Abenteuer Fernsehen
von: Ben Bachmair
dtv, 2001
ISBN: 9783423362436
Sprache: Deutsch
225 Seiten, Download: 656 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
3.Teil: Kinder sind verletzlich
Was macht das Fernsehen mit den Kindern? (S. 105-106)
Zu viel Fernsehen und dann noch Fernsehen mit Prügelei, Schießerei und Blut! Wem fällt da nicht als Erstes ein, den Fernseher aus Wohn- und Kinderzimmer zu verbannen? Ja, das ist ebenso leicht, wie auf das Auto zu verzichten … Der Trend läuft eben in die Gegenrichtung: mehr Autos, mehr TV-Programme und zusätzlich die Internet-Info zur Sendung. Trotzdem ist es immer wieder ermutigend zu entdecken, dass Kinder etwas aus den Fernsehangeboten machen, indem sie sich die Figuren und Geschichten aus dem Bilderfluss des Bildschirms greifen, die für sie Sinn machen. Kinder und Fernsehen – diese Beziehung hat eine aktive und eine passive Seite. Die aktive Seite: Was machen die Kinder mit dem Fernsehen? Die passive Seite: Was macht das Fernsehen mit den Kindern?
Fernsehkompetenz in Sachen Gewaltdarstellung?
Eine weltweite Untersuchung
Ende der 90er Jahre führte die UNESCO eine weltweite Vergleichsstudie mit einer Befragung von 5.000 12-jährigen Mädchen und Jungen durch.5 Sie ergab u. a., dass sich die Kulturen auf unserem Globus enorm in der Art unterscheiden, wie sie Gewalt und Gewaltdarstellungen bewerten. So stehen in Deutschland eher der Täter und die Action im Vordergrund, in Japan dagegen eher das Leiden durch die Gewalt. Dennoch gibt es für beides eine Fülle schwer auszuhaltender Bilder und Darstellungsweisen.
Darüber hinaus verdeutlichte die Studie, wie sich die Erfahrungen der Kinder in ihrer Lebenswelt mit dem mischen, was auf dem Bildschirm gezeigt wird. Die Fragestellung lautete, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Gewalt auf dem Bildschirm und den tagtäglichen Gewalterfahrungen von Kindern. Was bedeuten Gewaltdarstellungen beispielsweise für Kinder, die in Kriegsgebieten oder in einer Umgebung leben, in der Schusswaffen eingesetzt werden?
Ein weiterer Blick galt der Medienumgebung von Kindern. Macht es einen Unterschied, ob sie in einer Umgebung mit einem dichten Medienangebot leben oder ob Medien nicht zu ihrem wesentlichen Erfahrungsschatz gehören? Zweifelsfrei kam bei der Studie heraus, dass Kinder Medienerfahrungen auf die eigene Lebenswelt beziehen. Sie benutzen sie in ihrer Lebenswelt und bewerten damit wiederum die Gewaltdarstellungen auf dem Bildschirm. So meinen Kinder in einer gewalttätigen Umgebung, was sie auf dem Bildschirm sehen, entspräche der Wirklichkeit. Kinder in einer Umgebung mit wenig Gewalterfahrungen neigen eher weniger zu dieser Meinung.
Ähnlich ist es bei Comics auf dem Bildschirm: Die Mehrzahl der 12-jährigen Kinder (72 Prozent in gewalttätiger Umgebung, aber auch 69 Prozent in einer Umgebung mit wenig direkter Gewalt) vermutet, Fernsehen spiegele die tatsächlich existierende Gewalt wider. Beim gedruckten Medium Comic vermuten sie dies eher nicht (26 Prozent in gewalttätiger Umgebung, 22 Prozent in einer Umgebung mit wenig direkter Gewalt). In einer Umgebung mit dichtem Medienangebot gibt es mehr Kinder, die sich Gewalt auf den Bildschirm holen, um mehr Aufregung und »Thrill« zu haben, wobei insgesamt erstaunlich wenig Kinder das von sich angeben: 20 Prozent in einer Umgebung mit hoher Medienversorgung, 10 Prozent in einer Umgebung mit geringer Medienversorgung.