Alterssicherung im europäischen Wohlfahrtsstaat - Etappen ihrer Entwicklung im 20. Jahrhundert

Alterssicherung im europäischen Wohlfahrtsstaat - Etappen ihrer Entwicklung im 20. Jahrhundert

von: Tanja Anette Glootz

Campus Verlag, 2005

ISBN: 9783593376905

Sprache: Deutsch

297 Seiten, Download: 1383 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Alterssicherung im europäischen Wohlfahrtsstaat - Etappen ihrer Entwicklung im 20. Jahrhundert



3. Im Kriegsschatten: Koordinierung und Harmonisierung auf zwischenstaatlicher und internationaler Ebene (S. 90-91)

Der auf dem Gebiet des Altersschutzes der Wanderarbeiter in der Dekade vor 1914 beschrittene Weg des Bilateralismus wurde auch unter den erschwerten Bedingungen der einsetzenden Kriegsereignisse nicht verlassen, sondern im Verlauf des Ersten Weltkrieges mit Einschränkungen aufrechterhalten und auch nach dem Ersten Weltkrieg weiter fortgesetzt. Während der Belastungsproben, denen das völkerrechtliche Regelwerk ungeachtet einiger Dysfunktionen standhielt, konnten die ersten Koordinierungserfahrungen gesammelt werden. Exemplarisch wird in diesem Kapitel zuerst den Facetten der deutsch-italienischen Koordinierungspraxis Raum gegeben, von der eine Angleichung auf die Altersschutzsysteme ausging. Um die Voraussetzungen für eine umfassende Koordinierung zu erreichen, kam es in Italien zu einseitig harmonisierenden Maßnahmen und damit zu einem Ausbau seines Binnensozialrechts.

In der Zwischenkriegszeit ergaben sich überdies andere Aspekte der Angleichung, etwa aus den kriegsbedingten Gebietsverschiebungen und dem sich hieraus ergebenden Koordinierungsbedarf zwischen den deutschen und französischen Rentenversicherungsträgern. Die genannten Entwicklungen sind ein Indikator dafür, dass die Systeme des Altersschutzes in Europa graduell von transnationalen Strukturen überlagert wurden. Die Ausweitung der zwischenstaatlichen Rentenversicherung in den zwanziger und dreißiger Jahren, bei der vor allem die Grundsätze der vom Deutschen Reich abgeschlossenen zweiseitigen Verträge Vorbildcharakter erlangten155, wird ebenfalls beleuchtet.

Neben der Herausbildung der Hauptgrundsätze der zwischenstaatlichen Rentenversicherung, die schließlich im Jahre 1935 in des Übereinkommen 48 der ILO aufgenommen wurden, rückten im Zuge der bi- und multilateralen wie auch internationalen Koordinierungsaktivitäten auch die zu koordinierenden Systeme selbst weiter in das Feld der Wahrnehmung vor. Während bis 1945 besonders die deutsche Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung als Systemform sowohl in zwischenstaatlicher als auch in internationaler Hinsicht Maßstäbe setzte, übten nach 1945 weitere Konzeptionen und Normen wie der Beverigdeplan und die sozialen Mindestnormen der ILO sowie die Suche nach sozialen Lösungen europäischen Zuschnitts einen Einfluss auf die europäischen Landschaften der Altersschutzsysteme aus.

3.1 Deutsch-italienische Koordinierungspraxis mit angleichender Wirkung

Die Akzeptanz für das zwischenstaatliche Arbeiterversicherungsabkommen von 1912 hielt sich in den ersten Jahren nach seiner Einführung bei den in Deutschland arbeitenden Italienern in Grenzen. Zu diesem Schluss kam die Renten-Abteilung der Deutschen Bank, die für den »Zahlungsdienst für ausländische Unfall- und Invalidenrenten« zuständig war. Aus ihren, an das Reichsversicherungsamt weitergeleiteten Informationen geht hervor, dass bis 1915 nur rund 2.128 in Deutschland beschäftigte Italiener das im Bilateralabkommen enthaltene Angebot nutzten, die Hälfte ihrer bei der deutschen Invalidenversicherung eingezahlten Rentenbeiträge nach Italien zu überweisen.

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