Philebos - (Philêbos)

Philebos - (Philêbos)

von: Platon

Henricus - Edition Deutsche Klassik, 2012

ISBN: 9783847814085

Sprache: Deutsch

85 Seiten, Download: 467 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Philebos - (Philêbos)



Platon

Philebos


(Philêbos)
Sokrates · Protarchos · Philebos

Sokrates: So sieh denn zu, Protarchos, was für ein Satz es ist, den du von Philebos übernimmst, und wie unser Satz lautet, den du sofort bestreiten wirst, wenn er nicht nach deinem Sinn ist. Willst du, daß wir den einen und den andern bündig zusammenfassen?

Protarchos: Allerdings.

Sokrates: Philebos also behauptet, ein Gut für alles, was da lebe, sei die Freude, die Lust, das Vergnügen, und was sonst mit dieser Gattung zusammenstimmt. Wir aber bestreiten das und sagen, nicht dieses sei es; sondern das Einsichthaben, das Denken, das Sich-erinnern und was wieder mit diesem gleicher Gattung sei, richtige Vorstellung und wahre Vernunftschlüsse seien besser und wertvoller als die Lust für alles, was irgend daran teilnehmen könne. Ja für alle, die daran teilhaben können, sowohl gegenwärtig als in der Zukunft, sei das das Allernützlichste. – Ist es nicht dieses, mein Philebos, ungefähr, was jeder von uns behauptet?

Philebos: Vollkommen richtig, Sokrates.

Sokrates: Und du, Protarchos, übernimmst also den dir hiermit übergebenen Satz?

Protarchos: Ich muß ihn wohl übernehmen; denn der schöne Philebos ist uns ja müde geworden.

Sokrates: Auf jeden Fall muß also über jene Fragen das Wahre ermittelt werden. Protarchos: Das muß sein.

Sokrates: Wohlan denn! Zunächst wollen wir uns noch über folgendes verständigen.

Protarchos: Über was doch?

Sokrates: Daß jetzt jeder von uns versuchen, soll, eine gewisse Beschaffenheit und Verfassung der Seele aufzuzeigen, welche geeignet sei, allen Menschen ihr Leben zu einem glücklichen zu machen. Nicht so?

Protarchos: Allerdings.

Sokrates: Und nicht wahr? Ihr meint nun die des Sich-freuens, wir aber die des Einsichthabens?

Protarchos: So ist es.

Sokrates: Wie aber, wenn nun eine andere zum Vorschein käme, die besser als jene beiden wäre? Würden da nicht, wenn jene der Lust sich als näher verwandt herausstellte, wir beide vor dem an derselben stetig festhaltenden Leben das Feld räumen müssen, so zwar, daß das der Lust doch den Vorzug behauptete vor dem der Einsicht?

Protarchos: Ja.

Sokrates: Ist dieselbe aber der Einsicht verwandter, so siegt doch wohl die Einsicht über die Lust, und es muß diese das Feld räumen? – Nehmt ihr dies so an als zugestanden, oder wie?

Protarchos: Ich denke wohl.

Sokrates: Wie aber Philebos? – Was sagst du dazu?

Philebos: Ich bin und bleibe durchaus der Ansicht, daß der Lust der Sieg gebührt. Du aber, Protarchos, wirst selbst Bescheid wissen.

Protarchos: Philebos, nachdem du die Untersuchung mir übergeben hast, steht es auch wohl nicht mehr in deiner Befugnis, dem Sokrates ein Zugeständnis zu machen oder das Gegenteil.

Philebos: Du hast recht, und so sage ich mich denn feierlich los und rufe jetzt die Göttin selbst dafür als Zeugin auf.

Protarchos: Und wir wollen dir gleichfalls mitbezeugen, daß du gesagt hast, was du sagst. Sofort aber wollen wir doch versuchen, mein Sokrates, die Besprechung des Weiteren, mag nun Philebos mithalten oder was sonst gewillt sein, zu Ende zu führen.

Sokrates: Versuchen wir es denn, und zwar von der Göttin aus, von welcher dieser behauptet, daß sie zwar Aphrodite genannt werde, ihr eigentlichster Name aber Lust sei.

Protarchos: Ganz recht.

Sokrates: Meine Scheu aber, Protarchos, hinsichtlich der Namen der Götter ist jederzeit nicht gewöhnlich menschlicher Art, sondern übersteigt selbst die größte Furcht. Auch jetzt will ich denn die Aphrodite ebenso benennen, wie es ihr selbst lieb ist. Von der Lust aber weiß ich, daß sie etwas Buntfarbiges ist, und wenn wir von ihr ausgehen, wie ich sagte, müssen wir wohl beherzigen und erwägen, was für eine Natur sie hat. Denn so dem Wortlaut nach ist sie zwar einfach nur Eines, in der Tat aber hat sie doch allerlei und auf gewisse Art einander unähnliche Formen angenommen. Denn sieh nur, Lust, sagen wir, empfinde der ausschweifende Mensch, Lust empfinde aber auch der Besonnene eben dadurch, daß er besonnen ist; Lust empfinde auch der Unverständige und von unverständigen Meinungen und Hoffnungen Angefüllte, Lust aber hinwiederum auch der Vernünftige eben dadurch, daß er vernünftig ist; und wie könnte nun jemand von diesen beiden Lustzuständen sagen, sie seien einander ähnlich, ohne mit Recht als ein Tor zu erscheinen?

