Sexualität und Pornographie im Frauenbild der Gegenwartsliteratur

Sexualität und Pornographie im Frauenbild der Gegenwartsliteratur

von: Angela Frischauf

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836627207

Sprache: Deutsch

136 Seiten, Download: 579 KB

 
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Sexualität und Pornographie im Frauenbild der Gegenwartsliteratur



Kapitel 3.1.2, Pornographie und Sexualität in der Literatur von Autorinnen

Interessant ist es zu betrachten, wie das Thema Sexualität und Pornographie in der Literatur von Autorinnen behandelt wird. Wichtig für die Idee des weiblichen Schreibens sind die beiden französischen Theoretikerinnen Cixous und Irigary, die an den Diskussionen in der feministischen Literaturwissenschaft, die seit den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Neuen Frauenbewegung stattfinden, maßgeblich beteiligt waren. Eines der Ziele der Bewegung war die Befreiung der weiblichen Sexualität. In den 70-er Jahren wird die Sexualität auch in der Literatur von Frauen thematisiert. Allerdings wird das Thema der ewigen Liebe aus der Befassung mit der Sexualität immer mehr ausgespart bzw. kritisiert.

Hierher gehört es, denke ich, auch die Feministischen Literaturtheorien und ihre Geschichte zumindest kurz zu skizzieren. Anna Babka sieht die Anfänge der feministischen Theoriebildung vor allem eng mit der Politik verknüpft, als erstes Ziel sieht sie ‘durch die kritische Analyse von Diskriminierungsstrukturen Bewusstseinsarbeit hinsichtlich der Marginalisierung von Frauen im literarischen Bereich zu leisten’.

Die erste Frauenbewegung agierte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert und konnte vor allem Erfolge wie das Wahlrecht und das Recht der Frauen auf Bildung durchsetzen, Simone de Beauvoir bildet den Schlusspunkt der ersten Frauenbewegung und gleichsam aber auch eine Überleitung zur zweiten Frauenbewegung, die für die Gleichstellung der Frauen in der Arbeitswelt, gegen das Patriarchat und den Sexismus,… kämpft. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts bilden sich nicht nur in den USA und England feministische Bewegungen heraus, sondern auch in Italien und Deutschland wird begonnen, gegen die ungleiche Behandlung der Frauen zu kämpfen. Zu dieser Zeit lassen sich laut Babka zwei grundlegende Positionen festmachen, an Hand derer sich die verschiedenen feministischen Strömungen entwickelten:

Die eine geht von der grundsätzlichen Gleichheit der Geschlechter aus (equality), die zweite von einer unhintergehbaren Differenz (difference), die entweder biologisch begründet wird (biologischer Determinismus, Essentialismus) oder als kulturell bzw. sozial konstruiert betrachtet wird (Konstruktivismus). In Amerika entwickeln sich um die Mitte des 20. Jahrhunderts verschiedene Forschungsrichtungen und Strömungen aus dem Differenzfeminismus heraus, die mit ihren Arbeiten in etwas verschiedene Richtungen gehen. Eine dieser Richtungen ist der Feminist Critique, der unter anderem durch Kate Milett, Judith Fetterley und Mary Ellman vertreten wird. Hauptaugenmerk dieser Gruppe liegt in der Relektüre von Texten, die von Männern verfasst wurdenund der Erforschung der Bilder von Weiblichkeit, die durch diese Werke vermittelt werden. Eine andere Strömung nennt sich Gynocriticism und wird vertreten durch Elaine Showalter, Sandra Gilbert, Susan Gubar u.a. Bearbeitet wird hier vor allem von Frauen geschriebene Literatur. Wichtig sind hier die weiblichen Erfahrungen in der Frauenliteratur sowie die Fragen nach einer weiblichen Ästhetik. Die dritte Strömung, die zu dieser Zeit in Amerika vorherrscht, nennt sich feministischer Empirismus, die gelesenen Texte werden hier autobiographisch interpretiert.

