Geschichte des Dritten Reiches

Geschichte des Dritten Reiches

von: Wolfgang Benz

C.H.Beck, 2000

ISBN: 9783406467653

Sprache: Deutsch

288 Seiten, Download: 7476 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Geschichte des Dritten Reiches



7. Terror und Verfolgung (S. 109-110)

Ein Regime, dessen Ideologie sich auf das Recht des Stärkeren, Freund-Feind-Denken und den Anspruch universaler Verfügbarkeit über Menschen gründete, mußte der Disziplinierung und Formierung der Gesellschaft besondere Aufmerksamkeit widmen. Ausrichtung, weltanschauliche Schulung, Gleichschaltung waren die Vokabeln dafür. Dem stand die Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung von «Fremden», von ideologischen Gegnern, von allen gegenüber, die nicht dazu gehören sollten und wollten. Außer politisch Andersdenkenden (die sich möglicherweise aber umerziehen ließen) waren das alle, die aus rassischen Gründen keinen Platz in der «Volksgemeinschaft » haben sollten, wie Juden, Zigeuner und andere «Artfremde », darunter die unehelichen Kinder schwarzfranzösischer Besatzungssoldaten im Rheinland, in gewissem Maße auch Sorben, Kaschuben, Polen und andere ethnische Gruppen, die auf deutschem Reichsgebiet lebten. Sie waren Objekte der Ausgrenzung. Dazu kamen Unerwünschte wie Homosexuelle und «Asoziale» sowie religiöse Minderheiten, die sich nicht anpaßten. Nicht als «artfremd» oder sozial stigmatisiert, sondern als mißliebig aus Gründen der «Rassenhygiene» wurden Behinderte diskriminiert, verfolgt und ermordet. Das Erbgesundheitsgesetz, erlassen im Juli 1933, war eine erste präventive Maßnahme zur Verhinderung «erbkranken Nachwuchses ».

Nach diesem Gesetz wurden bis zum Ende des Dritten Reiches etwa 400 000 Menschen zwangssterilisiert: Fürsorgeempfänger, Langzeitarbeitslose, Alkoholiker, «Asoziale», Geisteskranke, körperlich Behinderte und andere. Die «Ballastexistenzen» sollten sich wenigstens nicht fortpflanzen dürfen. Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer hatten die Pflicht zur Anzeige beim Gesundheitsamt, das nach einem Gutachten beim «Erbgesundheitsgericht» (das an jedem Amtsgericht eingerichtet wurde) die Sterilisation beantragte. Das war nur das Vorspiel zur «Ausmerze», dem ab 1939 vor dem Hintergrund des Krieges staatlich veranlaßten Mord an Unerwünschten erst des eigenen Volkes, dann der «Untermenschen», an den «Lebensunwerten» und «Minderwertigen».

Die Methoden der Ausgrenzung und Verfolgung waren vielfältig. Sie reichten vom Berufsverbot über Freiheitsentzug, körperliche und seelische Mißhandlung bis zur physischen Vernichtung. Als Instrumente der Verfolgung dienten sowohl Organe des Normenstaats, Gesetzgebung, Rechtsprechung und Exekutive, als auch – in rasch ansteigendem Maße – außernormative Sonderinstitutionen wie die Konzentrationslager, das Terrorsystem der SS, die darin integrierte «Geheime Staatspolizei». Die Polizei, zunächst eindeutig der regulären Exekutive der Staatsgewalt zugehörig, unterlag einem Umwandlungsprozeß, in dem sie schließlich aus dem normativen, ja aus dem staatlichen Bereich überhaupt ausschied und, verschmolzen mit der Parteigliederung SS, Organ einer von der Person des «Führers» abgeleiteten Sondergewalt werden sollte.

Recht und Justiz wurden von den Nationalsozialisten zielstrebig zur Verfolgung und Bekämpfung von Gegnern und Mißliebigen in Dienst genommen. Die Reichstagsbrandverordnung vom Februar 1933 verschärfte das Strafrecht für politische und andere Delikte, und die Verordnung «zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung» vom März 1933 (später ersetzt durch das Heimtückegesetz vom Dezember 1934) ermöglichte die Strafverfolgung «böswilliger Äußerungen» über prominente Nationalsozialisten und über Organisationen des Dritten Reiches. Jede Kritik, jedes unbedachte Wort des Unmuts, jede nicht konforme private Bewertung des Regimes konnte zum strafbaren Delikt werden. Denunzianten waren Tür und Tor geöffnet.

Zur Aburteilung der «Heimtückefälle» waren im März 1933 Sondergerichte etabliert worden, bei denen die Rechte der Beschuldigten nicht nur von vornherein stark beschnitten waren, sondern es auch keine Rechtsmittel gab. Ab November 1938 konnte jedes beliebige Delikt wegen besonderer «Schwere oder Verwerflichkeit der Tat» vor einem Sondergericht angeklagt werden. Die Strafpraxis der Sondergerichte war drakonisch mit steigender Tendenz. Im Krieg galten sie als «Standgerichte der inneren Front» (Roland Freisler), und sie entsprachen mit 11000 Todesurteilen dieser Forderung.

Zunächst als Sondergericht war im April 1934 der «Volksgerichtshof » errichtet worden. Zwei Jahre später, ab April 1936, fungierte er als ordentliches Gericht mit der Zuständigkeit für Hoch- und Landesverrat, wurde dann auch zuständig für schwere Wehrmittelbeschädigung, Feindbegünstigung, Spionage, Wehrkraftzersetzung. Der Volksgerichtshof urteilte in zwei Instanzen, gegen die es Rechtsmittel nicht gab.

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