Reclams Filmführer

Reclams Filmführer

von: Dieter Krusche

Reclam Verlag, 2004

ISBN: 9783159503110

Sprache: Deutsch

832 Seiten, Download: 14785 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Reclams Filmführer



Zur Geschichte des Films (S. 11-12)

Das Bemühen der Menschen, den Ablauf von Bewegungen im Bild festzuhalten, ist uralt. Ein berühmtes Beispiel, das in fast allen Filmgeschichten zitiert wird, sind die in der Steinzeit entstandenen Höhlenmalereien von Altamira in Spanien: seltsame Tiere mit sechzehn und mehr Beinen – wenn man so will, übereinanderprojizierte Phasenbilder eines Bewegungsablaufes. Dieses Bemühen und seine schrittweise Verwirklichung könnte man durch die Geschichte verfolgen und dabei eine bunte Ahnengalerie des Films zusammenstellen. Nur ein paar Beispiele: der Ägypter Ptolemäus wäre in ihr vertreten, der um 150 n. Chr. jene Trägheit der Netzhaut beobachtete, die einen Bildeindruck ungefähr 1.16 Sekunde haften läßt und die es erst ermöglicht, daß uns im Kino eine schnelle Folge unbewegter Bilder als kontinuierliche Bewegung erscheint.

Vertreten wäre auch der Chevalier d’Arcy, der diese in Vergessenheit geratene Erkenntnis 1765 wiederentdeckte. Dazu gehörten der Araber Ibn al Haitam, der um 1000 die Camera obscura erfand, Leonardo da Vinci, der sie rund 500 Jahre später noch einmal erfand, und der deutsche Jesuitenpater Athanasius Kircher, der die Camera obscura 1646 zur Laterna magica weiterentwickelte. Und aufzunehmen wären in diese Galerie auch die Erfinder der Fotografie – von Professor Schulze aus Halle, der 1727 die Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen entdeckte, über Daguerre, dem 1816 die erste Fixierung eines fotografischen Bildes gelang, bis zu den vielen, die die Erfindung Daguerres weiterentwickelten. Aber wann war nun die eigentliche »Geburtsstunde« des Films? 1853 projizierte Franz von Uchatius mit Hilfe einer Kombination von Lebensrad und Laterna magica bewegte Zeichnungen auf eine Leinwand. 1857 ersetzten Dubosq und R´eville die Zeichnungen durch Fotografien.

Aber noch waren die einzelnen Phasenbilder mühsam Stück für Stück gestellt und mit einer Plattenkamera aufgenommen worden. Erst als Marey 1888 die ersten Aufnahmen mit einem perforierten Filmstreifen machte, war der Weg frei für den Film. Und jetzt lag diese Erfindung auch gleichsam in der Luft. Unabhängig voneinander arbeiteten Erfinder und Bastler in verschiedenen Ländern; und unabhängig voneinander kamen sie auch zum Ziel. Bereits im Januar 1889 drehte der Engländer William Friese-Greene einen rund 100 Meter langen Film. Aber anstatt seine Erfindung auszuwerten, versuchte er, sie weiter zu vervollkommnen. 1891 entstanden in Thomas Alva Edisons Atelier die ersten Stummfilme.

Doch Edison verzichtete aus kommerziellen Erwägungen darauf, seine Filme zu projizieren, obwohl das mühelos möglich gewesen wäre. Er ließ sie in einem Gerät von den Zuschauern einzeln betrachten. Am 1. November 1895 zeigten die Brüder Max und Emil Skladanowsky im Berliner Variet´e »Wintergarten « ihre »lebenden Bilder«. Aber nach allgemeiner Übereinkunft gilt als Geburtsstunde des Films erst der 28. Dezember 1895, als die Brüder Auguste und Louis Lumi`ere im Keller des »Grand Caf´e« am Boulevard des Capucines in Paris ihr erstes Filmprogramm vorführten. Zweifellos war der Apparat der Brüder Lumi`ere am weitesten entwickelt. Und ihnen gelang auch der nachhaltigste Erfolg, der kontinuierlich zu dem überleitete, was wir heute als Filmkunst und Filmwirtschaft bezeichnen. Die ersten Filme hatten nur eine Laufzeit von wenig mehr als einer Minute, und gezeigt wurden vor allem Szenen aus dem Alltag und Jahrmarkts-Attraktionen.

Aber bald begann man auch, kurze Geschichten zu erzählen; und 1900 drehte M´eli`es bereits einen Jeanne d’Arc-Film von rund 15 Minuten. Diese Länge galt einige Jahre als nützliche Norm, weil der entsprechende Filmstreifen auf einer Filmrolle unterzubringen war. Doch ehrgeizige Regisseure und Produzenten wollten aufwendigere Geschichten erzählen, so näherte sich die Länge des Films mehr und mehr dem heute üblichen Maß. Parallel zu dieser Entwicklung setzten sich um 1907 auch die Zwischentitel durch. Anfangs, als der Film noch als Jahrmarktsattraktion galt, hatte ein »Erklärer« die Vorführungen kommentiert. Jetzt wurde der Film allmählich gesellschaftsfähig; und die anspruchsvolleren Filme wollte man wohl nicht mehr der individuellen Interpretation durch einen Erklärer überantworten. Gleichzeitig experimentierte man auch schon mit dem Ton- und dem Farbfilm. »Tonfilme« entstanden durch eine Kombination von Schallplatte und Film. Bereits 1903 stellte Oskar Meßter seine ersten »Tonbilder« vor, und innerhalb von zehn Jahren entstanden allein in Deutschland rund anderthalbtausend Filme dieser Art.

Dann wurde die Produktion praktisch eingestellt, da die Nachteile zu offenkundig waren: Schwierigkeiten der Synchronität von Bild und Ton, mangelnde Lautstärke. 1922 kamen dann die deutschen Ingenieure Hans Vogt, Joseph Massolle und Joseph Engl mit dem von ihnen entwickelten »Triergon«-Verfahren heraus. Zwei Demonstrationsfilme (Das Leben auf dem Dorf, Das Mädchen mit den Schwefelhölzern) vermochten in Deutschland weder das Publikum noch die Kritik und die Industrie zu interessieren, so daß dieses Lichtton-Verfahren erst einige Jahre später auf dem Umweg über die USA seinen Siegeszug antrat.

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