Filmgenres: Western
von: Bernd Kiefer, Norbert Grob
Reclam Verlag, 2004
ISBN: 9783159503103
Sprache: Deutsch
375 Seiten, Download: 2132 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Galgenvögel (S. 54-55)
Hell’s Heroes
USA 1929 s/w 69 min
R: William Wyler
B: Tom Reed (nach dem Roman The Three Godfathers von Peter
B. Kyne
K: George Robinson
D: Charles Bickford (Bob Sangster), Raymond Hatton (Barbwire Gibbons), Fred Kohler (Wild Bill Keany), Fritzi Ridgeway (Mutter)
Auf den ersten Blick war der Film für William Wyler ein Schritt zurück zum seriellen Standardkino, für das er 1925 mit dem Kurzwestern The Crooke Buster begonnen hatte. Doch er nahm das schlichte Sujet einfach als Gerüst, um das er das vielfältig verschlungene Gebäude einer Tragödie errichtete. Wyler drehte den Film in zwei Versionen, in einer Stumm- und einer Tonfassung. Und, wie er später nicht müde wurde zu betonen, er mochte es sofort, mit Ton zu drehen. Hell’s Heroes war Universals first allsound outdoor film.
Die Geschichte war damals nicht unbekannt. 1913 war der Roman von Peter B. Kyne erschienen, 1916 der Film (von J. LeSaint), 1919 das erste Remake (von John Ford). Es geht um drei Schurken, die in New Jerusalem die Bank überfallen, mit dem Geld in die Wüste fliehen und dort Pferde und Wasser verlieren. In der Nähe eines versiegten Wasserlochs stoßen sie auf einen Planwagen, in dem eine Frau gerade ein Kind zur Welt bringt. Kurz bevor sie stirbt, ernennt sie noch die Männer zu Paten ihres Kindes, zu den three godfathers. Die drei Männer nehmen – nach langem Zögern – dieses Ersuchen an und opfern sich am Ende, um das Leben des Kindes zu retten.
Jenseits dieser simplen Geschichte arbeitet Wyler an den ikonographischen Konturen, die den flachen, stereo- typen Figuren eine mythische Dimension verleihen. Die drei Ganoven sind zunächst zeittypisch charakterisiert, schmuddelig, schäbig und verwegen, dann aber werden sie nach und nach greifbar in ihrer ganz eigenen Persönlichkeit. Alle drei opfern sich, wie gesagt; Wyler zeigt den Entschluss dazu, für jeden Einzelnen, als bewusstes Ja zu einem unschuldigen Leben, das ihnen selbst nie vergönnt war. Ganz empört sind zwei von ihnen, als der Dritte die Milch für das Baby zwischen ihnen aufteilen will. Und als er auch kein Wasser für »das schreiende Bündel« herzugeben gedenkt, entsteht ein Riss zwischen ihnen, den der andere nur kitten kann, indem er durch sein verändertes Handeln die Bereitschaft signalisiert, die Bürde mit ihnen zu tragen. Als dann der Erste von ihnen aufgeben muss, der verwundete Barbwire Gibbons, setzt er sich unter einen Baum, den Wyler in Form eines Kreuzes fotografiert.
Es geht ihm darum, Wasser für das Baby zu sparen. So wird der Bandit geheiligt durch redliches Tun. Die Szene danach, betont beiläufig, ist ein früher Beleg für Wylers spätere Vorliebe für den indirekten Blick aufs Drama, für gespiegelte Handlung. Die Kumpane lassen Gibbons allein zurück mit seinem Revolver. Wir sehen ihren langsamen Gang, ihr gespanntes Gesicht. Die Kamera ist vor ihnen, so behält sie den Baum dahinter im Blick. Dann der Knall (der in der stummen Fassung durchs Mündungsfeuer im Hintergrund signalisiert wird). Sie zucken zusammen, für einen kurzen Augenblick verharren sie, schweigend, als zollten sie Respekt, danach setzen sie ihren Gang fort – ohne ein Wort zu verlieren.
Der Zweite opfert sich noch beiläufiger, Wild Bill Kearney. Er behandelte das Baby anfangs am liebevollsten, studierte sogar eine Anleitung für den richtigen Umgang mit Babys, wusch und ölte es ein, er geht eines Nachts einfach in die Wüste, einen Zettel hinterlassend. Er akzeptiert, dass seine Zeit abgelaufen ist und er dem Neuen eine Chance zu geben hat.