Protarchos: Freilich, Sokrates, kommen dieselben von entgegengesetzten Ursachen her, selbst aber sind sie sich gewiß nicht entgegengesetzt. Denn wie sollte nicht von allem, was es gibt, Lust mit Lust, dasselbe mit sich selbst, die größte Ähnlichkeit haben?

Sokrates: Ja, du Wundersamer, auch Farbe mit Farbe, und gewiß ist eben in bezug auf die Farbe im allgemeinen keine Verschiedenheit vorhanden. Ebenso gewiß aber erkennen wir alle an, daß das Schwarze und das Weiße neben ihrem Verschiedensein sich gerade am meisten entgegengesetzt sind. Und ebenso auch Figur der Figur. Der Gattung nach ist sie ein Ganzes; die Teile desselben aber sind einander sehr entgegengesetzt, oder sie haben doch tausenderlei Verschiedenheiten an sich. Und mit vielem anderen, können wir finden, verhält es sich ebenso, so daß du jener Lehre ja nicht trauen darfst, welche aus allem, auch dem Entgegengesetztesten, Eines machen will. Und so fürchte ich, daß wir auch gewisse Lustgefühle finden werden, die einander entgegengesetzt sind.

Protarchos: Vielleicht; aber warum soll das unserem Satze schaden?

Sokrates: Weil du, werden wir sagen, dem Unähnlichen noch einen anderen Namen gibst. Denn du behauptest ja, daß das Angenehme auch alles gut sei. Daß nun das Angenehme angenehm sei, ist ein Satz, den niemand bestreitet. Obgleich aber nun davon das meiste schlecht, anderes aber auch gut ist, wie wir sagen, nennst du doch alles gut, während du, wenn dich jemand im Gespräch dazu nötigt, zugibst, daß es sich unähnlich sei. Was ist nun doch das ebenso in den schlechten als in den guten Lustgefühlen vorhandene Gleiche, daß du sie alle etwas Gutes nennst?

Protarchos: Wie meinst du, Sokrates? Glaubst du denn, daß jemand dir darin beitreten, daß jemand, nachdem er einmal angenommen hat, die Lust sei das Gute, es nachher sich gefallen lassen werde, wenn du behauptest, gewisse Lustgefühle seien gut, gewisse andere aber von ihnen seien schlecht?

Sokrates: Aber daß sie einander unähnlich und manche einander entgegengesetzt sind, wirst du doch zugeben?

Protarchos: Mitnichten, wenigstens sofern sie Lust sind.

Sokrates: Hiermit, Protarchos, werden wir wieder auf den vorigen Satz gebracht. Wir werden also sagen, daß Lust von Lust nicht verschieden, sondern daß alle Lust sich gleich sei; wir werden uns auch die vorhin angeführten Belege gar nicht anfechten lassen, uns dagegen in Reden versuchen, wie sie nur die allergemeinsten Leute und Leute, die zugleich in Untersuchungen der Art völlig unerfahren sind, vorbringen.

Protarchos: Was sagst du da?

Sokrates: Daß, wenn ich nun, um dich nachzuahmen und mich zu verteidigen, die Behauptung wage, das Unähnlichste sei dem Unähnlichsten am allerähnlichsten, ich damit ganz nur dasselbe sagen werde wie du, sowie daß wir uns dabei als über alle Gebühr unerfahren zeigen werden und unsere Untersuchung uns ganz im Sande verlaufen wird. Wir wollen sie also noch einmal umwenden; vielleicht daß wir dann ins gleiche Fahrwasser einlenkend miteinander zusammengehen können.

Protarchos: Sprich nur, wie?

Sokrates: Also noch einmal, Protarchos, setze, ich werde von dir gefragt!

Protarchos: Und zwar was?

Sokrates: Ob nicht Einsicht, Erkenntnis, Vernunft, und was alles ich gleich anfangs, auf die Frage nach dem Wesen des Guten, als etwas Gutes bezeichnet habe, dasselbe Schicksal haben werde wie dein Satz?

Protarchos: Wieso?

Sokrates: Als vielfältig werden uns nicht nur die sämtlichen Erkenntnisse erscheinen, sondern manche derselben auch als einander unähnlich; gesetzt aber, einige stellten sich sogar als Gegensätze heraus, wäre ich da irgend wert, jetzt ein Gespräch zu führen, wenn ich aus Furcht davor gleichfalls behaupten wollte, keine Erkenntnis sei der anderen unähnlich, und dann infolge davon dieser unser Spruch uns wie ein Geschwätz zuschanden ginge, wir selbst aber uns nur noch mit irgend einem Widerspruch zu helfen wüßten?

Protarchos: Aber nein, das darf nicht geschehen, das Sich-zu-helfen-wissen abgerechnet. In der Tat, die Gleichheit deines und meines Satzes gefällt mir nicht übel. So möge es denn viele Lustzustände geben, die sich unähnlich, wie viele Erkenntnisse, die von einander verschieden sind.

Sokrates: Mit der Verschiedenheit also, Protarchos, sowohl meines Gutes als des deinigen wollen wir nicht mehr zurückhalten: sondern indem wir offen damit herausgehen, wollen wir es darauf wagen, ob uns die nähere Prüfung beider nicht einen Fingerzeig gebe, was man als das Gute bezeichnen müsse, ob die Lust oder die Einsicht oder ein anderes Drittes. Denn wir eifern jetzt ja doch über denselben Satz nicht deshalb mit einander, damit meine Aufstellung oder die deine den Sieg davontrage; sondern dem, was der Wahrheit am meisten entspricht, müssen wir doch wohl beide als Bundesgenossen zur Seite...

Kategorien

Service

Info/Kontakt