In Frankreich entwickelt sich der Differenzfeminismus in eine etwas andere Richtung als in Amerika. Hier erfolgt die Entwicklung in Abhängigkeit von Jacques Derridas Dekonstruktivismus und Jacques Lacans psychoanalytischen Theorien. Allerdings werden diese Theorien nicht einfach adaptiert, sondern kritisch hinterfragt und für die eigenen Bedürfnisse umgewandelt. Ausgegangen wird davon, dass Identität als etwas gesehen werden muss, das durch Sprache und Diskurse erzeugt und mitgeteilt wird. Es wird also davon ausgegangen, dass Identität keine starre Komponente sondern etwas Veränderbares ist. Wichtig für das Verständnis dieser Theorie ist meiner Meinung nach vor allem folgende Aussage:

Die Theorie der sexuellen Differenz unterschiedet sich von Differenztheorien, die den Geschlechtsunterschied betonen und festschreiben, dadurch, dass das Weibliche nicht definitiv festgelegt werden kann und soll, bzw. dadurch, dass dem Weiblichen, wie jeder anderen Definition von Identität, selbst ein Moment der Vielfalt und nicht fixierbaren oder definitiv bestimmbaren Differenz zugeschrieben wird.

Bekannte Vertreterinnen der Theorien sexueller Differenz sind in Frankreich unter anderem Kristeva, Irigaray und Cixous. Interessant ist für meine Arbeit vor allem die Frage wie die Frau sprechen können soll, wenn sie keinen eigenen Zugang zur Sprache hat, außer über das von Männern geprägte System, als Lösung finden die Theoretikerinnen die Möglichkeit dieses System zu dekonstruieren, wofür sie das Modell von Derrida anpassen und weiterentwickeln. Die Sprachlosigkeit der Frau in einem von Männern bestimmten System ist vor allem in Elfriede Jelineks Text ‘Lust’ von großer Bedeutung. Gerti, die Hauptprotagonistin in diesem Text leidet enorm an diesem Fehlen einer eigenen Sprache. Und ist nicht Jelinek selbst daran gescheitert einen weiblichen Porno zu schreiben, da sie keine weibliche Sprache der Sexualität finden konnte?

Die Arbeit der französischen Theoretikerinnen bleibt im amerikanischen Raum nicht unbeachtet. Die theoretischen Positionen verändern sich in Amerika ebenfalls, wenn auch teilweise in entgegengesetzte Richtungen wie in Frankreich. Prägend für die Entstehung eines nordamerikanischen Feminismus waren vor allem Mary Jacobus, Shishana Felman, Barbara Johnson und Gayatri ChakravortySpivak mit ihrem Programm einer ‘Gender Theory and Yale School’. Die Bildung der Theorien erfolgt in Anlehnung an Kristeva, Cixous und Irigaray sowie an Paul de Mans Dekonstruktion. Paul de Man hat eine eigene Lektürepraxis entwickelt, bei der es ihm um eine Entfaltung von Aporien, also von Unentscheidbarkeiten zwischen rhetorischen und literalen Ebenen eines Textes geht. Er geht davon aus, dass eine grammatikalische Konstruktion nie nur eine einzige Bedeutung hat, sondern mindestens zwei verschiedene, die einander aber ausschließen. In den 1980er und 1990er Jahren kommt es innerhalb der feministischen Theorien zu zahlreichen Differenzierungen. Theorien in Anlehnung an die feministischen Theorien entstehen, wie zum Beispiel die Gender Studies, Gay and Lesbian Studies, Queer Studies und der Black Feminism. Die Amerikanerin Gayle Rubin war für die Entwicklung der Gender Studies von großer Bedeutung, wichtig war vor allem, dass sie die Begriffe ‘sex’ und ‘gender’ für die Gesellschaftsanalyse nutzbar machte.

Eine ebenfalls sehr bekannte Theoretikerin, die sich mit Gender und Queer Studies beschäftigt, ist Judith Butler. Sie vertritt die Meinung, dass nicht nur ‘gender’ konstruiert wird, sondern auch ‘sex’.

