Die deutsche Krankheit: Sparwut und Sozialabbau

Die deutsche Krankheit: Sparwut und Sozialabbau

von: Gustav A. Horn

Carl Hanser Fachbuchverlag, 2005

ISBN: 9783446403642

Sprache: Deutsch

204 Seiten, Download: 1564 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die deutsche Krankheit: Sparwut und Sozialabbau



5 Die grundlegenden Fehler der Wirtschaftspolitik in Deutschland (S. 122-123)

5.1 Der strategische Fehler

Die Wirtschaftspolitik in Europa und vor allem in Deutschland wurde im Kern durch das neoklassische Grundmodell unter Berücksichtigung des Say’schen Theorems geleitet. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die gegenwärtige Strategie angemessen war oder nicht, ist die Antwort auf die Frage, ob Deutschland unter Angebots- oder Nachfrageproblemen leidet. Im ersten Fall müsste die Antwort ja lauten und im zweiten nein. Woran aber erkennt man dies? Im Lichte der theoretischen Erkenntnisse des vorigen Kapitels lassen sich einige Indikatoren bestimmen, die weiterhelfen.

Eine Wirtschaft mit Angebotsproblemen zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ihre Produkte, sei es aufgrund zu schwacher Produktivitätsentwicklung infolge mangelnder Innovationstätigkeit oder sei es, weil die Löhne zu hoch sind, nicht rentabel auf den Weltmärkten anzubieten sind. Aufscheinen sollte dies an im internationalen Vergleich zu hohen Lohnstückkosten, die das Verhältnis von Lohnentwicklung zur Produktivitätsdynamik spiegeln. Zudem sollte sich in Folge ein Außenhandelsdefizit in der Wertschöpfung ergeben, da wegen mangelnder inländischer Rentabilität zunehmend Produktion ins Ausland verlagert wird. Die Volkswirtschaft wandelt sich zu einer sog. »Basarökonomie«.1 Zugleich sollte die Reallohnentwicklung im Inland im Vergleich zum Produktivitätszuwachs hoch und damit die Rentabilität des Arbeitseinsatzes niedrig sein.

Bei Nachfrageproblemen sollten zum einen alle oben genannten Probleme nicht bestehen. Nachfragemangel sollte aber zu unterausgelasteten Kapazitäten führen, wobei die realen verfügbaren Einkommen nur schwach zunehmen sollten. Im Außenhandel sollte eher ein Überschuss bestehen, da aufgrund der schwachen Binnennachfrage auch die Nachfrage nach Importgütern gedämpft sein sollte, während der Rest der Welt Exportgüter aus Deutschland in kräftigerer Weise nachfragt.

Diese Indikatoren stehen im Widerspruch zu den häufig angeführten Merkmalen. Für viele Ökonomen ist schon die Existenz von lang anhaltender Arbeitslosigkeit bereits ein Hinweis auf Angebotsprobleme. In deren Sichtweise resultiert sie eben aus den strukturellen Angebotsproblemen der Volkswirtschaft. Allerdings kann zähe Arbeitslosigkeit auch das Ergebnis einer langwierigen Nachfrageschwäche sein. Je länger die Arbeitslosigkeit individuell dauert, desto schwieriger wird es, wieder eine Stelle zu finden, vor allem weil Kenntnisse und Fertigkeiten mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit verloren gehen können. Folglich kann sich eine zunächst kurzfristig erscheinende Arbeitslosigkeit in eine langfristige verwandeln, wenn nicht rasch ein Wiederaufschwung einsetzt, der zu einem schnellen Abbau der einmal entstandenen Unterbeschäftigung führt. Mithin ist lang anhaltende Arbeitslosigkeit kein treffsicheres Unterscheidungsmerkmal zwischen Angebots- und Nachfrageproblemen. In den folgenden Abschnitten erweist sich, dass die oben aufgeführten Indikatoren in Richtung Nachfrageproblem weisen. Ist dies der Fall, ist der grundlegende Fehler der aktuellen Wirtschaftspolitik in Deutschland strategischer Natur, da sie auf der »falschen« Seite des Marktes angesetzt hat. Die Folgen sind aus keynesianischer Sicht leider klar, so kann ein Aufschwung nicht entstehen, da die Nachfrage nicht gestärkt wird.

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