Die Geschichte Afrikas

Die Geschichte Afrikas

von: Lutz van Dijk

Campus Verlag, 2004

ISBN: 9783593402659

Sprache: Deutsch

232 Seiten, Download: 6782 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Geschichte Afrikas



In den Urwäldern Zentralafrikas: Die »Pygmäen« (S. 51-52)

Neben den San und Khoikhoi im südlichen Afrika und den Hadza in Tansania gehören die »Pygmäen« in Zentralafrika zu den ältesten Völkern des Kontinents – und sind wie diese nach vielen zehntausend Jahren Existenz heute vom Aussterben bedroht. Wobei das Wort »Aussterben« eigentlich eine unzulässige Verharmlosung ist. Ihr Lebensraum, der tropische Regenwald, wird in einem Umfang und Tempo vernichtet, dass ihr Wenigerwerden wie das Warnsignal der Klimakatastrophe anmutet, die die reicheren Länder verschulden und deren Folgen in einiger Zeit alle Menschen in noch unvorstellbarem Ausmaß treffen wird.

Doch noch verschließen die meisten Menschen in den wohlhabenden Ländern vor diesen und anderen Warnsignalen beide Augen. Und die »Pygmäen « sind keine politischen Kämpfer. Sie sind auf eine Weise friedlich, die – wären wir höher entwickelt – absolut entwaffnend wirken müsste. Ihre Sprache kennt kein Wort für Krieg oder Kampf. Für beinah jede Lebenssituation dagegen haben sie eine bestimmte Musik, ein Lied, einen rituellen Tanz. Und sie bestehen darauf, in kleinen, familienähnlichen Gemeinschaften zusammenzuleben, die keinerlei Besitz ansammeln. Ihre Kinder werden von allen gemeinsam aufgezogen, ein Baby kann von verschiedenen Frauen gestillt werden.

Die jeweiligen Regierungen in den Ländern Zentralafrikas, in denen die »Pygmäen« leben – in Kamerun, den beiden Kongo-Republiken, Gabun und der Zentralafrikanischen Republik – haben allerlei Versuche unternommen, sie zu »entwickeln«. Vergeblich. »Pygmäen« sind verletzlich, ihre Kindersterblichkeit ist hoch und kaum jemand von ihnen wird älter als 50 Jahre. In ganz Afrika wird ihre Zahl derzeit auf nicht mehr als 300 000 geschätzt, wahrscheinlich liegt sie eher bei 150 000. Aber sie haben sich in den letzten Jahrhunderten stark und völlig resistent gegenüber allen Versuchen der Beeinflussung von außen gezeigt. So weigern sich zum Beispiel die Kinder der Pygmäen standhaft, Schulen zu besuchen, und die meisten Eltern unterstützen sie darin. Ihre Welt scheint – für sie – zu stimmen.

In der Geschichte werden die »Zwergvölker« Afrikas zuerst im 8. Jahrhundert v.Chr. von dem griechischen Dichter Homer erwähnt. Das griechische Wort pygmaios bedeutet »eine Faust lang«. Da das Wort eine Fremdbezeichnung ist, wird es in Anführungszeichen gesetzt. Von manchen »Pygmäen«-Völkern sind Eigennamen bekannt (wie die Baka, Bambuti oder Efe), von anderen nicht. In der Völkerkunde bezeichnet man »Pygmäen« als zwergwüchsige Menschen, bei denen die erwachsenen Männer nicht größer als 150 cm werden. Einige »Pygmäen«- Gruppen, wie zum Beispiel die Baka in Kamerun, werden durchschnittlich nicht größer als 130 cm. Kleinwüchsige Völker gibt es auch auf den Philippinen, in Zentral-Neuguinea und auf einigen Inseln vor der Küste Indiens. Genetische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass diese ethnischen Gruppen untereinander nicht direkt verwandt sind, sondern sich unabhängig voneinander in Afrika, Asien, Ozeanien und Indien über lange Zeiträume entwickelt haben. In Afrika waren sie nachweislich die ersten Bewohner des riesigen Kongo-Beckens, lange bevor andere afrikanische Völker sich dort ansiedelten.

Wo die Wälder abgerodet werden, bleibt den »Pygmäen« oft nichts anderes übrig, als für einen Hungerlohn auf den Plantagen der Umgebung zu arbeiten – oder zu sterben. Wie viele sich für Letzteres entscheiden, ist nicht bekannt. Die »Pygmäen« halten sich von anderen Völkern lieber fern und bewahren ihre intimsten Rituale für sich – dazu gehören auch die des Sterbens.

Im Urwald verständigen sich die Männer bei der Jagd mit Lauten, die einem tiefen Bellen ähneln, die Frauen beim Sammeln von Früchten mit hohen Triller- Rufen. Beide Rufe sind der Akustik der Wälder auf besondere Weise angepasst und gut über weite Entfernungen zu hören. Die Gesänge und Tänze der »Pygmäen « begleiten verschiedene Arten von Trommeln und einfache Saiteninstrumente. Fachleute beschreiben ihre Musik als äußerst melodisch und vielfältig.

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