Der Black Feminism kann keinesfalls als eine homogene Forschungsrichtung gesehen werden. Die Theoretikerinnen haben jedoch durchaus ein gemeinsames Ziel, nämlich der durch die weiße Mittelschicht geprägten Literatur mit einem eigenen Diskurs entgegenzuwirken und zugleich auch die Literatur afrikanisch-amerikanischer Autorinnen sichtbar zu machen.

Die Queer Studies bzw. die Gay and Lesbian Studies haben das Ziel, der so genannten heterosexuellen Norm entgegenzuwirken. Abschließend beschäftigt sich Babka in ihrem Essay mit der deutschsprachigen Rezeption der obigen Theoriemodelle. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Theoriediskurs im deutschsprachigen Raum erst sehr viel später Bedeutung findet, als dies in Amerika der Fall war.

In der Zeit um 1900 gibt es bereits eine Reihe von Autorinnen, die sich mit Themen wie Kampf um Berufsausbildung, weibliche Sexualität und geschlechterkritischen Komponenten befassen. Zum Teil sind diese Autorinnen noch heute sehr bekannt und werden gerne gelesen, wie z. B. Rosa Mayreder, Elke Jerusalem und Maria Janitschek.

Zur Zeit der Weimarer Republik wird neben der Arbeit auch die Sexualität interessant für die Literatur, die vor allem in der Form der außerehelichen Liebe und der weiblichen Sinnlichkeit Behandlung findet. Beachtet wird ebenfalls das Problem, dass berufstätige Frauen bei der Heirat ihre Betätigung aufgeben müssen. Elend und Armut, die die Zwischenkriegszeit mit sich bringt, lässt das Thema Sexualität aus der Frauenliteratur verschwinden. Auch die Zeit des Nationalsozialismus lässt keinen Raum, um sich mit der weiblichen Sexualität weiter zu beschäftigen. Es kommt zu zahlreichen Bücherverbrennungen von Werken, die inhaltlich nicht ins Konzept der Nazis passen oder von auf Grund ihrer Religion, Herkunft oder Weltanschauung unerwünschten Personen verfasst wurden. Das Frauenbild in der Gesellschaft verändert sich, die deutsche Frau hat die Aufgabe, Hitler möglichst viele deutsche Kinder zu gebären. Texte, die sich mit Sexualität befassen, werden nur mehr dann akzeptiert, wenn sie das Gebären von Kindern als weiblichen Beruf bezeichnen.

In den Jahren nach dem Krieg kann sich die politische und gesellschaftliche Situation in Österreich allmählich wieder festigen. In den 50er Jahren war Marlen Haushofer eine der wichtigsten österreichischen Autorinnen. Sie hat sich in ihrem Werk immer wieder mit der Sexualität der Frauen und den bestehenden Geschlechterverhältnissen beschäftigt.

Die 60er und 70er Jahre, in denen Österreich wieder ein stabiler und autonomer Staat ist, bieten Frauen wieder bessere Möglichkeiten literarisch tätig zu werden. Mit Beginn der neuen Frauenbewegung Ende der 70er Jahre finden Themen wie Masturbation, Menstruation, Sexualität im Alter, Vergewaltigung, Inzest, Homosexualität, … verstärkt Eingang zur Beschäftigung mit der Sexualität. Durch die Pille wird die Empfängnisverhütung für die Frau um vieles einfacher, was auch auf das Sexualleben nicht ohne Auswirkungen bleibt. Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Frauenrechte war die Legalisierung der Abtreibung bis zur 12.Schwangerschaftswoche im Jahr 1975. Zuvor starben zahlreiche Frauen, da sie eine Abtreibung von unqualifizierten Personen unter unzureichenden hygienischen Bedingungen durchführen ließen.

In den 80er und 90er Jahren findet die Beschäftigung mit der weiblichen Sexualität verstärkt Eingang in die Literatur, behandelt wird unter anderem die gesellschaftliche Bedeutung der Sexualität. In diese Zeit fällt auch die Entstehung von Elfriede Jelineks Roman ‘Lust’, den sie selbst als Antiporno bezeichnet. Andere bekannte Autorinnen dieser Epoche sind Anna Mitgutsch, Elfriede Czurda, Elisabeth Reichart.

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