrierende Einzelunternehmen. Die Regierung bestand in diesem Gebilde eher aus Marionetten an den Fäden von Magnaten denn als dem Gemeinwohl verpflichteter und unabhängig wirkender Entscheidungsträger. Diese Verflechtung von Beteiligungen und Politik bewirkte letztlich eine problemlose und unkritische, das heißt leichtfertige Kreditvergabe bei denkbar tiefen Zinsen. Der Aufschwung, den sich die Japaner zugute hielten, war damit zwar selbst gemacht, aber auch geborgt. Irgendwann musste die Rechnung für die weit überzogenen Kreditlinien bezahlt werden. Durch diese leichten Kredite im Rahmen einer Vetternwirtschaft konnte das Rad der Spekulation erst recht in Schwung kommen:

Zunächst wurden Grundstücke und Immobilien beliehen und mit der Darlehenssumme Aktien erworben. Stiegen diese nun, so gab es weiteren Kreditspielraum im Aktiendepot. Dieser wurde benutzt und mit dem erneuten Kredit wurden Grundstücke erworben. Die erhöhte Grundstücksnachfrage trieb entsprechend die Grundstücks- und Immobilienpreise, sodass hier nun wiederum Kreditspielräume entstanden, die erneut genutzt wurden, um Aktien zu erwerben, wodurch deren Preise ihrerseits stiegen usw. Die Aufwärtsspirale von Darlehen, Immobilienpreisen und Aktienkursen hat ihren Anfang genommen und begann sich in immer neue Höhen zu drehen.

Das Spiel konnte so lange betrieben werden, wie immer neue Preissteigerungen immer neue Beleihungsmöglichkeiten schufen. Da auch die Wertpapierbestände der Banken anschwollen, forcierte dies noch deren freigiebige Darlehensvergabe. Mit von der Partie waren naturgemäß auch die Handelshäuser für Aktien. Würden sie Aktienpakete vermitteln, die schließlich Verluste sowohl finanzieller Art sowie auch solche des Ansehens brächten, wären sie aus dem Geschäft gewesen. Deswegen stützten sie bei Bedarf Kurse, die eigentlich nach dem freien Spiel der Kräfte hätten sinken müssen. So kam es dazu, dass das Fundament, auf dem die Spekulation aufgebaut war, immer mehr mit immer größeren Lasten beladen wurde.

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