Tokyo mit Yokohama und Kyoto
von: Martin Lutterjohann
Reise Know-How Verlag Peter Rump GmbH , 2004
ISBN: 9783831712519
Sprache: Deutsch
480 Seiten, Download: 12924 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Japanische Esskultur (S. 126)
Essen und Trinken in Japan gehören zu den anregendsten Abenteuern, auf die sich ein Reisender einlassen kann. Aus einer Küche, die ursprünglich nur das wenige verwenden konnte, was die Umgebung hergab – Reis, regionales Gemüse und Meeresfrüchte aller Art einschließlich Algen und Seetang – hat sich dank japanischer Experimentierfreude, Neugier, Anpassungsfähigkeit, Streben nach Vollkommenheit, riesiger Konkurrenz sowie technischer und wirtschaftlicher Möglichkeiten innerhalb eines Menschenalters ein Universum an Gaumenfreuden entwickelt, das allein in Tokyo schon unerschöpflich ist. Man müsste ein sehr langes Leben und einen enormen Magen haben, um die rund 50.000 Lokale der Stadt durchzutesten.
Dabei empfinden Japaner die Hauptstadt noch nicht einmal als das einzig lohnende Schlemmerparadies. Manche – da spielen natürlich regionale Vorlieben eine Rolle – ziehen Osaka oder Kyôto auf kulinarischem Gebiet vor. Prinzipien der japanischen Küche sind ursprüngliche Schlichtheit und unaufdringliche Eleganz – was für die gesamte Kultur gilt. So ist die Verwendung hochwertiger, frischer Zutaten ein absoluter Grundsatz, wobei regionale und jahreszeitlich typische Produkte bevorzugt werden.
Der Eigengeschmack der Speisen soll voll zur Geltung kommen. Die französische Nouvelle Cuisine war eine an Europa angepasste Variante der japanischen Küche – Imitation einmal andersherum. Da diese Küche leicht bekömmlich und gesund ist, erfreut sie sich inzwischen auch im Ausland größter Beliebtheit. Spezialitäten wie Sushi waren für Japan-Reisende einst fast ein Horror. Der Gedanke an roh gegessenen Fisch hatte etwas Abschreckendes, selbst für Leute, die sich nichts beim Verzehr von Tartar und Mettbrötchen denken oder genussvoll Austern zu schlürfen vermögen. Nun gilt Sushi auch bei uns als Delikatesse, und Sushi- Bars sind ausgesprochen trendy.
Aber die Japaner wären nicht, was sie sind, wenn sie nicht stets auch offen für kulinarische Einflüsse von außen gewesen wären. Ein flüchtiger Bummel durch die Bahnhofsviertel jeder japanischen Großstadt zeigt, wie populär die amerikanischen Fastfoodlokale und daraus entstandene Mischformen mit japanischem Fastfood geworden sind. Auch die kleinen, rund um die Uhr geöffneten Supermärkte (convenience stores), die es mittlerweile tausendfach gibt, bieten westliche und japanische Fertiggerichte vor allem für berufstätige Frauen und Singles beiderlei Geschlechts. Die typi- sche Hausfrau geht jedoch ohne Speisezettel in ihrem Viertel einkaufen und hält Ausschau nach günstigen und frischen Zutaten, die dann zu einem mehrgängigen Abendessen zubereitet werden. Ein anhaltender Trend ist das Interesse an ethnic food: exotische Küche aus Asien, dazu die beliebte französische und italienische Küche. Solche Lokale werden gern von Paaren besucht, was in Japan eher ungewöhnlich ist.