Das Wassergeburten-Buch

Das Wassergeburten-Buch

von: Dianne Garland

Hogrefe AG, 2004

ISBN: 9783456938509

Sprache: Deutsch

192 Seiten, Download: 3791 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Das Wassergeburten-Buch



6 Wasser unter der Geburt aus der Sicht der Mutter (S. 81-82)

Warum entscheiden sich werdende Mütter für die Geburtsarbeit oder Geburt im Wasser? Auf diese Frage gibt es die unterschiedlichsten Antworten, die von einer ruhigen, intimen und beruhigenden Atmosphäre bis hin zur Wiedererlangung der Kontrolle über die eigene Geburt reichen. Ich persönlich glaube, dass die Mütter sich aus einem viel nahe liegenderen Grund für diese Geburtsform entschließen. Wonach sehnen Sie sich am Ende eines langen harten Arbeitstages, wenn jeder Muskel schmerzt und Sie Ihrer Familie, den Kindern und dem Rest der Welt entfliehen möchten? Verbinden Sie diese Vorstellung mit Dysmenorrhö, und viele Frauen würden den Wunsch nach einem heißen Bad und einem kühlen Getränk äußern. Überrascht es vor diesem Hintergrund, dass viele Frauen sich unter der Geburt daran erinnern und sich somit ganz «natürlich» nach Wasser sehnen?

Behalten Sie dieses Szenario im Hinterkopf, wenn ich Ihnen nun die physiologischen und psychologischen Vorteile des Wassers unter der Geburt erörtere. Die Nutzung der entspannenden Wirkung von Wasser in der frühen Geburtsphase ist beileibe nicht neu. Wie viele von uns wuchsen in ihrem Beruf mit dem Gedanken auf, Schwangere vor dem Gang in die Klinik in die Badewanne zu setzen? Um die Vorzüge des Wassers zu erfahren, lohnt es sich, einen Blick auf die physiologischen Veränderungen zu werfen, die sich unter der Geburt im Körper der Frau vollziehen.

6.1 Physiologie des Schmerzes und Reaktionen auf die Geburt

Mit Einsetzen der Wehen vollziehen sich im Körper der Frau signifikante Veränderungen, und zwar unabhängig davon, wie gut sie sich physisch und psychisch auf die bevorstehende Geburt vorbereitet hat. Ich denke hier konkret an Stress, Schmerzen, eingeschränkte Mobilität und Erschöpfung. Wir Hebammen versuchen, die Frauen im Rahmen von Geburtsvorbereitungskursen und Informationsveranstaltungen bestmöglich auf diese Veränderungen vorzubereiten. Bereits im Jahre 1920 erkannte Grantly Dick-Read den Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und dem Ausgang der Geburt. Unabhängig von der Geburtsvorbereitung wird die Schmerzempfindung durch Erfahrungen, die eigene Schmerzwahrnehmung sowie die individuelle Schmerztoleranz bestimmt. Moore (1994) gibt einen Überblick über Möglichkeiten der Schmerzlinderung unter der Geburt sowohl aus historischer als auch aus heutiger Sicht.

6.2 Stress

unter der Geburt Warum hat Stress eine solch große Wirkung auf das Voranschreiten der Geburt? Was versteht man eigentlich unter Stress? Stress ist eine Reaktion auf eine bestimmte Situation – mal mit positiven, mal mit negativen Folgen für den Körper. Für Stress sind mehrere Faktoren verantwortlich: Auf psychischer Ebene sind es Furcht, Sorgen, Angst und Wut, auf physischer Ebene wiederum Verletzungen oder Krankheiten, Schmerz oder Hypoxie. Unter der Geburt spielen all diese Faktoren eine Rolle. Ich bin jedoch der Meinung, dass wir Möglichkeiten kennen, um diese Stressauslöser zu reduzieren.

Gibt es auch «Stressoren», die positiv auf die Gebärende wirken? Wäre es möglich, dass diese Faktoren als Reaktion auf eine bestimmte Situation zur Wiederherstellung des homöostatischen Gleichgewichts beitragen? Könnten sie Einfluss auf das offensichtlich zwischen dem physiologischen und psychologischen Wohlbefinden der Frau bestehende komplizierte Wechselspiel nehmen? Und helfen diese Stressfaktoren dem weiblichen Körper, zu seinem normalen Gleichgewicht zurückzufinden? Ich persönlich würde die meisten dieser Fragen mit «ja» beantworten. Frauen scheinen mit Wehen und Geburt erstaunlich gut zurecht zu kommen. Je mehr wir über die so genannte «normale» Geburt erfahren, desto deutlicher erkennen wir, dass die in der Vergangenheit festgeschriebenen Parameter für eine einstündige Austreibungsperiode nicht notwendigerweise auf eine Erstgebärende zutreffen müssen (Crawford, 1987).

Jede Frau ist einzigartig, und somit ist auch jeder Geburtsverlauf und die Fähigkeit der Frau, Geburtsarbeit und Geburt zu meistern, individuell verschieden. Odent (1997) befasst sich eingehend mit der Physiologie der normalen Geburt, besonders jedoch zum Zeitpunkt des Einstiegs in die Wanne im Frühstadium der Geburt. Er schreibt, dass das komplexe Wechselspiel der verschiedenen Hormone (vor allem der Einfluss des atrialen natriuretischen Peptids) unter der Geburt und deren Wirkung über den Hypophysenhinterlappen auf Oxytocin bislang nur sehr unzureichend untersucht wurde. Odent empfiehlt, Wasser stets verfügbar zu halten, um es unter der Geburt zum Einsatz bringen zu können. Seiner Meinung nach sollte die Wassertemperatur 37 °C nicht überschreiten (obgleich sich viele Praktiker dieser Meinung nicht anschließen, sofern adäquate Richtlinien existieren), wobei die schmerzlindernde Wirkung des Wassers nach zweistündiger Immersion zu bewerten wäre. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass wir Hebammen den Aspekt der Individualität bei unserer Betreuung stärker berücksichtigen sollten. Wenn wir den Frauen aufgrund fester Vorgaben hinsichtlich des Öffnungsgrades des Muttermundes sowie der Wassertemperatur nur eine bestimmte Zeit im Wasser genehmigen, dann missachten wir dieses Prinzip.

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